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Warum wandern Bitcoin-Nutzer ins Gefängnis, während Banken mit ihrer Geldwäsche davonkommen?

Mit den Anti-Geldwäschegesetzen bestraft man in den USA nicht die kriminellen Global-Player, sondern die kleinen Bitcoin-Nutzer.

Bild: Shutterstock.

Letzte Woche verhafteten US-Bundesbehörden Charlie Shrem, den Firmenchef von BitInstant, und seinen mutmaßlichen Komplizen, Robert Faiella. Shrem und Feiella sollen Bitcoins im Wert von einer Millionen Dollar gewaschen haben. Aber das sind eigentlich nur Peanuts im Vergleich zum bombastischsten Geldwäschefall, bei dem Geld aus Terrorismus-und Drogengeschäften von einer der größten britischen Bank gewaschen wurde. Als man die HSBC 2012 wegen Geldwäsche verurteilte, zahlte die Bank die hübsche Strafe von 1,9 Milliarden Dollar. Es wurde jedoch keine einzige Person verhaftet, und das Unternehmen selbst strich trotz der Strafe einen Gewinn von 13,5 Milliarden Dollar ein.

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Matt Taibbi vom Rolling Stone Magazine hat die Verbrechen, die diese Bank finanziert hat, detailliert beschrieben—darunter finden sich auch „Tausende von Morden“ und Geldwäschegeschäfte für al-Qaida und die Hezbollah. Nur zum Vergleich: Die Nutzer der geächteten Online-Plattform Silk-Road haben „nur“ Drogen gekauft und verkauft. (Die sechs Mordanschläge, die der Silk-Road-Gründer Ross Ulbricht in Auftrag gegeben hat, wurden nie ausgeführt.) Es ist sogar anzunehmen, dass die Gewalt im organisierten Drogenhandel durch SilkRoads Verlagerung auf das Online-Geschäft vorübergehend abgenommen hat.

Kein einziger Mitarbeiter von HSBC musste je eine Geldstrafe zahlen, geschweige denn auch nur einen einen einzigen Tag ins Gefängnis. Der Bitcoin-Nutzer Shrem dagegen sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Warum gibt es dieses Ungleichgewicht? Es ist offensichtlich, dass die Größe, der Umfang die Gewalt und die Auswirkungen der beiden Verbrechen alleine die unterschiedlichen Reaktionen nicht erklären können. Der Wahrheit am nächsten kommt ein Statement des US-Justizministeriums, das dieses Ungleichgewicht dadurch erklärt, dass die HSBC letztlich einfach zu groß sei, um eingelocht zu werden: „Too Big to Jail".

„Wären die US-Behörden entschieden gegen die HSBC vorgegangen,“ erklärte der stellvertretende Generalbundesanwalt in seinem Statement zu den Verhandlungen, „hätte die Bank mit Sicherheit ihre Banklizenz in den USA verloren, was die Existenzgrundlage der gesamten Bank bedroht, und das gesamte Bankensystem destabilisiert hätte.“

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Was sind die moralischen und praktischen Grundlagen eines Gesetzes, dass diejenigen am härtesten bestraft, die es am geringsten übertreten? Das US-Justizministerium ist offensichtlich der Meinung, dass die Kosten einer rigorosen Einhaltung der Anti-Geldwäschegesetze (das Aufrütteln unseres Bankensystems), den Nutzen bei weitem überwiegen.

Charlie Shrem hat BitInstant—einen Service, der es Nutzern ermöglicht, unkompliziert Bitcoins anzukaufen—mit 10.000 Dollar Startkapital in der Garage seiner Eltern gegründet, als er noch College-Student war. Später wurde er Gründungsmitglied der Bitcoin Foundation, dort hatte er die Position des stellvertretenden Aufsichtsvorsitzenden inne—eine Position, die er mittlerweile aufgeben musste. Sein Geschäft hatte von Anfang an Probleme mit behördlichen Auflagen, die sich zwangsläufig als Resultat der mangelnden Regulierung von Bitcoins ergeben. In einem Trailer zum Dokumentarfilm The Rise and Rise of Bitcoin behauptet Shrem, dass er „Tausende von Dollar für seine Anwälte ausgibt, nur damit er nicht ins Gefängnis muss.“

Während Shrem in einer unregulierten Grauzone operiert hat und am Tag seiner Verhaftung nicht einmal wusste, was man ihm konkret vorgeworfen wurde, hat die HSBC in dem kurzen Zeitraum von 2005 bis 2006 insgesamt über 30 unterschiedliche Abmahnungen erhalten. Doch selbst danach hat die HSBC die Regeln noch öffentlich missachtet. Die Banker waren sich beispielsweise im Klaren darüber, dass sie Geld für einen der 20 Finanziers von al-Qaida gewaschen hatten. Laut Taibbi war dieser geheime Klient der Bank Mitglied einer Organisation, die Osama bin Laden als „Golden Chain“ bezeichnete. Ein anderer Kunde der Bank war der einflussreiche Geschäftsmann Rami Makhlouf, ein enger Vertrauter der Assad-Familie.

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Kritiker wie Tiabbi haben gefordert, dass in beiden Fällen gleiche Strafen verhängt werden. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das US-Justizministerium den permanenten und weltweiten Nutzen einer angeblich fairen Anwendung der Anti-Geldwäschegesetze künstlich aufbauscht. Der Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Gesetze, die auf ein Drittel aller weltweiten Transaktionen angewendet werden könnten, ist durchaus berechtigt. Die Frage lautet: Haben sich die gängigen Anti-Geldwäschegesetze nicht schon lange selbst überlebt?

