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Popkultur

Warum dieses Video vom Papst gerade viral geht

Für die einen ist der Kuss-Rückzieher ein blasphemischer Skandal, für die anderen relatable Content.
Der Papst zieht seine Hand weg, als jemand sie küssen will
Screenshot: Twitter | @CatholicSat

Es passiert euch vielleicht nicht so oft, dass Menschen den Primark-Ring an eurem Finger küssen, weil sie sich davon Gesundheit, Glück und Reichtum erhoffen. Dennoch kann wohl zumindest die Social-Anxiety-Bubble des Internets nachvollziehen, wie sich Papst Franziskus, 82, am Montag bei einer Messe im italienischen Loreto gefühlt haben muss. Ein Video zeigt, wie Gläubige hartnäckig versuchen, den Ring an der päpstlichen Hand zu küssen. Und Papst Franziskus so: nope!

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Für alle, deren Bibel das letzte Margarete-Stokowski-Buch ist und deren Göttin Beyoncé, hier ein kleine Erklärung: Der Fischerring ist eine der pontifikalen Insignien, ein Accessoire, das nur der Papst tragen darf. Gläubige knien traditionell vor dem Papst nieder und küssen den Ring. So auch beim päpstlichen Besuch in der Gemeinde Loreto am Montag. Papst Franziskus scheint diese Tradition aber nicht zu supporten. Im Gegenteil: Ein fast eineinhalb-minütiger Clip zeigt, wie er wiederholt seine Hände wegzieht, irritiert lächelt und den einen oder die andere Besucherin nach dem Verehrungs-Versuch beiseite schiebt.

Radikale Unterstützende der katholischen Kirche sehen das Kuss-Gate als blasphemischen Skandal. Der liberale Flügel dagegen begrüßt die kritische Auseinandersetzung mit religiösen Traditionen. Und für das Internet ist die päpstliche Awkwardness vor allem: relatable Content. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels wurde das Video eines katholischen TV-Senders bei Twitter über 16.000 Mal geretweetet und rund 47.000 Mal gelikt.

Wer noch nie über ein belangloses Video geschmunzelt hat, werfe den ersten Stein

Der Papst mag gewöhnlich für veraltete Einstellungen zu Abtreibungsrechten, gleichgeschlechtlicher Ehe oder Kondomen stehen. Der ausdehnbare Humor der virtuellen Gemeinde hat ihn nun aber zum Verbündeten im Kampf gegen die Unannehmlichkeiten sozialer Gepflogenheiten gemacht. Haben wir uns nicht alle schon mal von einer Party geschlichen, weil wir die Abschieds-Umarmungen nicht ertragen konnten? Vielmehr: Haben wir nicht alle schon mal eine ganze Party geschwänzt, weil wir die Menschen dort nicht ertragen konnten?

Ja, vielleicht hat der Kuss-Rückzieher des Papstes und der peinliche Moment nach der Abweisung das ein oder andere religiöse Ego zerkratzt. Aber es ist Franziskus' gutes Recht, Keimfreiheit und physische Distanz einzufordern. Und das weiß wahrscheinlich niemand besser als eine Generation, die das Recht auf Social Anxiety schon mit dem ersten Tumblr-Blog aufgesogen hat.

Natürlich wird es nicht lange dauern, bis sich der Papst mit der nächsten regressiven Aussage selbst kreuzigt. Bis dahin wissen aber auch die Jüngeren unter uns, was Bild damals mit der "Wir sind Papst"-Titelseite meinte: In Zeiten des Internets kann man sich mit allem und jedem identifizieren. Wer noch nie über ein belangloses Video geschmunzelt hat, werfe den ersten Stein. Und wer nicht weiß, wie es sich anfühlt, wenn Menschen einfach zu viel werden, kann sich mit den seriöseren Teilen des Internets auseinandersetzen.

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