Sexismus

US-Stürmerin Megan Rapinoe zeigt, dass Frauen mehr zu sagen haben als Männer

Die lesbische Nationalspielerin spielt nicht nur eine grandiose WM, sie legt sich auch noch mit Donald Trump an und kämpft für mehr Gerechtigkeit.
Fußballerin Megan Rapinoe
Fotos: imago images | ZUMA Press || Collage: VICE

Megan Rapinoe ist ein Albtraum, im besten Sinne. Die 33-jährige US-Amerikanerin ist eine der besten Fußballerinnen der Welt, das zeigt sie derzeit bei der laufenden Fußball-WM. Drei Tore und drei Vorlagen hat sie schon geliefert, am Freitagabend sollen im Viertelfinale gegen die Gastgeberinnen aus Frankreich weitere folgen. Wer sich auf YouTube Zusammenschnitte ihrer Tore anschaut, sieht diese Mischung aus Kraft, Schnelligkeit und Präzision, die guten Fußball ausmacht: ein Schuss in den Winkel, bäm! Ein anderer ins Eck, bäm! Eine schnelle Körpertäuschung, bäm!

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Doch Megan Rapinoe ist nicht nur ein Albtraum für ihre Gegenspielerinnen, sondern auch für Donald Trump: Sie ist eine Frau, lesbisch, extrovertiert und schlagfertig – schon das allein würde reichen, um den US-Präsidenten mächtig zu nerven. Aber dann macht sie auch noch ihren Mund auf, wenn ihr etwas nicht passt. Geht's noch?

Es geht. "I'm not going to the fucking White House", antwortete Rapinoe in einem in dieser Woche veröffentlichten Video auf die Frage, ob sie und ihre Teamkameradinnen eine Einladung des Präsidenten im Fall des WM-Siegs annehmen würden. Es war eine spontane und deshalb so ehrliche Antwort, die sie beiläufig beim Schuhebinden äußerte. Zwei Tage später entschuldigte sich Rapinoe: Ja, gut, das "fucking" hätte sie ihrer Mutter zuliebe nicht sagen sollen. Zum Rest der Aussage aber stehe sie weiterhin.

Die Antwort von Donald Trump ließ nicht lange auf sich warten. Er twitterte: "Megan soll nicht unser Land, das Weiße Haus und unsere Flagge diskreditieren." Schon gar nicht nach all dem, was man für sie und ihre Team getan hätte. Sie solle stolz auf die Nationalfarben sein, die sie trägt.

Rapinoe singt die US-Hymne nicht mit

Es sind solche paternalistischen Aussagen, die Megan Rapinoe und andere Profifußballerinnen so wütend machen. Dieses "Komm, Mädchen, spiel einfach und denk nicht drüber nach". Der mangelnde Respekt, der Fußballerinnen noch immer begegnet. Der Sexismus, den sie selbst auf Preisverleihungen erleben, etwa als ein Moderator die neue Weltfußballerin Ada Hegerberg auf der Bühne fragte, ob sie nicht mal twerken könne. Das krasse Gehaltsgefälle im Vergleich zu den männlichen Kollegen, die selbst für Niederlagen mehr Prämien bekommen als die Frauen für einen Sieg und gegen das mehrere US-Spielerinnen – darunter Rapinoe – inzwischen geklagt haben. Diese Erwartung, als Sportlerin dürfe man nur auf dem Platz Haltung zeigen.

Megan Rapinoe denkt anders. Die Person, die sie auf dem Spielfeld ist, ist sie auch privat. Für sie gibt es keinen Grund, sich zu verstellen, und erst Recht keinen Grund, ihre Meinung nicht lautstark zu äußern. "Ich bin ein laufender Protest", sagte sie im Gespräch mit Yahoo Sports. Das sei schon als Teenagerin so gewesen, als sie mal von einem gegnerischen Trainer geschubst wurde, sie ihn daraufhin konfrontierte und er mit einer einjährigen Sperre bestraft wurde.

