Biber essen auf der Suche nach der kanadischen Küche
From True North by Derek Dammann and Chris Johns. Food photography by Farah Khan; scenic photography by Farah Khan and Alison Slattery.

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Kochbuch

Biber essen auf der Suche nach der kanadischen Küche

Für sein neues Kochbuch dokumentierte der Koch Derek Dammann mit beeindruckenden Fotos und Rezepten seine Reise durch die vielfältige Landschaft von Kanada und traf Bauern, Weinproduzenten und Lieferanten, die Kanadas Küchen über die engen Grenzen von...

In einem Gedicht aus dem Jahr 1878, in dem Ihrer Majestät der Königin Treue geschworen wird, beschrieb der britische Hofdichter Lord Tennyson Kanada als „that true North, whereof we lately heard".

Es ist eine einfache, mitreißende Zeile, die sich den Weg in die kanadische Nationalhymne gebahnt hat. Mehr als ein Jahrhundert später haben es Lord Tennysons Worte in ein weiteres kulturell wichtiges Dokument geschafft: in ein Kochbuch.

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Die letzten drei Jahre sind der Koch Derek Dammann und der Journalist Chris Johns durch Kanada gereist, vom östlichsten Punkt in Neufundland zu dem Ort an anderen Ende des Landes auf Vancouver Island, wo Dammanns seine Kindheit verbracht hat. Die Krönung dieser Reisen ist True North: Canadian Cooking from Coast to Coast.

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Es ist zwar keine Nationalhymne, aber Dammanns und Johns' Buch, genau wie O Canada, ist eine aufrichtige Ode an ein sehr junges, sehr großes und sehr schönes Land. Anders als viele andere kanadische Kochbücher hält es sich von jeglicher historischer Analyse fern und lässt stattdessen Raum, dass durch Fotografien und Geschichten ein Bild der kanadischen Küche entsteht.

Ich habe mich mit Derek im Maison Publique, dem Restaurant in Montreal, das er gemeinsam mit Jamie Oliver besitzt, getroffen, um mit ihm über sein Buch und über einen roten Faden (wenn es einen gibt) zu sprechen, der sich durch seine kulinarische Expedition durch Kanada gezogen hat.

Nachdem wir uns einige Minuten unterhalten haben, wird schnell klar, das ich sehr viel in den Titel True North hineininterpretiert habe. „Der Arbeitstitel lautete, ‚How to Eat Beaver'", sagt er. „Das war nur der Arbeitstitel, aber er hatte eine sehr sexuelle Konnotation, deshalb bezweifelten wir, dass HarperCollins damit einverstanden sein würde."

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Trotz der berühmten Widerstandsfähigkeit und seiner symbolischen Bedeutung für Kanada, einigten sich Dammann und Johns schließlich auf True North als Titel. „Wir wollten einen patriotischen Titel und kamen schließlich auf ‚True North'. Das gefiel uns beiden sofort. Außerdem kommt es in der Nationalhymne vor, es ist also perfekt."

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Vor drei Jahren fingen die beiden Autoren an, Bauern, Weinproduzenten und Lieferanten zu besuchen, die die kanadische Küche über die leckeren, aber engen Grenzen von Poutine und Donuts hinaustragen. „Kanadisches Essen hat eine lange Geschichte und es gibt viele Stereotypen", sagt Dammann. „Die Leute sehen all das Essen aus Strange Brew wie Rückenspeck, Biberschwanz, Ahornsirup und Bier als typisch kanadisch an. Wir wollten aber Lieferanten und Köche besuchen und Geschichten erzählen. Es geht darum, was gerade passiert, und wir erzählen eine Geschichte."

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„Bei dem Buch ging es mehr um Verstehen und ums Lernen", sagt Dammann. „Wir tauchten immer ganz in die Sache ein. Wir gingen drei Tage lang auf einem Boot Garnelenfischen, schleppten Körbe und so weiter. Das half uns dabei, zu verstehen, wie hart diese Jungs arbeiten und das lieferte uns Stoff für eine Geschichte. Wir sind also nicht nur die Arschlöcher, die zwei Stunden auf einem Boot aufkreuzen und so tun, als wären sie Teil davon. Nach drei Tagen wurde uns bewusst, wie intensiv das Ganze ist."

Eine kulturell und geografisch so vielseitige Landschaft wie Kanada birgt viele Herausforderungen, wenn jemand einen roten Faden sucht, aber diese Vielfalt ist auch eine ihrer Stärken. „Wir sind ein sehr multikulturelles Land, wir haben deshalb den Vorteil, uns in der Küche von so vielen verschiedenen Einflüssen inspirieren zu lassen. In dem Buch geht es viel mehr darum, die Zutaten zu zeigen, als die Geschichte darzustellen. Wir haben all die Ressourcen und Mittel, um regional zu essen, kochen und trinken wie man es auch in Spanien, Frankreich oder Italien hat."

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Mit der Ausnahme von milderen Gebieten wie Dammanns Heimatort auf Vancouver Island sind die Winter im ganzen Land sehr kalt. Deshalb ist es nur logisch, dass eines der am weitesten verbreiteten Gerichte, oder eher eine Methode, so eng mit der harschen, kalten Jahreszeit in Verbindung steht.

