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Popkultur

Ich habe mich mit Dagi Bees Make-up-Kollektion geschminkt, damit ihr es nicht müsst

Ist "Beetique" High-End-Schminke aus der Drogerie, oder Abzocke? Zeit, den Lidschattenpinsel selbst in die Hand zu nehmen.
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Alle Fotos: Viktoria Grünwald

Morgens, halb acht. Ich stehe vor meinem unzureichend beleuchteten Badezimmer-Spiegel und bin genervt. Seit mehreren Minuten beackere ich meine Augenlider mit dem Lidschattenpinsel Y004 aus Dagi Bees erster Make-up-Kollektion. Der ist laut Packungsbeschriftung nämlich "ideal für großflächiges Grundieren des Lids". Ich weiß nicht, ob es am Pinsel liegt oder am Lidschatten, aber: Ich bin underwhelmed. In der Verpackung sieht der Farbton "Lost" nach "Viel trockener Rotwein in einer Jazz-Bar" aus. Auf meinen Augen allerdings eher nach "Drei Tage wach in Cottbus". Knapp 17 Euro kostet die Lidschattenpalette "Pulse" und alles, was auf meinen Lidern bleibt, ist ein Hauch Rot, der an eine Bindehautentzündung erinnert. Hat Dagi, YouTube-Star und eine von Deutschlands erfolgreichsten Influencerinnen, uns mit Beetique verarscht?

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Seit Montag ist die Make-up-Linie bei dm erhältlich und soll Dagis junge Zielgruppe mit "reflektierenden Strobe-Glossen" und was man sich sonst noch so Glitzerndes ins Gesicht schmieren kann, versorgen. Nur die Preise klingen so gar nicht nach Taschengeld ausgeben im Drogeriemarkt. Die Lippenprodukte bewegen sich zwischen zehn und zwölf Euro, die Lidschattenpalette liegt bei 17 Euro, die Highlighter bei 15 Euro. Die Make-up-Pinsel kosten zwischen neun und 13 Euro, das teuerste Produkt ist die Contouring-Palette für knapp 20 Euro. Wer die komplette Produktpalette seines Idols erwerben möchte, muss dafür 341,60 Euro bezahlen. Das dürfte den Weihnachts-Wunschzettel der deutschen Durchschnittsfamilie sprengen. (Außer natürlich, du gehörst der Merz-Mittelschicht an. Dann gibt's noch einen Sweater aus Dagis Klamotten-Onlineshop obendrauf.)


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Vielen Fans schien nach all den Jahren des bedingungslosen Anbetens sehr unvermittelt klarzuwerden, dass es Influencerinnen mit eigener Kosmetikmarke dann doch primär um eines geht – Geld. Sie merkten zurecht an: "Ich kaufe doch keinen 12-Euro-Lipgloss, wenn ich den einen Aufsteller weiter für 2,50 Euro bekomme." Die Beauty-YouTuberinnen und -YouTuber, die direkt zum Verkaufsstart ihre ersten Schmink-Tutorials hochluden, bewerteten Beetique hingegen recht wohlwollend. "Alltagstauglich" sei die Marke – gerade für Personen, "die ein bisschen jünger sind und anfangen wollen mit Make-up". Ich bin fast 30 und klatsche mir seit rund 15 Jahren mal mehr, mal weniger hochpreisige Schminke ins Gesicht. Vielleicht nicht immer erfolgreich, dafür aber beständig. Offensichtlich gehöre ich also nicht zur Zielgruppe. Trotzdem bin ich die einzige im Drogeriemarkt, die verschämt um den Beetique-Aufsteller schleicht. Beauty-Mogulin Kylie Jenner verkauft ihre Lip-Kits in den USA in Minuten aus. Bei ihrem deutschen Pendant scheint der Hype-Train Verspätung zu haben.

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Ich entscheide mich für die Lidschattenpalette Pulse, die laut Verpackungsaufschrift "alle Must-Haves der Saison" vereint. Die da wären: Blau, Rot, Weiß, Grün und "Flakes". Warum Flakes? "Das sind halt wirklich einfach Flakes. Ich habe die Farbe gesehen und es war so: Boah, die Farbe ist einfach flaky, einfach Flakes", erklärt Dagi Bee in ihrem Video zur Beetique-Kollektion. Ich bin überzeugt. Dazu zwei Pinsel, einen "ultimativ leuchtenden Holo-Glow"-Lipgloss ("Kaleidoscope"), einen roten Liquid-Metal-Lippenstift ("Burlesque") und eine Highlighter-Palette ("Champagne"). Die Kassiererin guckt mich irritiert an. Offensichtlich weiß sie, wessen Produkte ich da gerade aufs Band gelegt habe und offensichtlich habe ich deutlich zu ausgeprägte Nasolabialfalten, um noch als jung genug für einen Dagi-Bee-Fan durchzugehen. "Macht 76 Euro und 70 Cent", sagt sie. Wäre ich noch Schülerin und müsste das von meinem Taschengeld bezahlen, hätte ich jetzt Bauchschmerzen. Oder einen YouTube-Kanal und wüsste ganz genau, dass man mit der Erwähnung von Dagi Bee ordentlich Aufrufe macht.