„Geldwäsche“ ist für sich genommen nur die Verschleierung der Quellen von Finanzströmen. Während die gängige Vorstellung von Geldwäsche fast nie ohne Mord, mexikanische Drogenkartelle und al-Qaida auskommt, gibt es in Wirklichkeit sehr viele Gründe, warum Normalbürger ihre Transaktionen anonym halten sollten—was übrigens auch der Grund ist, warum Bitcoin in liberalen Kreisen so populär ist.

Orlin Grabbe schrieb dazu: „Jeder, der sich die Geschichte der Anti-Geldwäschegesetze in den USA anschaut, wird feststellen, dass sich das sogenannte „Verbrechen“ der Geldwäsche auf eine verbotene Handlung reduzieren lässt: Man tut etwas und sagt´s nicht der Regierung.“ Wenn man das kriminalisiert, bedeutet das, dass wir der Regierung das Recht einräumen, wirklich alles über unser Privatkapital zu wissen. In einigen Zuständigkeitsbereichen macht man sich schon der Geldwäsche schuldig, wenn man einen Service nutzt, bei dem Quelle und Ziel von Geldzahlungen nicht registriert werden.

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Bitcoin-Verfechter Jon Matonis hat diesbezüglich auf einen interessanten Zusammenhang hingewiesen: „Angefangen mit Präsident Roosevelts Beschlagnahme persönlicher Goldreserven im Jahr 1933, über die Enteignung der jüdischen Bevölkerung durch die Nazis, bis hin zu der Verstaatlichung von Bankguthaben auf Zypern hat der Vermögensraub durch staatliche Organe eine lange und reichhaltige Tradition. Auch heute noch versuchen Menschen überall auf der Welt, ihre Vermögenswerte vor repressiven Regierungen zu schützen.“  
   
In seinem Artikel bezeichnet Matonis Geldwäsche als das „Gedankenverbrechen“ der Finanzwelt—eine Überzeugung, die in liberalen Zirkeln immer mehr an Bedeutung gewinnt. Nicht zu wissen oder absichtlich zu verschleiern, wo Geld herkommt, ist für sich genommen ein Verbrechen ohne Opfer. Die Theorie besagt jedoch, dass sich jeder gegenüber der Regierung offenbaren muss, damit diese Gewaltverbrechen verfolgen kann. Doch dieses Argument ist schwach, denn das meiste gewaschene Geld wird für ganz andere Verbrechen benutzt, deren Gewaltpotenzial sich aus ihrer Illegalität ergibt—meist handelt es sich dabei um Glücksspiel oder Drogenhandel.

Für die Transparenz, die die Regierung einfordert, bezahlt der Bürger wortwörtlich einen hohen Preis und opfert dazu noch seine Privatsphäre.

Der Economist schätzt das die jährlichen Kosten für Anti-Geldwäschegesetze in Europa und Nordamerika mehrere Milliarden Dollar betragen. Selbst eines der noblen Ziele dieser Gesetze—die Verhinderung der Finanzierung von Terrorismus—ist, laut dem Magazin, ein großer und teurer Misserfolg. Der Economist merkt auch an, dass die Verhinderung von Identitätsdiebstahl und Kreditkartenbetrug die beiden effektivsten Mittel bei der Bekämpfung von Geldwäsche sind.

Die eingeforderte Transparenz macht höchstens Sinn, wenn damit die Finanzierung von Terrorismus eingedämmt werden kann. Doch der HSBC-Fall zeigt deutlich, dass auch das „Terrorismus-Argument“ nur eine Illusion ist. Nachdem die Bank mit Forderungen überschwemmt wurde, endlich über fragwürdige Klienten Auskunft zu geben, stellte die HSBC ehemalige Call-Center-Angestellte ein, um Fälle von Geldwäsche, die im Auftrag zwielichtiger Kunden vorgenommen wurde, zu untersuchen. Als einer dieser Mitarbeiter tatsächlich einen Fall aufdeckte, wurde er prompt gefeuert.

Die Versuche Geldwäsche zu unterbinden, schlucken nicht nur Milliarden an Steuergeldern, sie greifen auch die Privatsphäre der Bürger an. Die Aufzeichnung jeder Transaktion fordert Banken durch das Gesetz—„Wisse wer dein Kunde ist“— dazu auf, eine polizeiliche Rolle zu übernehmen. Dieses Gesetzt führt im Grunde genommen dazu, dass private Anbieter zu „Partnern des Überwachungsstaats“ werden, äußerte sich auch die Civil Liberties Union. Bitcoin bietet ein interessantes Gegenmodell: Dort sind die Konten zwar anonym, doch alle Transaktionen sind öffentlich einsehbar. Das ist ein Grad der Transparenz, den man im etablierten Währungssystem nicht sieht.

Warum muss jetzt ein angeblicher Bitcoin-Geldwäscher in den Knast? Betrachtet man die Sache allein als Kosten-Nutzen-Rechnung, macht es vielleicht sogar Sinn, Shrem einzulochen, während man die HSBC-Vorstände nur mit einem leichten Klaps auf den Hintern laufen lässt. Wir erinnern uns: Hätte man der HSBC die Lizenz entzogen, dann wäre ja das ganze Bankensystem in Schieflage geraten—Shrems Unternehmen hat man dagegen sofort auf Eis gelegt, als man ihn verhaftet hat.

Doch Gesetze, die kleinere Vergehen mit Gefängnisstrafen belegen und die schlimmsten Übeltäter einfach laufen lassen, müssen selbst auf ihr Preis-Leistungsverhältnis überprüft werden. Wenn Anti-Geldwäschegesetze wirklich ihren hohen Preis wert sind, dann sollten wir sie auch fair und unparteiisch anwenden. Und wenn das nicht möglich ist, dann sollten wir uns überlegen, ob sie denn überhaupt Sinn machen.