Tech

9 Darknet-Fragen, die sich jeder stellt, aber niemand zu fragen traut

Binäre Zahlenfolgen, symbolisch für das Darknet

Auf das Darknet ist Verlass. Regelmäßig taucht es in den Schlagzeilen auf, gerne auch garniert mit schauerlichen Cyberspace-Symbolbildern oder irreführenden Metaphern, die das “dunkle Netz” als untere Hälfte eines Eisbergs beschreiben. Meist geht es bei den Stories um Waffen- oder Drogenhandel, gelegentlich auch um Dissidenten und Whistleblower, denen das Darknet Schutz biete.

Doch mehr noch als Nachrichten von spektakulären Razzien gegen Darknet-Schwarzmärkte, interessieren die meisten Menschen noch immer die einfacheren Fragen: Das zeigt zumindest ein Blick in die Kommentarspalten unter den Artikeln, die häufig gegoogelten Fragen zum Thema oder auf die formschönen Posts zum Darknet, die sich auf Seiten wie Gute-Frage.net finden. Da dominieren Nachfragen wie “Wie komme ich ins Darknet?”, “Darknet – was ist das”, oder “Ist das Darknet verboten.

Videos by VICE

Doch nur weil die Fragen, simpel erscheinen, heißt es nicht, dass sie unwichtig sind. Im Gegenteil: Angesichts der gerne etwas hysterischen Debatten um das Deepweb, angesichts von Politikerforderungen vom “Trockenlegen” des Darknets, ist Verständnis dafür wichtig, was das Deepweb überhaupt ist und wie es funktioniert. Daher haben wir uns hier einige der im Netz meistgestellten Fragen vorgenommen, um sie ein für alle Mal zu beantworten.

Wo findet man das Darknet eigentlich?

Viele Wege führen ins Darknet. Der bekannteste und komfortabelste ist der sogenannte Tor-Browser. Dabei wird bei dem Besuch einer Website im Tor-Netzwerk, wo alle Adressen auf .onion enden, die Anonymität des Besuchers gewahrt. Wie das? Während man sich zum Beispiel bei Google direkt mit dem Google-Server verbindet und so seine IP-Adresse für den Suchmaschinen-Betreiber offenlegt, wird man bei der Nutzung des Tor-Netzwerks über mindestens drei weitere Server, sogenannte Knoten, geleitet, bis man den Zielserver, also in unserem Fall Google, erreicht. So kann nicht mehr nachvollzogen werden, wer ursprünglich die Seite besuchen wollte und wie dessen IP-Adresse lautet. Den Tor-Browser kannst Du dir hier herunterladen.

Neben Tor gibt es auch andere Netzwerke, die die Adresse eines Besuchers durch mehrere Schichten verschlüsseln, wie zum Beispiel I2P. Auch dieses System funktioniert mit End-zu-End-Verschlüsselung und ist dem Tor-Browser nicht unähnlich. L2P ist allerdings bei weitem nicht so verbreitet wie Tor.

Was ist überhaupt der Unterschied zum Deepweb?

Der Begriff Darknet meint in der Regel jenen Teile des Internets, der nur über solche Anonymisierungstools wie den Tor-Browser aufgerufen werden kann. Oft meint der Begriff wegen seiner Konnotation auch jene ‘dunklen’ Ecken des Darknets, auf denen mit illegalen Waren wie Waffen und Drogen gehandelt wird. Solche Darknet-Schwarzmärkte machen allerdings nur einen Teil des Darknets aus.

Das Deepweb ist dagegen der technischere und nüchternere Begriff, gleichzeitig ist die Bezeichnung aber auch weniger verbreitet. Der Begriff bezeichnet alle Internetinhalte, die nicht über Suchmaschinen auffindbar sind. Zum Deebweb gehören also auch reguläre Internet-Foren, die nur mit einem Passwort einsehbar sind, aber auch interne Netzwerke von Unternehmen oder jene Seiten, die mit hilfe von bestimmten Code-Zeilen verhindern, von Google indexiert zu werden.

Letztlich werden beide Begriff oft synonym und auch wenig trennscharf verwendet. Man könnte aber sagen, dass das Darknet Teil des Deepwebs ist, während Deepweb-Seiten nicht zwingend Teil des Darknets sind.

Ist es verboten, in das Darknet zu gehen?

Nein, generell ist es nicht verboten, im Darknet zu surfen – warum auch? Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: Es ist nicht verboten, in den Görlitzer Park zu gehen. Wenn du dort aber Gras oder andere Drogen kaufst, machst du dich strafbar.

Genauso ist es mit dem Surfen im Darknet: Generell darfst du natürlich im Darknet surfen. Der springende Punkt ist, was du dort treibst. Wenn Du dir aber zum Beispiel im Darknet Drogen bestellst, machst Du dich natürlich strafbar.

