Ein schwarzer Leopard läuft in einer sternenklaren Nacht über einen Felsen; Naturfotografen erzählen, welche Strapazen und Hürden sie überwinden mussten, um ihre preisgekrönten Bilder zu schießen
Ein seltener schwarzer Leopard | Foto: William Burrad-Lucas / Nature Photographer Of The Year Awards
Menschen

Naturfotografen erzählen die Geschichten hinter ihren preisgekrönten Bildern

Egal ob eine Begegnung mit einem wilden Gorilla oder die zermürbende Suche nach einem Zwerg-Seepferdchen: Für die perfekte Aufnahme müssen Naturfotografinnen und -fotografen viel aushalten.
Shamani Joshi
Mumbai, IN

2007 war der österreichische Biologieprofessor, wissenschaftliche Berater und Naturfotograf Josef Friedhuber im Nationalpark Kahuzi-Biéga in der Demokratischen Republik Kongo unterwegs. Sein Ziel: Östliche Flachlandgorillas beobachten, die ausschließlich in dem Park leben. 

Nach einer zweistündigen Wanderung in die Tiefen des dichten Dschungels trafen Friedhuber und sein Team tatsächlich auf mehrere weibliche Gorillas, die gerade auf Futtersuche waren. Als der Biologieprofessor ein Foto von den Tieren machen wollte, wurde er von einer plötzlichen Bewegung überrascht. Es war Chimanuka, ein 35 Jahre alter Silberrücken-Gorilla, der als einer der wenigen Vertreter seiner Spezies die Kongokriege Ende der 90er Jahre überlebt hat.

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"Er kam rund fünf Meter vor mir ganz überraschend aus dem Dickicht, trommelte sich auf die Brust und versuchte, mich mit seinem Verhalten zu beeindrucken", sagte Friedhuber in einem Presse-Statement. Obwohl sich der Biologieprofessor der Gefahr bewusst gewesen sei, hätten sich auch seine Instinkte als Fotograf eingeschaltet, und er schaffte es, den seltenen Gorilla abzulichten. "Ich hatte richtig Angst und fiel rückwärts in einen Busch", so Friedhuber. "Beim Fallen drückte ich auf den Auslöser, wegen der Bewegung ist das Bild so verschwommen." 

Ein riesiger Gorilla trommelt sich im Dickicht des Dschungels auf die Brust

Foto: JOSEF FRIEDHUBER / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Fast 15 Jahre später gehört Friedhubers Foto zu den Gewinnern der Nature Photographer Of the Year Awards (NPOTY). Mit dem Wettbewerb soll die Naturfotografie und der Naturschutz unterstützt und geehrt werden. Kuratiert von der Organisation Nature Talks, werden bei NPOTY Bilder in verschiedenen Kategorien – zum Beispiel Landschaft, Unterwasser oder Menschen in der Natur – ausgezeichnet. Vergangenes Jahr haben mehr als 20.000 Fotografinnen und Fotografen aus über 97 Ländern ihre Werke eingereicht. Zu gewinnen gab es Geldpreise von bis zu 3.000 Euro und spezielles Kameraequipment.

Was bei den preisgekrönten Fotos genauso fasziniert wie das Motiv, sind die Geschichten dahinter. 

Terje Kolaas, ein Vogelfotograf aus Norwegen, wurde für sein Foto "Winter Migration" mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Kolaas fotografiert Vögel schon seit über 20 Jahren und nutzt dabei auch Drohnen, um die Tiere im Flug besonders spektakulär zu dokumentieren. Bei seinem preisgekrönten Bild gab es jedoch mehrere Hürden zu überwinden – von Gebäuden und anderen störenden Objekten im Hintergrund bis hin zu ungleichmäßigen Landschaften. 

