Leben wir in der Endzeit? Wir haben Experten gefragt
Erde: Kevin Gill | Flickr | CC BY 2.0; Zündschnur: Christopher Congdon | Flickr | CC BY 2.0; Hand: Imago | blickwinkel/McPhoto/Olaru Radian-Alexandru 

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Apokalypse Jetzt

Leben wir in der Endzeit? Wir haben Experten gefragt

Die gute Nachricht: Die Welt geht wohl nicht unter. Die schlechte: Die Menschheit vielleicht schon.

Egal, ob wir uns in Videospielen durch die Zombie-Apokalypse kämpfen, Konserven für den Zusammenbruch unserer Zivilisation anhäufen oder uns in Zeiten von Donald Trump ohnehin fragen, ob wir nicht mit dem Leben auf der Erde an sich abschließen sollten: Der Untergang unserer Welt – oder zumindest der Welt, wie wir sie kennen –, fasziniert Menschen. Zu Recht. Vor Kurzem veröffentlichten 15.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine "Warnung an die Menschheit". Die Unterzeichner sind sich einig, dass wir nicht so weitermachen können. Ist das Ende also wirklich nah?

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Wir haben einige Experten gefragt, ob die Zukunft tatsächlich so hoffnungslos aussieht.

Richard Zurawski

Meteorologe, Dozent für Ingenieurswesen, Kanada

VICE: Mit der Klimakatastrophe kennen Sie sich aus. Erleben wir deswegen bald den Weltuntergang?
Richard Zurawski: Es ist ein Ökozid – wir töten die Umwelt. Das erste riesige Problem ist die Größe der menschlichen Bevölkerung. Den größten Zuwachs gibt es in nicht-westlichen Ländern, aber in den westlichen Ländern sowie in Japan und anderen Industrienationen wächst der Konsum, was den Unterschied mehr als ausgleicht. Dieser Konsum ist die Schlinge, die sich um unseren Hals legt.

Weil wir den Kapitalismus und den Konsum für unsere Wirtschaft brauchen, achten wir nicht darauf, was im Rest der Welt passiert.

"Die Zivilisation, wie wir sie kennen, wird spätestens in 50 Jahren Geschichte sein."

Unser Konsum zeigt sich im Plastik in den Meeren, im CO2-Ausstoß, im Gletscherschmelzen, im Verlust der Polkappen. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, wird spätestens in 50 Jahren Geschichte sein. Es kann sogar sein, dass wir unser eigenes Aussterben herbeiführen. In 20 Jahren werden wir nicht mehr dasitzen und Telefoninterviews führen, sondern damit beschäftigt sein zu überleben. Wenn wir nicht jetzt den Ökozid beenden, ist es 2040 auch schon egal, wie sehr wir uns bemühen.


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Was genau meinen Sie? Was wird passieren?
Die Wohlhabenden werden Enklaven erschaffen, die der Rest von uns nicht betreten kann. Dort werden sie ihren Lebensstil weiterführen, mit einer intakten Infrastruktur. Diese Infrastruktur wird im Rest der Welt zusammenbrechen. Stromnetze als Erstes, und wenn der Strom nicht mehr fließt, kommt alles zum Erliegen. Dann wird die Gesellschaft sich zersetzen, um Ressourcen kämpfen. Es wird Kriege geben, die uns von diesen Dingen ablenken sollen. Wenn wir unser eigenes Essen finden müssen, kriegen wir Probleme: Die meisten Wildtiere sind schon weg, und das "Jäger und Sammler"-Modell kann keine acht Milliarden Menschen am Leben halten. Es wird keine effektiven Regierungen geben, weder lokal noch national.

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Dr. Chris Madsen

Professor für Verteidigungsstudien am Canadian Forces College und am Royal Military College of Canada

VICE: Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Welt? Steuern wir auf einen Atomkrieg zu?
Chris Madsen: Aktuell befindet sich die Welt in einem recht friedlichen Stadium. Dass es einen großen Krieg gibt oder die Menschheit durch Atomwaffen ausgelöscht wird, ist zurzeit unwahrscheinlich. Die meisten Militärs machen sich eher Gedanken, wie sie ihre Kosten für Personal und Ausrüstung rechtfertigen sollen. Die heutigen Konflikte sind sehr regional und meist auf nicht-staatliche Akteure beschränkt. Wir sehen in Nahost und anderswo relativ geringfügige Konflikte. China ist ein wichtiger Handelspartner der westlichen Nationen, Russland zieht Spionage und Unterstützung durch Verbündete offenen Konflikten vor. Der Einsatz von Atomwaffen wäre demnach auch vermutlich eher lokal eingeschränkt und würde sofort vom Großteil der Welt scharf verurteilt. Diese Bedingungen legen nahe, dass der relative Frieden weiter anhalten wird. Das gefällt den Militärs nicht, sie suchen sich Krisen, um sich zu involvieren. Die UN sollte mehr Friedensoperationen anstrengen, die lokale Konflikte beenden und zu einer stabilen Weltordnung beitragen.