„Der Winter ist so lang und die Anbausaison sehr kurz, deshalb werden Erzeugnisse richtig gefeiert, wenn sie reif sind. Der rote Faden, der sich durchs ganze Land zieht, war für mich deshalb das Konservieren und Einmachen. Das ist stark in der Familientradition verwurzelt."

„Wenn man eine Dose Spargel aus Quebec oder Ontario öffnet, kommt im März ein Hoffnungsschimmer auf. Heute geht es nicht mehr so sehr ums Überleben wie damals, aber jede Großmutter tut es und heute interessieren sich sogar langsam Hipster mit Moustache dafür."

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Ein Erzeugnis, bei dem es in vielen Regionen Kanadas immer noch ums Überleben geht, ist Robbenfleisch. „Egal ob im Norden, in Neufundland oder auf den Magdalenen-Inseln, die Robbenjagd ist eine weitere Tradition." Aber das Bild von süßen Seehunden, die zu Tode geprügelt oder in den Kopf geschossen werden, ist kraftvoll und hat zu sehr vielen Kontroversen geführt—und zu Bauchschmerzen für die heimischen Robbenjäger.

„Das Problem sind Fehlinformationen. Die Robbenjagd hat einen schlechten Ruf, weil Paul McCartney eine charmante Stimme hat, aber die Leute verstehen es nicht. Robben pflanzen sich permanent fort. Es ist so eine nachhaltige Fleischquelle. All die Kontroversen beziehen sich auf alte Medien und Propaganda—das ist nicht das, was heute vor sich geht."

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„Für viele Leute ist es eine Frage des Überlebens. Oben in Iqaluit oder Nunavut kostet ein Kopf Eisbergsalat 12 Dollar [8,50 Euro] und es ist wie eine Apokalypse in den Regalen, es gibt nichts mehr. Deshalb ist die Jagd immer noch ein Teil ihrer Tradition."

Aber die Robbenjagd ist nicht nur in Nordkanada Tradition. „Wenn die Boote in Neufundland von der Robbenjagd zurückkehren, stehen die Leute für die Flossen Schlange, um Flipper Pie zu machen, das ist typisch für den Osten. Auch dort hat es immer noch Tradition." Für Experimentierfreudige enthält True North ein Rezept für Robben-Mortadella. „Ich habe mich entschieden, den Mortadella aus Robbenfleisch zu machen, weil ich es gerade zur Hand hatte und ich das Gefühl hatte, dass es direkt widerspiegelt, wo ich mich zu dem Zeitpunkt befand—in Neufundland während der Jagdsaison."

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Die Problematik um die Robbenjagd ist ein flüchtiger Blick in die starken, regionalen Unterschiede innerhalb Kanadas; Unterschiede, die den Autoren von True North einige strukturelle Schwierigkeiten bescherten. „Wenn ich im Buch etwas über Pfifferlinge schreiben wollte, wo gehört das dann hin? BC? Saskatchewan? Quebec? Manitoba? Sie wachsen in jeder Provinz", sagt Dammann. „Neufundland war der erste Zwischenstopp, der Inhalt folgt dem chronologischen Verlauf unserer Reise und das Buch endet im Haus meiner Eltern auf Vancouver Island. Das letzte Kapitel heißt ‚Home'."

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Was uns zum Taco-Kit führt. Ein wichtiger Bestandteil des Kochens zu Hause für Derek und viele andere Kanadier einer bestimmten Generation ist das Taco-Kit aus dem Supermarkt mit fertigen Tortillas, Salsa und einer magischen Alchemie von Natrium-Geschmack.

„Das Taco-Kit ist ein urkanadisches Gericht. Jeder, der zwischen 30 und 45 ist, bekam es von seinen Eltern serviert. Man betrat als Kind das Haus und der Geruch war unverkennbar, das Old El Paso Taco Kit. Dann freute man sich ‚Oh ja, heute ist Taco-Abend!'"

Als er seine Liebe für die gelbe Box erforschte, stolperte Dammann unerwartet über einen weiteren kulinarischen roten Faden, der sich durch das Land zieht.

„Die Gewürzmischung, die bei dem Kit dabei ist, ist wirklich lecker, deshalb gibt es im Buch ein Rezept, wie man die Taco-Gewürzmischung und alles selbst machen kann. Das ist noch etwas, das wir alle gemeinsam haben."

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Glühenden Herzens sehen wir dich wachsen,

den wahren Norden, stark und frei!"

- O Canada

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Bei Eishockeyspielen neigen Kanadier dazu, die „den wahren Norden, stark und frei"-Zeile zu betonen, wenn sie O Canada singen, aber den „Glühenden Herzens sehen wir dich wachsen"-Teil, der direkt davor steht, vergisst man schnell. Ein Buch wie True North ist eine Erinnerung, weshalb diese Zeile so wichtig ist.

Irgendwo zwischen Taco-Kits, Robbenjagd, Weinproduzenten und Garnelenfischen tritt in True North ein Bild von Kanada in Erscheinung. Die „kanadische Küche" darzustellen, mag zwar schwer realisierbar, ja vielleicht sogar unmöglich sein, aber dank glühender Herzen wie Dammann und Johns, sehen wir dich wachsen.