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"Als es Ende April 2020 zu ungewöhnlich starken Schneestürmen und Schneefall kam, wurde mir klar, dass ich meinen Wunschfotos ganz nahe war – denn ich wollte schon immer Gänse aus der Luft vor einer verschneiten Landschaft fotografieren", sagt Kolaas und erinnert sich an die Vorbereitungen für sein preisgekröntes Bild. "Ich positionierte mich in der Nähe eines Feldes, von dem ich wusste, dass Gänse dort häufig Futter suchen, und wartete. Als ich die Gänse dann anfliegen hörte, ließ ich meine Drohne aufsteigen und in der Luft bereitstehen."

Unzählige Gänse fliegen vor einer schneebedeckten Winterlandschaft durch die Luft

"WINTER MIGRATION" | Foto: TERJE KOLAAS / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Es ist kein Geheimnis, das Wildtier-Fotografinnen und -Fotografen für das perfekte Foto oft tage- oder gar wochenlang an den abgeschiedensten Orten ausharren und extreme Bedingungen aushalten müssen. Die Gewinner in den NPOTY-Tierkategorien können das bestätigen.

Der in Großbritannien lebende Fotograf William Burrad-Lucas, dessen Bild von einem seltenen schwarzen Leoparden (in diesem Artikel ganz oben) in der Kategorie "Tierporträt" auf dem ersten Platz landete, sagt, dass es mehrere Monate an Vorbereitung und viel Durchhaltevermögen gebraucht habe, um das Foto zu schießen. "Damit das Bild funktionierte, mussten viele Dinge zusammenkommen", erzählt er. "Es durften zum Beispiel keine Wolken den Nachthimmel trüben, was zu dieser Jahreszeit nicht üblich war. Um die Sterne mit auf das Foto zu bekommen, war eine lange Belichtungszeit vonnöten. Dafür musste wiederum Neumond sein, weil es sonst zu Schlieren im Bild gekommen wäre. Und natürlich musste der Leopard vor die Linse treten."

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Burrad-Lucas fing den in die Nacht verschwindenden schwarzen Leoparden schließlich mithilfe einer Kamerafalle fotografisch ein. Ein solches Hilfswerkzeug ist im Normalfall mit einem Infrarotsensor ausgestattet, der den Auslöser automatisch betätigt, wenn ein Tier in der Nähe ist.

Der estländische Fotograf Aare Udras wandte eine ähnliche Technik an, um sein Bild mit dem Titel "Young Wolf (Canis Lupus)" zu schießen, das in der Kategorie "Säugetiere" den zweiten Platz holte. "Hier in meiner Heimat sind Wölfe mit ihren sehr gut ausgebildeten Sinnen die intelligentesten Tiere", sagt er. "Sie haben gelernt, das Verhalten von uns Menschen zu lesen und zu verstehen. All das macht es umso herausfordernder, sie zu fotografieren." 

Ein Wolf läuft mitten in der Nacht in einem Wald an einem Biberdamm entlang

Foto: AARE UDRAS / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Für sein hochgelobtes Foto musste Udras zuerst ein Wolfsrudel und einen Engpass in dessen Route ausfindig machen. Als er 2019 in einem dichten Waldgebiet in Estland eine kleine Bachrinne mit einem Biberdamm entdeckte, stellte er dort eine Kamerafalle auf. "Nach sechs oder sieben Monaten hatte ich endlich Glück", sagt Udras. "Die junge Wölfin fotografierte sich quasi selbst. Auf dem Bild ist gut zu erkennen, wie entspannt sie in absoluter Dunkelheit am Biberdamm entlangläuft."

Wenn es darum geht, Wildtiere zu fotografieren, muss man viele Gefahren und Risiken bedenken. Aber wenn das Ganze unter Wasser abläuft, wird es noch viel komplexer. Der deutsche Fotograf Georg Nies hat mit seinem Bild von einem seltenen Zwerg-Seepferdchen den ersten Platz in der NPOTY-Kategorie "Unterwasser" abgeräumt. Bis dahin sei es jedoch ein kräftezehrender Weg gewesen. 