"Die einzige Endzeit, die vielleicht bevorsteht, ist die der Menschen. Wir sind die neuen Dinosaurier."

Die Umweltzerstörung und globale Pandemien sind meiner Meinung nach viel größere Bedrohungen. Das liegt am Bevölkerungswachstum und unserem Ressourcenverbrauch. Wir vergiften aktiv das Ökosystem, das uns am Leben hält. Und die Natur tendiert dazu, Ungleichgewicht auszugleichen. Wir können uns vielleicht noch retten, wenn wir ein starkes Umweltbewusstsein entwickeln oder ins All auswandern, entweder innerhalb unseres Sonnensystems oder noch weiter weg.

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Andererseits würden 20.000 Jahre ohne Menschen die Erde wiederherstellen. Die einzige Endzeit, die vielleicht bevorsteht, ist die der Menschen. Die Erde und die Natur werden überdauern. Wir sind nur die neuen Dinosaurier.


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Dr. Eric Ouellet

Professor für Verteidigungsstudien am Canadian Forces Colleges und Royal Military College of Canada

VICE: Ist die Menschheit durch Atom- oder Massenvernichtungswaffen bedroht?
Eric Ouellet: Ich denke nicht, dass wir aktuell näher am Weltuntergang sind als vor 50 oder 100 Jahren. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das zwar etwas verschoben, aber die Großmächte der Welt halten ein ziemlich starkes Gleichgewicht. Dass die Großmächte alle Atomwaffen besitzen, hält sie davon ab, einander damit anzugreifen. In dieser Hinsicht hat sich kaum etwas geändert. Und Einzelgängerstaaten wie Nordkorea sind viel disziplinierter, als die meisten glauben. Ich sehe da also kein großes Risiko. Es mag heute ein wenig höher sein als noch vor fünf Jahren, aber am Abgrund stehen wir aus militärischer Sicht nicht.

Viele Menschen fürchten sich vor Massenvernichtungswaffen, aber es gibt viele technische Hindernisse, die dafür sorgen, dass sie schwer einsetzbar sind. Wäre das nicht der Fall, kämen sie sicher häufiger zum Einsatz.

Wie wird die Welt in 100 oder 150 Jahren aussehen?
Der Westen verliert langsam an Macht. Dieser Machtverlust begann meiner Meinung nach mit dem Ersten Weltkrieg. Schwer zu sagen, wie die Technologie in 100 bis 150 Jahren aussehen wird, aber ich rechne mit mehr Konflikten in der westlichen Welt, weil wir nicht mehr so mächtig sein werden wie heute. Unsere Macht schützt uns in vieler Hinsicht vor großen Katastrophen – das ist die traurige Wahrheit.

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Aber aktuell ist bei uns noch alles OK?
Aktuell sehe ich keinen wirklichen Grund zur Sorge. Natürlich gibt es da noch eine Wahrscheinlichkeit von unter einem Prozent, dass etwas Katastrophales passiert, höher ist sie aber nicht.

James Thompson

Autor des Zombie-Romans Rise of the Mudmen, hat seine Katze Zombie getauft

VICE: Du bist Experte für Zombie-Fragen. Stehen wir diesbezüglich vor der Endzeit?
James Thompson: Wahrscheinlich schon, aber dann sagt uns das niemand. Und dieser Zustand hält sich vermutlich schon sehr lange. Wir verstehen die Natur nur wenig und wissen erst recht nicht, was wir anstellen, wenn wir uns in sie einmischen. Kriegsführung mit Krankheitserregern und Chemikalien kann unerwartete Nebenwirkungen haben. Dann gibt es noch Genmanipulation und die Entwicklung von Super-Viren – angesichts solcher Dinge wirkt die Vorstellung von Zombies gar nicht so abwegig. Natürlich keine Untoten, die aus dem Grab steigen und sich von Gehirnen ernähren, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es eine Art Tollwut geben könnte, die Menschen auf ein primitiveres, gewaltbereiteres Niveau bringt. Andererseits kann die Menschheit darauf reagieren, etwa mit Impfungen, Quarantäne oder indem sie das verdammte Ding einfach töten. Erst wenn die Menschen obendrein noch andere Fehler machen, kommt es zur richtigen Zombie-Pandemie. Wie uns fast jede große Epidemie der vergangenen 200 Jahre gezeigt hat, kann ein kleiner Fehler schon sehr viele Menschen das Leben kosten.

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