Wie kann ich denn jetzt Seiten im Darknet finden? Google gibt’s hier nicht

Das stimmt. Als Alternative gibt es zum Beispiel die Suchmaschine ‘Grams’, die aber deutlich weniger umfangreich als Google ist. Grams funktioniert ähnlich wie sein Vorbild Google. Seitenbetreiber müssen allerdings der Suchmaschine erlauben, über eine Schnittstelle die Inhalte ihrer Seiten abzusuchen.

Ansonsten erhält man die Links zu Websites über Listen, die Links zu Darknetseiten enthalten. Das Problem: Viele Seiten im Darknet bleiben nicht sonderlich lange im Netz. Viele der Listen sind also nicht mehr aktuell. Ein guter Startpunkt ist allerdings das “Hidden Wiki”, das eine Liste mit einigen bekannten Seiten im Darknet bereitstellt.

Was ist, wenn man ganz zufällig auf einen Drogen-Marktplatz gestoßen ist und aus Versehen etwas gekauft hat. Kann man mich denn zurückverfolgen?

Generell schon, auch wenn es für die Behörden natürlich deutlich schwieriger ist, dich zurückzuverfolgen, wenn du im Darknet zum Beispiel über den Tor-Browser surfst. Warum? Weil du, wenn du alles richtig gemacht hast, fast komplett anonymisiert surfst. Meistens kommen die Behörden Kriminellen im Darknet durch Fehler, die die betreffende Person selbst gemacht hat, auf die Schliche. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, wie die Behörden im Internet Kriminelle ermitteln. Dazu gehören unter anderem verdeckte Ermittler, die sich zum Beispiel als Waffenverkäufer ausgeben, oder auch, die Transaktionen mit der gängigen Kryptowährung Bitcoin nachzuverfolgen. Weitere Möglichkeiten, wie Ermittler kriminelle Darknet-User packen, könnt ihr hier nachlesen.

Und wenn ich doch erwischt werde? Ich hab ja nur ganz wenig bestellt…

Das macht letztlich erstmal keinen Unterschied. Um beim oben verwendeten Beispiel zu bleiben: Es ist im Prinzip die gleiche Straftat, ob du im Görlitzer Park ein Gramm oder ein Kilo Gras kaufst. Als die ‘Shiny Flakes’-Kundenliste den zuständigen Ermittlern in die Hände fiel, waren dort einmalige Käufer ebenso aufgelistet wie Nutzer, die regelmäßig und in großen Mengen Drogen kauften. Allerdings ist der Umfang deiner illegalen Aktivitäten ausschlaggebend dafür, wie hoch deine Strafe ist.

Warum schaltet die Polizei das Darknet nicht einfach ab?

Das Darknet, und da gerade der bekannteste Darknet-Browser, ist vielen, vor allem autoritären, Staaten ein Dorn im Auge. Fraglich ist allerdings in Ländern wie Deutschland, wie sinnvoll die Abschaltung politisch gesehen in einer Demokratie wäre. Wenn man etwas gegen Drogenkriminalität in einer Stadt unternehmen will, nimmt man vermutlich Drogendealer fest, reißt aber nicht die Straßen ab, in denen sie wohnen.

Allerdings versuchen diktatorische Regime oft genug, den Zugang zum Darknet über die Tor-Struktur zu verhindern. Darauf ist das Netzwerk allerdings ausgerichtet, schließlich wird es unter anderem von Whistleblowern und politischen Aktivisten verwendet. Für solche Situationen hat Tor einige Möglichkeiten, trotz dieser Hürden den Zugang zum Netzwerk zu erhalten. So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, einen anderen Einstiegspunkt wie die Amazon Cloud für das Tor-Netzwerk zu verwenden, der für Ermittler nicht mit dem Tor-Netzwerk in Verbindung gebracht wird. Um das Tor-Netzwerk zu zensieren, müsste man dann also zum Beispiel den Zugang zur Amazon Cloud komplett sperren. “Das überlegen sich Regierungen dann ganz genau, schließlich hängen wirtschaftliche Interessen an solchen Seiten”, erklärt der Tor-Aktivist Moritz Bartl, Gründer von Torservers.net.

Interviews mit Betreibern von Tor-Nodes: Das sind die Helden, die das Deepweb am Leben halten

Eine andere Möglichkeit wäre es, Druck auf die Betreiber des Tor-Netzwerks aufzubauen.
Die Frage ist allerdings, ob sich nicht auch ohne diese bisherige Struktur immer neue Aktivisten finden würden, die das Tor-Netzwerk weiterführen würden. Aktivist Bartl ist sich sicher: “Es würde sich in letzter Konsequenz eine Abspaltung und Weiterentwicklung als “neue Herausgeber” ergeben, weil Betreiber des Netzes unabhängig agieren.” Durch die Open-Source-Struktur des Tor-Netzwerks kann jeder mit dem fachlichen Wissen nachvollziehen, wie die Verschlüsselung und Anonymisierung bei Tor funktioniert. Außerdem sind Dinge wie Verschlüsselung und Anonymisierung Konzepte, die öffentlich bekannt sind. Es wird wohl immer Personen geben, die deswegen versuchen werden, solche Konzepte in die Praxis umzusetzen.