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Alle Fotos: Viktoria Grünwald

Morgens, acht Uhr. Ich bin bei meinem Augen-Make-up mittlerweile einen Schritt weiter. Über das Ausschlag-Rot von "Lost" habe ich großflächig "Lavish" aufgetragen. In der Verpackung sieht es dunkelrot aus, nach irgendetwas, was eine Frau mit silberner Zigarettenspitze am Mundwinkel in einem Mafia-Film tragen würde. An mir wirkt es eher wie Erdbeerkaugummi. Ich pinsele mir "Escape" in die Lidfalte, eigentlich ein strahlendes Blau, was aufgetragen nach schnödem Grau aussieht. Zum Abschluss tupfe ich mir das weißglitzernde "Society" an den Augeninnenwinkel. Das hatte ich mal in einem Schmink-Tutorial gesehen. Das Ergebnis meiner halbstündigen Anstrengung: Ich sehe aus, als hätte jemand seine Faust in Glitzerpuder getunkt, und mir anschließend ins Gesicht geschlagen. Die Lidschatten, zumindest meiner Palette, sind schlecht pigmentiert und sehen auf der Haut komplett anders aus als in der Verpackung. Ich habe schon Dürüm Döner gegessen, dessen Rotkraut deutlichere Farbspuren auf meiner Haut hinterlassen hat, als dieses Kosmetikprodukt. Und dafür habe ich 17 Euro bezahlt?

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Dann eben Highlighter, denke ich, und entscheide mich für das roséfarbene "Ibiza". Mit Highlighter kann man fast gar nichts falsch machen. Großzügig fuhrwerke ich mit dem H003-Pinsel durch das Puder, tupfe ihn auf meinen Wangenknochen und … sehe nichts. Erst bei Schicht Nummer Drei leuchtet nun auch die Seite meines Gesichts rötlich. Der Farbton ist schön, auch wenn er mir nicht steht. Knapp 15 Euro für drei Highlighter-Töne ist ebenfalls OK. Da habe ich schon mehr für einen einzigen ausgegeben – der war dann aber eben auch von Rihanna und verwandelt mich in eine goldene Göttin. Oder eine glänzende Speckschwarte. Je nachdem, wen man fragt.

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Ich schreibe meinem Chef bei WhatsApp, dass ich heute später ins Büro komme. Für mein perfektes Dagi-Make-up muss noch die Lippenfarbe geklärt werden. Mein Favorit, der "absolut holografische Gloss mit Mega-Impact", sieht leider nur in der Verpackung fantastisch aus. Auf meinen Lippen wirkt er, als hätte ich außerordentlich aktiven Speichelfluss. Ich überschminke meine gnadenlose Enttäuschung mit dem flüssigen Lippenstift in Metall-Optik: Burlesque. Der trocknet sofort, trägt sich angenehm und verschmiert nicht. Gleichzeitig legt er sich so sehr in meine Lippenfalten, dass mein Mund ein bisschen aussieht wie ein Rektum, das mit Metallic-Autolack eingesprüht wurde. Dafür kann das Produkt nichts, aber mein Gesicht. Und das macht mich traurig. Zeit, mich unter Menschen zu wagen.

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"Du siehst aus wie ein getuntes Auto", ruft eine Kollegin, als ich mich an ihr vorbei zu meinem Schreibtisch drücke, "aber auch irgendwie weihnachtlich". Ich lächle gezwungen. "Nein, wie jemand aus Starlight-Express", ergänzt ein Kollege und sieht dabei sehr schadenfroh aus. Anschließend schickt er mir per Messenger ein Foto aus dem Musical, damit ich mir auch ganz genau visualisieren kann, wie viel Glitzer sich in meinem Gesicht befindet. Andere hingegen machen mir Komplimente dafür, dass ich heute "sehr gut" aussähe. Wieder andere starren angestrengt auf meine Augenpartie und erklären schließlich: "Sieht aus wie immer." Ich verfluche sie innerlich und beschließe, meine Make-up-Entscheidungen ganz generell zu überdenken.

Mehrere Tassen Kaffee, ein Mittagessen und zwei Zigaretten später hält der Dagi-Lippenstift noch immer bombenfest. Der Lidschatten hingegen hat sich zu einer grau-rot-lila-farbenen, in jedem Fall aber ungesund aussehenden Farbwolke über meinen Augen zusammengeklumpt. So gesehen sind die Produkte von Beetique nicht anders als klassische Drogerie-Kosmetik: Kann funktionieren, ist aber eben nicht High-End. Und dafür sind die Preise dann doch ziemlich frech.

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