3 Porträts von jungen Menschen, das Racial Imposter Syndrom bezeichnet, das Hadern mit der eigenen Identität, wenn man das Gefühl hat, den Rollenerwartungen an einen nicht zu entsprechen.
Alle Fotos von Anna Salhany
Menschen

Racial Impostor Syndrom: Wenn du dich zwischen den Welten fühlst

"Ich habe sogar eine Phase durchgemacht, in der ich es so sehr hasste, Schwarz zu sein, dass ich versuchte, weißer zu erscheinen." – Emma

Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, irgendwo dazuzugehören. Meine Mutter hat indonesische und niederländische Wurzeln, mein Vater irische und libanesische. Ich selbst wurde in Kanada geboren und lebe in den Niederlanden. Mit der niederländischen Kultur identifiziere ich mich nicht, aber ich kann mich auch nicht wirklich als Ausländerin bezeichnen. Ich habe libanesische Wurzeln, aber spreche kein Arabisch. Ich kann mich auch schlecht als Indonesierin bezeichnen, wenn ich noch nie dort war. Dieses Gefühl, ständig zwischen verschiedenen Welten zu tänzeln, von denen ich mich in keiner zuhause fühle, hat mich irgendwann in eine Identitätskrise gestürzt.

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Dann bin ich auf ein Konzept gestoßen, das mir half, mein kompliziertes Verhältnis zu meiner Identität zu verstehen: das Racial Impostor Syndrom. Dieser vor allem im englischsprachigen Raum verbreitete Begriff beschreibt das Gefühl, der Rolle nicht gerecht zu werden, die man aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit glaubt ausfüllen zu müssen. Ohne gefestigtes Zugehörigkeitsgefühl fühlt man sich wie ein Impostor, also eine Hochstaplerin. Man versucht, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in die man nicht wirklich hineinzupassen scheint und die einen vielleicht auch nicht wirklich akzeptiert. 


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Laut der Psychologin Eneida Delgado Silva spielt die Kultur, in die wir hineingeboren werden, eine große Rolle beim Formen unserer Identität. "Während unserer ersten Lebensphase dreht sich alles um Sicherheit und Geborgenheit. Man will von seinen Eltern akzeptiert werden", sagt sie. "Man nimmt automatisch ihre Kultur an: Das ist eine Voraussetzung für die Geborgenheit. Wenn das allerdings nicht gelingt, wirkt sich das auf die Identitätswahrnehmung und emotionale Entwicklung aus."

Mit voranschreitendem Alter werde ein Gefühl von Beständigkeit umso wichtiger, sagt Silva. "Während der unruhigen Pubertät ist ein stabiles Fundament sehr wichtig, auf das man sich zurückziehen kann. Das beginnt bei den Eltern und anderen Familienmitgliedern: Wie sie auf dich reagieren und ob du das Gefühl hast, dazuzugehören oder nicht."

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Es gibt zahlreiche Faktoren, die zum Racial Impostor Syndrom beitragen können. Einige, wie Diskriminierung und Rassismus, kommen von außen. Andere kommen aus dir selbst: zum Beispiel das Gefühl, dass deine Interessen und Eigenschaften nicht dem entsprechen, was andere aufgrund deiner ethnischen Zugehörigkeit von dir erwarten.

Wohlgemerkt: Beim Racial Impostor Syndrom handelt es sich nicht um eine anerkannte Krankheit oder offizielle psychologische Diagnose. Manche sprechen deswegen lieber vom Racial Impostor Phänomen. Trotzdem hilft der Begriff Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft infrage stellen, ihre Erfahrungen einzuordnen. "Die fehlende Zugehörigkeit wird häufig begleitet von Gefühlen der Einsamkeit und einem verstärkten Drang, den äußeren Erwartungen gerecht zu werden", sagt Silva. "Depressionen, Angststörungen und Burnout können die Folge sein."

Während meiner Recherchen zu dem Thema wurde mir klar, dass es viele andere Menschen gibt – häufig aus Familien mit komplexen Migrationshintergründen –, die mit diesen Gedanken und Gefühlen kämpfen. Es klingt vielleicht komisch, aber das hat mir viel bedeutet. Endlich fühlte ich mich verstanden.

Als ich einen Post zum Racial Impostor Syndrom auf Instagram machte, bekam ich viele Rückmeldungen von Leuten, die den Begriff zum ersten Mal gehört hatten. Sie sagten mir, dass sie jetzt endlich die richtigen Worte hätten, um ein Gefühl zu beschreiben, das sie schon lange mit sich rumtragen. Ich habe drei von ihnen gefragt, was das Racial Imposter Syndrom für sie bedeutet.

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"Für jede Situation gab es eine andere Rokoya, das war anstrengend"

Eine junge Frau mit schwarzen lockigen Haaren sitzt in einem schwarzen Hosenanzug auf einem Sessel und schaut in die Kamera

Rokaya, 21

In der Grundschule wollte ich unbedingt dazugehören, aber die anderen machten mir deutlich, dass ich es nicht tat. Ich bin in einem kleinen Ort aufgewachsen, in dem ich eins der wenigen Kinder of Colour war. Die weißen Kinder lachten über meine Haare. Sie fragten mich, ob ich meinen Finger in die Steckdose gesteckt hätte. Wenn etwas zum Islam in den Nachrichten war, sprachen sie mich immer drauf an.