Kann ich im Darknet auch so cool chatten wie Neo in Matrix?

Die desillusionierende Antwort gleich vorweg: Nein, kann man nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass es allgemein schwer ist, irgendwas so cool zu tun wie Neo. Der Grund hat eher etwas damit zu tun, wie Chat-Programme aufgebaut sind: Für gewöhnlich hat jeder Chat-Dienst oder Messenger ein visuelles Interface, also eine grafische Oberfläche (“Graphical user interface oder GUI”), die einem anzeigt, dass man sich gerade in dem Programm befindet. Das ist im Darknet wie im Clearnet so. Ein solches Interface kann beispielsweise das Feld sein, in dem du chattest, oder das Fenster deines Messenger-Dienstes.

Im Matrix-Film dagegen sieht das anders aus: Als Morpheus den schlafenden Neo anschreibt, gibt es kein GUI, die Buchstaben “Wake up, Neo…” erscheinen wie von Geisterhand in einem schwarzen, leeren Bildschirm.

1500895703814-Matrix-screen
Screenshot: TheMatrixFan314/ Youtube

Wer bei der fehlenden grafischen Oberfläche vom Neo-Chat nun an Kommandozeilen (“Command-line interface” ­­oder CLI) denkt, die recht verbreitet sind bei Codern und Hackern, liegt nicht völlig falsch. Denn die CLI sind grafisch in der Tat in der Commodore-Ära steckengeblieben, was aber nicht weiter schlimm ist, da man sich beim CLI nur mit Computerprogrammen unterhält und Befehle formuliert.

Dennoch gibt es aktuell wohl kein CLI auf dem Markt, das grafisch so minimalistisch ist wie das Interface im Film (letztlich sieht man immer irgendwelche Befehlszeilen und Code-Schnipsel). Diese gilt zumindest innerhalb der Matrix, soweit wir das beurteilen können. Denn was außerhalb davon stattfindet können wir, in conclusio, selbstverständlich nicht wissen, bis ..naja..bis wir auch endlich aufgeweckt werden.

Wenn ich etwas, was eigentlich legal ist, im Darknet kaufe. Ist das dann illegal?

Wer im Darknet illegale Ware kauft, macht sich genau wie im gewöhnlichen Internet strafbar, das ist klar. Wie sieht die Lage aber aus, wenn man etwas legales im Darknet kauft?

Generell sei das nicht verboten, sagt der Rechtsanwalt Norman Buse, der sich auf IT-Recht spezialisiert hat, gegenüber Motherboard. Anders sieht es allerdings dann aus, wenn die Ware zwar keine Drogen sind, sondern an sich legale Produkte, aber offensichtlich aus einer Straftat stammen: “Dann kommt eine Strafbarkeit wegen Hehlerei gemäß des Paragraphs 259 im Strafgesetzbuch in Betracht”. Doch, wenn man es genau nimmt, könnte es auch beim Kauf legaler Produkte im Darknet noch ein weiteres Problem geben: Die fehlende Mehrwertsteuer, die für gewöhnlich bei Deals im Deepweb nicht abgeführt wird.

Doch die Mehrwertsteuer ist erst einmal nicht das Problem des Kunden, sondern des Verkäufers, der sich dadurch strafbar machen könnte. Unter bestimmten Umständen könnte es jedoch auch für den Käufer brenzlig werden. Nämlich dann “wenn der Käufer dem Verkäufer vorsätzlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistet”, wie uns der Anwalt Norman Buse, der sich auf IT-Recht spezialisiert hat, erklärt. Auch könnte der Käufer wegen Steuerhehlerei angeklagt werden.

Allerdings sind bei beiden Straftaten die Hürden sehr hoch. Es “müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein, damit man sich überhaupt strafbar macht”, so der Anwalt. Der Kauf an sich reicht nicht aus, um den Tatbestand des “Vorsatz” zu erfüllen. Vielmehr müsse man bewusst etwas deswegen gekauft haben, um dem Käufer bei der Steuerhinterziehung zu unterstütze, so Buse.

Speziell bei Steuerhehlerei kommt noch eine weitere Voraussetzung hinzu: Wer Dinge kauft, auf die eigentlich Zoll- oder andere Ausfuhr- und Einfuhrabgaben zu leisten sind, macht sich strafbar.

Allerdings ist es auch dann noch unwahrscheinlich, dass man verfolgt wird. So ist es zum Beispiel bei dem Kauf von bis zu tausend unverzollten Zigaretten so, dass der Straftatbestand “Steuerhehlerei” keine Anwendung findet, sondern dieses Vergehen lediglich als Ordnungswidrigkeit gewertet wird.