Sex

Wir haben mit der Domina gesprochen, die einen Song über Sexarbeit geschrieben hat

"Ein sicheres Arbeitsumfeld ist nur möglich, wenn Sexarbeit legal ist", sagt Hadas Hinkis.
Die Domina Hadas Hinkis mit Lederkostüm in ihrem Musikvideo, mit dem sie zeigen möchte, dass Sexarbeit ein ganz normaler Beruf sein kann
Foto: Tobi Jall 

Die meisten Menschen reden so offen über Sexarbeit wie über die Konsistenz ihres letzten Stuhlgangs. Nicht so Hadas Hinkis. Sie ist Künstlerin, Aktivistin und Domina.

Anlässlich des Internationalen Hurentags am 2. Juni hat Hadas ein Musikvideo gedreht, in dem sie ihren Arbeitsalltag im Berliner BDSM-Studio Lux zeigt. Ihre Arbeit ist nur deshalb möglich, weil Sexarbeit in Deutschland seit 2002 legal ist. Das ist nicht überall der Fall.

Anzeige

Wir haben mit ihr über ihre Arbeit, Feminismus und Diskriminierung gesprochen.

VICE: Du hast ein Musikvideo gedreht, in dem du den Arbeitsalltag von Sexworkern zeigst. Wieso?
Hadas Hinkis: Leute haben oft eine sehr extreme Vorstellung davon, was es bedeutet, Sexworker zu sein. Ich wollte mit dem Video einfach zeigen, dass wir nicht viel anders als andere Freiberufler sind. Wir müssen uns auch um unsere Steuern, Papierkram und Kundenakquise kümmern.

Es war mir wichtig, das Studio Lux zu zeigen, in dem ich arbeite, weil wir dort ein sehr faires und sicheres Arbeitsumfeld haben. Wir sind eine Community und unterstützen uns. Es finden regelmäßig Workshops statt, in denen wir zum Beispiel lernen, wie wir Blog- oder Werbetexte schreiben. Wir sitzen dort wie in einem Co-Working-Space, geben einander Tipps und schreiben Texte. Zwischendurch geht dann mal eine oder einer von uns in die Session.

Und all das ist nicht möglich, wenn Sexarbeit illegal ist.

Du hast dich vor einem Jahr dazu entschieden, unter deinem echten Namen über Sexarbeit zu sprechen. Warum ist dir das so wichtig?
Ich arbeite seit 20 Jahren als Künstlerin. Seit sieben Jahren bin ich außerdem Domina. Irgendwann wollte ich mehr aktivistische Arbeiten machen und so hat sich meine Kunst der Sexarbeit angenähert. Ich habe mich gefragt, ob ich in diesem Zusammenhang auch darüber sprechen sollte, dass ich selber Domina bin. Das ist eigentlich ein Tabuthema. Trotzdem hatte ich keine Lust mehr, mich zu verstecken. Meine Kunst und meine Sexarbeit passen ganz gut zusammen. Es erschien mit künstlich, nicht unter meinem richtigen Namen darüber zu sprechen.

Anzeige

Wie schwer ist dir dieser Schritt gefallen?
In meinem privaten Umfeld wussten eigentlich schon alle, dass ich auch als Domina arbeite. Das ist immer ein guter Partytrick, wenn die Gespräche langweilig sind. Dann erzähle ich von witzigen Sessions. In Berlin ist das kein Problem. Ich habe gemerkt, dass die Leute total interessiert am Thema sind. Sie wissen aber nicht viel über Sexarbeit. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen.

Trotzdem bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob das eine gute Entscheidung war. An manchen Tagen stehe ich total dahinter, an anderen finde ich alles daran schlecht. Mir kann zum Beispiel die Einreise in die USA verwehrt werden, wenn die Behörden mich googeln. Das ist ein echtes Problem. Ich finde aber, dass es kein Problem sein sollte. Ich mache nichts Illegales und auch moralisch mache ich nichts falsch. Diese Überzeugung bestärkt mich in meiner Entscheidung.

Wo siehst du das größte Problem im Umgang mit Sexarbeit?
Die alte Überzeugung, eine Frau müsse rein sein, steckt noch immer in den Köpfen. Es gibt in der Literatur wenig Beispiele von wilden, freizügigen Frauen, die ihren Körper dazu benutzen, Spaß zu haben. Das wundert mich. Wir halten uns für so entwickelt, aber das sind wir nicht.


Auch bei VICE: Cash Slaves – Das Geschäft mit der finanziellen Domination


Ein weiteres Problem ist das Thema Sextrafficking. Natürlich gibt es Opfer in der Sexarbeit. Trotzdem wird die Idee von Sextrafficking politisiert. Die meisten Leute, die nicht in der Sexarbeit sein wollen, sind durch Manipulation oder Armut dort hingelangt. 90 Prozent der Leute denken aber, dass die Frauen verschleppt, angekettet und vergewaltigt wurden.

Anzeige

Die Gesellschaft sieht uns entweder als Opfer oder als Happy Hooker, die jede Menge Geld verdient. Dabei sind wir ganz normale Leute, die mal mehr und mal weniger Lust haben, zur Arbeit zu gehen. Es ist wichtig zuzuhören und denen zu helfen, die wirklich nicht in der Sexarbeit sein möchten.

Du sprichst in deinem Video auch die Feministinnen an, die Sexarbeit verbieten und Sexarbeiterinnen bevormunden wollen. Was ist dein Verständnis von Feminismus?
Ich wünschte, die Leute könnten frei in ihren Entscheidungen sein, solange sie dabei niemanden verletzten. Einige Feministinnen behaupten, es gäbe keine Frau, die freiwillig in der Sexarbeit ist. Dabei gibt es Tausende Menschen, die schreien, dass sie gerne arbeiten wollen. Wie kannst du feministisch sein, wenn du Frauen nicht glaubst? Wie kannst du sagen, dass du Frauen respektierst, wenn du unsere Stimmen nicht hören willst?

Was forderst du für Sexworker?
Ich würde mir wünschen, dass Sexarbeit einfach als ein ganz normaler Beruf angesehen wird. Man ist selbstständig, man zahlt Steuern, fertig. Und mit diesen Steuergeldern könnte man dann denjenigen helfen, die wirklich nicht in der Sexarbeit sein wollen. Problem gelöst.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.