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"Zwerg-Seepferdchen zu fotografieren, ist nicht leicht", sagt Nies. "Sie sind sehr klein, meistens kaum größer als zwei Zentimeter. Vor allem aber wissen sie, sich zu tarnen, und sind in den Weichkorallen, in denen sie leben, nur schwer zu finden." Um nicht mit leeren Händen wieder aufzutauchen, habe der Fotograf eng mit einem Tauch-Guide aus der Gegend zusammengearbeitet. Aber selbst so sei es ein kompliziertes Unterfangen gewesen.

"Leider wird beim Fotografieren von Zwerg-Seepferdchen und anderen neugierigen Unterwassertieren nicht darauf geachtet, das Ganze mit Rücksicht auf die Spezies und die Umwelt durchzuführen", sagt Nies und fügt hinzu, dass sich das Seepferdchen zudem gerne von der Kamera wegdrehe. 

Ein rot-graues Zwerg-Seepferdchen versteckt sich in einer roten Koralle

Rot in rot | Foto: GEORG NIES / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

"Der Tauch-Guide stupst die Seepferdchen mit einem Zeigestab ganz sachte in Richtung des Fotografen, damit ein frontales Porträt möglich ist. Man muss aber immer bedenken, dass die Seepferdchen nicht viel Blitzlicht vertragen. Weil sie keine Augenlider besitzen, müssen sie die ganze Ladung aushalten", sagt Nies. "In Bereichen, in denen viele Unterwasserfotografen unterwegs sind, werden die Tierchen schnell blind und überleben nicht lange. Deswegen sollte jeder Fotograf maximal sechs bis acht Bilder von ihnen machen."

Bei der Naturfotografie spielen die idealen Lichtverhältnisse eine genauso wichtige Rolle wie das richtige Timing. 

Miquel Angel Artús Illana, ein Fotograf aus Spanien, hat mit seinem Foto "Fishing Trip at Sunrise" bei den NPOTY-Awards den zweiten Platz in der Kategorie "Vögel" belegt. Für die Aufnahme musste er mehrere Tage in völliger Abgeschiedenheit verbringen. Nur so habe er es geschafft, bei Sonnenaufgang eine Gruppe Magellan-Pinguine auf dem Weg zum Meer abzulichten. 

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Eine Gruppe Pinguine läuft bei Sonnenaufgang am Strand entlang Richtung Wasser

"Fishing Trip at Sunrise" | Foto: MIQUEL ANGEL ARTÚS ILLANA / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

"Das Bild entstand auf Saunders Island, einer der Falklandinseln, wo ich fünf Tage mit einigen wenigen anderen Fotografen verbrachte. Unsere einzige Gesellschaft: Pinguine, Austern und ein paar andere Tiere", sagt Illana. "Da die besten Lichtverhältnisse bei Sonnenaufgang herrschten, kletterte ich um fünf Uhr morgens auf einen kleinen Hügel und wartete darauf, dass die Pinguine wie üblich in kleinen Grüppchen auftauchten. Das Licht und die Umgebung erledigten den Rest."

Auch bei Levi Fitze, dem Gewinner in der Kategorie für Nachwuchsfotografen, sind es die perfekten Lichtverhältnisse, die seinem Foto von einem jungen Alpensteinbock auf einer Wiese das gewisse Etwas verleihen. "Ich habe die Nacht in einem Biwak verbracht, um spät abends und früh morgens fotografieren zu können", sagt der in der Schweiz lebende Fotograf. "Und an diesem Abend war die Situation einfach perfekt. Ich war schon sehr glücklich mit den Blumen auf dem Bild, aber dann brach plötzlich noch die Sonne durch die Wolken und sorgte für das wunderschöne Gegenlicht." 

Ein junger Alpensteinbock läuft früh morgens über eine Bergwiese, die aufgehende Sonne sorgt für Gegenlicht

"BEAUTIFUL WORLD" | Foto: LEVI FITZE / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Der israelische Fotograf Roie Galitz landete in der Kategorie "Tierporträts" auf dem zweiten Platz. Bei seiner Einsendung mit dem Titel "Last Embrace" gehe es ihm vor allen um die Perspektive: Das Foto zeigt eine junge Löwin, die augenscheinlich von einem toten Elefanten umarmt wird.