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2012 machte Rapinoe ihre Homosexualität öffentlich, um ein Zeichen gegen Homofeindlichkeit im Profisport zu setzen. Sie war eine der ersten amerikanischen Fußballerinnen, die offen darüber sprach. Auch sportlich machte sie auf sich aufmerksam: Mit dem US-Team gewann sie Gold bei Olympia 2012 und die Fußball-WM 2015. In 156 Spielen hat sie 47 Tore geschossen, inzwischen ist sie Co-Kapitänin des Teams, Antreiberin und auch mal Anscheißerin, wenn es weniger gut läuft.

2016 war sie sowohl die erste Frau als auch die erste weiße Sportlerin, die sich mit dem NFL-Spieler Colin Kaepernick solidarisierte. Der hatte vor Ligaspielen während der Nationalhymne gekniet, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren – in den USA gilt die Verweigerung der Hymne als Beleidigung. Rapinoe folgte ihm und wurde dafür vom US-Verband bestraft. Heute kniet sie zwar nicht mehr während der Hymne, aber sie singt auch nicht mit. "Ich habe noch keine Polizeigewalt selbst erlebt, kein rassistisches Profiling, keine toten Familienmitglieder auf der Straße liegen sehen. Aber ich kann nicht ruhig bleiben, wenn es Menschen in meinem Land gibt, die sich damit auseinandersetzen müssen", schrieb sie in einem Gastbeitrag für The Player's Tribune. Als Homosexuelle wisse sie, was es heißt, in ihren Freiheiten eingeschränkt zu sein.

Patriotismus bedeutet für Rapinoe auch: Protest gegen Missstände

Über Donald Trump hat die 33-Jährige eine klare Meinung. Er sei ein Sexist, frauenfeindlich, engstirnig, rassistisch, kein guter Mensch, sagte sie über die Jahre hinweg. Seine Wahl zum Präsidenten im Jahr 2016 sei für sie eine Art Erwachen gewesen: Patriotismus bedeute auch Protest, und davor scheut Megan Rapinoe nicht zurück, wieso sollte sie auch.

Für die Angreiferin mit den gefärbten Haaren ist die Fußball-WM in Frankreich vermutlich das letzte große Turnier. Es ist nicht nur ihre letzte Chance, noch einmal den ganz großen Titel zu holen, sondern auch abseits des Platzes einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Lautstark zu sagen, was eigentlich falsch läuft. Sexistische Kackscheiße als das zu bezeichnen, was es ist: nämlich sexistische Kackscheiße. Und einfach mal kategorisch eine Einladung ins Weiße Haus ablehnen, solange ein misogyner und homofeindlicher Präsident dort wohnt.

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Mit ihren Aussagen zeigt Rapinoe, dass es im Fußball der Frauen um mehr geht als Titel, Trophäen und Steaks im Goldmantel. Nämlich um Anerkennung und Gleichstellung, um Respekt, auf den FIFA und UEFA so gerne zwischen Werbeblöcken pochen. Ihr Antrieb ist die gleiche Ungerechtigkeit, wegen der die norwegische Spitzenspielerin Ada Hegerberg erst gar nicht bei der WM angetreten ist. Weshalb sich die argentinische Mannschaft einer feministischen Protestbewegung anschloss. Weshalb afghanische Fußballerinnen mutmaßlich sexuelle Übergriffe durch Funktionäre öffentlich machen. Weshalb auch deutsche Spielerinnen wie die aktuelle Torhüterin Almuth Schult zuletzt den DFB anprangerten und mehr Wertschätzung forderten.

Sie alle beweisen: Die Frauen haben im Fußball derzeit einfach mehr und vor allem Wichtigeres zu sagen als die Männer. Wir alle sollten ihnen zuhören – und im besten Fall auch zuschauen: Am Freitagabend spielen die USA mit gegen Frankreich. Am Samstag folgt das Viertelfinale Deutschland gegen Schweden. Megan Rapinoe will vielleicht nicht ins Weiße Haus. Aber ins fucking Finale.

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