Auf meiner marokkanischen Seite sah es ähnlich aus. Ich spreche die Sprache nicht und war nur einmal in meinem Leben dort. Deswegen haben mir marokkanische Menschen manchmal gesagt, dass ich keiner "von ihnen" sei. Auf beiden Seiten haben andere Menschen für mich entschieden, wer ich bin. Sie haben entschieden, wie ich mich zu fühlen habe, und sie haben entschieden, was mit mir nicht stimmt. 

Ich wurde nicht als ich selbst akzeptiert. Unter Weißen fühlte ich mich zu marokkanisch, unter Marokkanern zu niederländisch. Ich habe ständig versucht, zu überkompensieren. Für jede Situation gab es eine andere Rokoya, das war anstrengend. Meinen inneren Frieden fand ich erst, als ich in mich hineinblickte und schaute, wer ich wirklich bin. Strebe nicht nach der Wertschätzung durch andere. Du selbst bist die einzige Person, die sie dir geben kann. – Rokaya Hamed, 21

"Du kannst nichts für die Ignoranz der anderen"

Ein junger Mann mit schwarzen Locken und Bart sitzt in einem Pullover mit Korea-Flagge auf einem Sofa

Jahrai, 33

Meine niederländischen Großeltern haben meine Mutter aus Südkorea adoptiert, als sie noch sehr jung war. Sie ist also ohne großes Wissen über die südkoreanische Kultur aufgewachsen. Das hat sich bis heute nicht wirklich geändert. Deswegen fühlte ich mich als Kind mehr dem aus Suriname stammenden Teil meiner Familie verbunden, also der Seite meines Vaters. Aber meine Haut ist heller als die meiner ganzen Nichten und Neffen. Aus diesem Grund fühlte ich mich weniger surinamisch als sie. 

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Obwohl die Hälfte meiner Familie aus Suriname stammt, haben mich die Leute ständig "Chinese" oder "kleiner Buddha" genannt. Das hat zwar nicht direkt eine Identitätskrise in mir ausgelöst, aber definitiv dazu beigetragen, dass ich nicht sehr dazu neige, besonders innig mit anderen zu werden. Es hat auch dazu geführt, dass ich mir wirklich große Mühe gegeben habe, gegen die Vorurteile anzukämpfen, die auf beiden Seiten der Familie existierten. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Menschen stark auf die Erwartungen verlassen, die sie aufgrund ihres ersten Eindrucks von dir haben.

Aber du kannst nichts für die Ignoranz der anderen. Sie wissen nicht, was du durchmachst. Also versuch, dich nicht zu sehr davon ärgern zu lassen. Ich weiß, ich bin witzig, freundlich und man hängt gerne mit mir ab. Wenn das irgendwelchen Leuten nicht reicht, ist das ihr Problem. Nicht meins. – Jahrai Veldt, 33

"Man tut sein Bestes hineinzupassen und andere sehen, dass man anders ist"

Eine junge Frau mit Brille und schwarzen hochgesteckten Haaren sitzt im Schneidersitz auf einer Couch

Emma, 22

Ich bin vor allem niederländisch aufgewachsen. Mein nigerianischer Vater starb, als ich drei Monate alte war. Ich habe ihn also nie richtig kennengelernt. Deswegen wusste ich als Kind auch nicht viel über meine nigerianischen Wurzeln. Ich weiß, dass es sie gibt, aber ich kann sie nicht zurückverfolgen. Ich spreche die Sprache nicht und habe kaum Kontakt mit dem nigerianischen Teil meiner Familie. 

Manchmal denke ich mir: Ich bin einfach eine Schwarze Niederländerin. Das trifft es aber nicht ganz, weil ich auch nigerianisch bin. Ich fühle mich wie eine Hochstaplerin, vor allem unter meinen ausländischen Freundinnen und Freunden. Wenn ich mit ihnen unterwegs bin, fühle ich mich nicht ausländisch oder nigerianisch genug.

Wenn ich unter niederländischen Menschen war, fiel mir Anderssein auf. Ich habe Mikroaggressionen erlebt, Sprüche über meine Haare oder die Farbe meiner Haut bekommen. Vor allem in der weiterführenden Schule gab es eine Menge Witze über diese Dinge. Ich habe versucht mitzulachen, aber in Wahrheit fühlte ich mich schrecklich. Man tut sein Bestes hineinzupassen und andere sehen, dass man anders ist. Ich habe sogar eine Phase durchgemacht, in der ich es so sehr hasste, Schwarz zu sein, dass ich versuchte, weißer zu erscheinen. 

Mit der Zeit bin ich aber immer stolzer auf meine Hautfarbe geworden. Ich glaube allerdings immer noch, dass es sehr geholfen hätte, wenn mein Vater da gewesen wäre. Ich hätte jemanden gehabt, der wie ich war, und der diesen Teil von mir verstanden hätte. – Emma Kribbe, 22

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