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Ein Löwenjunges bedient sich mit blutverschmiertem Maul am Kadaver eines toten Elefanten

"LAST EMBRACE" | Foto: ROIE GALITZ / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

"Was mir an diesem Bild neben der Komposition und dem Licht noch gefällt, ist die Reaktion der Betrachter", sagt Galitz. "Ich beobachte die Leute gerne dabei, wie sie das Foto zum ersten Mal sehen. Meistens sagen sie zuerst so etwas wie 'Süß, sie umarmen sich'. Aber nach ein paar Sekunden fällt ihnen auf, dass da eigentlich etwas ganz anderes passiert."

Es folgen weitere Fotos, die in anderen Kategorien der Nature Photographer Of the Year Awards entweder gewonnen oder zumindest für großes Aufsehen gesorgt haben. 

Die rot glühende Lava eines aktiven Vulkans beleuchtet die tief hängenden Wolken über dem Berg

In seinem Foto mit dem Titel "Dragon Lair" hat der russische Fotograf Denis Budkov den höchsten und aktivsten Vulkan auf der russischen Halbinsel Kamtschatka abgebildet. "Die linsenförmige Wolke über der Vulkanspitze wird von der heißen Lava angeleuchtet. So könnte man denken, dass ein feuerspuckender Drache dort in den Wolken auf dem Berg sitzt", sagt Budkov | Foto: DENIS BUDKOV / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Inmitten einer weiß verschneiten Landschaft wird von oben ein zugefrorenes Gewässer gezeigt

Mit einer Reihe von Luftaufnahmen für sein Projekt "Ice Anatomy" will der rumänische Fotograf GHEORGHE POPA zeigen, wie sehr gefrorene Landschaften der menschlichen Anatomie ähneln können – in diesem Fall einer Zelle | Foto: GHEORGHE POPA / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Zwei Eisbären umwerben sich inmitten einer kontrastlosen, schneeweißen Landschaft

Mit seinem Foto namens "White Wedding" hat der Fotograf Roie Galitz das Balzverhalten zweier Eisbären in einer schneeweißen Landschaft festgehalten. "Wir irrten stundenlang durch den Whiteout und hatten absolut keinen Orientierungspunkt. Die weißen Eisbären fügten sich dann perfekt in die weiße Umgebung ein, und ich musste direkt an den Song "White Wedding" von Billy Idol denken", sagt Galitz | Foto: ROIE GALITZ / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Ein verschneiter, zugefrorener Wald wird von hellen Sonnenstrahlen durchbrochen

In der Kategorie "Pflanzen und Pilze" gewann der österreichische Fotograf Rupert Kogler mit seinem Foto "Heat of Hoar" den ersten Platz. Das Bild zeigt, wie sich Sonnenlicht und Nebel in einem leicht mit Schnee bedeckten Wald vermischen. "Am meisten faszinierte mich hier, wie die Sonne den Raufrost in den Baumwipfeln schmolz, und die Eiskristalle dann immer wieder wie ein glitzernder Vorhang herunterfielen", sagt er. "Ich versuchte, eine ansprechende Bildkomposition zu finden, und hoffte, dass die Sonnenstrahlen nicht wieder verschwinden und das Eis von hinten beleuchten." | Foto: RUPERT KOGLER / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

Ein Fuchs läuft vorsichtig über eine schmale Brücke, die über einen Fluss führt

"Es dauerte sehr lange, bis der Fuchs von rechts kam und schaute, ob er die Brücke überqueren kann", sagt der niederländische Fotograf ANDIUS TEIJGELER über sein preisgekröntes Foto "Fox Crossing The Bridge". "Plötzlich lief das Tier los, und ich konnte den Auslöser drücken." | Foto: ANDIUS TEIJGELER / NATURE PHOTOGRAPHER OF THE YEAR AWARDS

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