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Das aussterbende Gewerbe der New Yorker Eismafia

Die Mafiabosse des Eisgewerbes stammen aus Familien, in deren Händen die Unternehmen meistens schon seit Jahrzehnten liegen. Um dem Club beizutreten, braucht man zwei Dinge: eine Konzession für einen mobilen Verkaufsstand und eine Liste von guten Spots...
Foto von Chris GoldbergM via Flickr

Er sagte, sein Name sei „Jose Rodriguez", lachte, und fügte hinzu, „obwohl ich Grieche bin". Das war mein erster Hinweis auf die eigenartige Verschwiegenheit um das Gewerbe der Eiswägen in New York—ein Business von blechernem Gebimmel und etwas viel Dunklerem als man hinter den kreischenden Farben vermuten würde.

Obwohl der heutige Big Apple nicht mehr besonders viel mit dem graffitigeschwängerten New York der 80er zu tun hat, ist es gerade die nach außen hin so unschuldige Eisbranche, die immer wieder an die dunklere Vergangenheit erinnert. Es wimmelt nur so von Geschichten über sabotierte Bremsen und Bandenkriege, die gelegentlich ein gewalttätiges Ende nehmen.

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Heute sei die Konkurrenz größer denn je, sagt Alex, der seinen Nachnamen nicht verraten möchte, aber behauptet, er sei seit fünf Jahren im Gewerbe. „Früher gab es nur ein paar Wägen in Manhattan, aber heute gibt es sie überall." Der Truck, den er fährt, gehört nicht ihm sondern der Firma, für die er arbeitet. Diese wiederum wird von einem Typen geführt, der mehrere Eiswägen besitzt, aber sich in Zurückhaltung übt. Als ich Alex frage, ob ich seinen Chef kontaktieren dürfe, schaute er nach links und nach rechts, als würde jemand hinter ihm stehen und ihn belauschen.

„Schau, ich beantworte deine Fragen, weil ich dir einen Gefallen tue. Aber das kann ich wirklich nicht machen."

Die meisten Eiswägen, die man auf der Straße sieht, sind Teil einer Flotte—von mindestens fünf oder zehn, potentiell aber auch mehr. Rodriguez, der Grieche, sagte über seinen Chef und die anderen Besitzer: „So wie sie das Geschäft betreiben, ist wie bei der Mafia."

Die Mafiabosse des Eisgewerbes stammen aus Familien, in deren Händen die Unternehmen meistens schon seit Jahrzehnten liegen. Um dem Club beizutreten, braucht man zwei Dinge: eine Konzession für einen mobilen Verkaufsstand und eine Liste von guten Spots, um die Ware an den Mann zu bringen—beides quasi ein Ding der Unmöglichkeit. New York City hat bereits in den 1980er-Jahren die Vergabe von Konzessionen stark eingeschränkt und momentan beträgt die Wartezeit zwischen zehn und zwanzig Jahren. Weil das zwar theoretisch der Übersättigung des Markts vorbeugt, lässt es aber auch keinen Platz für Wachstum

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Photo via Flickr user John Harwood

Foto von John Harwood via Flickr

Hilary Guishard, der Lieferant von Mister Softee in Brooklyn, sagt, das Geschäft stagniere: „Die Leute wollen das Geschäft ausbauen, aber es geht nicht." Deshalb versuchen die Besitzer, so viel wie möglich Profit aus der beschränkten Anzahl an Eiswägen zu schlagen.

Mister Softee hat im New Yorker Eismarkt eine einzigartige Stellung, weil es die einzige große Franchisekette ist. Die Fahrer arbeiten nicht wirklich für die Besitzer, sondern kaufen ihre eigenen Wägen. Dann bekommen sie ein Gebiet zugeteilt und haben keine so strenge Route wie die Alex oder Rodriguez, die mit den Wägen ihres Chefs fahren. Guishard sagt, jedes Gebiet werde nach Einwohnerzahl berechnet—mit ca. 50.000 Einwohnern pro Gebiet. Anders als bei den meisten anderen Unternehmen sind die reichsten Gegenden die unbeliebtesten, weil man dort auf wenigsten Geld macht.

„Die Leute können dort zu Häagen-Dazs oder anderen Geschäften gehen. In weniger reichen Gegenden sitzen die Kinder meist am Abend draußen auf den Treppen", erklärt Guishard. Deshalb sieht man beispielsweise in Flatbush in Brooklyn, wo die Gentrifizierung in Gange ist, viel eher Eiswägen, die am Straßenrand zwischen den makellosen von Bäumen gesäumten Straßen und den heißen, staubigen, zugemüllten stehen, wo die Plastiktüten durch den Wind herumgewirbelt werden.

Für alle, die nicht bei Mister Softee arbeiten, läuft es anders. Beide Fahrer, mit denen ich sprach, erzählten mir, dass ihnen am Anfang des Tages, wenn sie ihren Wagen aus der Garage holen, eine Route zugeteilt wird. Diese Route, die meist aus einer Liste von Straßen oder Kreuzungen, an denen man parken kann, besteht, wird ähnlich vererbt. Der Großvater hat in den 70ern Eis verkauft und bevor er in Pension ging, gab er seinen Platz an den nächsten in der Familie weiter, erklärt Alex. „So bekommt man einen Standort und fängt ein Geschäft an—entweder mit oder ohne Wagen."

Die Routen sind das Wertvollste des ganzen Geschäfts und jedes Jahr füllen Raufereien—oder Schlimmeres—um illegal genutzte Parkplätze die Schlagzeilen. „Jeder, der einen Wagen besitzt, kennt alle anderen und seine Branche", sagt Alex. „Keiner versucht, einem anderen den Parkplatz wegzunehmen—zumindest nicht in Midtown." Oder keiner macht es zwei Mal.

Während man immer noch ganz gut verdient („Es ist Bargeld und uns gehts ziemlich gut", sagt Alex), ist der Höhepunkt jedoch vorüber. Der Grieche sagt, es sei ein aussterbendes Gewerbe und dass viel zu viele Leute Bioprodukte wollen: „Unser Zeug ist künstlich." Alex gibt dem Anstieg an unabhängigeren, kleineren Eisdielen und Frozen Yogurt-Wägen die Schuld.

Guishard merkt an, dass der Klimawandel ein weiteres großes Problem sei. „Die Wetterlage hat sich extrem verändert und für uns ist das ein großes Problem", sagt er. „Der Frühling ist normalerweise die beste Zeit für uns, aber dieses Jahr gab es gar keinen."