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Wie es ist, als DJ auf einer Sex-Party zu spielen

Meine Musik ist für mich der Rahmen von etwas Großem. Und was ist größer als ein Raum voller Menschen, die Sex haben?
Bild von Rob Dobi

„Uuh yeah!" DJ Kev.Kruz freut sich sehr, als ich ihm erzähle, dass ich alle Partysnacks liebe. Danach wirft er mir ein schüchternes Lächeln zu, streckt seine Fingerchen aus und fragt: „Magst du zufällig auch Fingerfood?"

Ich kichere kurz, als der über 40-jährige House-DJ mit Babyface vor seinem Auftritt im Chemistry NYC Anspielungen auf unser Treffen in der Cock&Bull-Bar macht. Ich hätte es wissen müssen: DJ Kev.Kruz spielt auf Sex-Partys, spezialisiert darauf, eine entspannte Umgebung zu schaffen, damit die Partygäste schmutzige Sachen mit ihren Nachbarn tun können. Kev liefert den Soundtrack zu diesen Sexpartys. Sein Job ist es, eine Soundkulisse zu schaffen, die von energiegeladenen Tanztracks zu schlüpfrigen Erwachsenentracks geht, ohne dabei die klischeehaften Dirty-Talk-Lieder zu spielen, aus denen die meisten „sexy" Playlists bestehen.

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„Es geht darum, dass unterschiedliche Charaktere in diesem Raum zusammenfinden", erklärt er mir. „Nur so kannst du Ekstase provozieren. Das ist es, was dich loslassen lässt. Und Sex ist das ultimative Loslassen", grinst er mir verschmitzt zu und fügt hinzu: „Den Puls des Raumes zu spüren und die Menschen mit auf eine Reise zu nehmen, das ist schon etwas ganz Besonderes."

Aber was garantiert eine Nacht voller Ekstase und runtergelassenen Höschen? Laut Kev kannst du nicht einfach ein Prince-Album durchlaufen lassen. Ähnlich, wie man als guter Liebhaber das Gegenüber lesen und die richtigen Knöpfe drücken muss, braucht es als DJ einer Sex-Party ein Gefühl für die Location und die Leute darin. In einer Umgebung wie dem Chemistry ist das natürlich einfacher, weil dort Menschen hinkommen, um sich hinzugeben, auch über den Sex hinaus. Kev hat viel Zeit damit verbracht, über diese Fragen nachzudenken.

Er erklärt mir, dass die Struktur jeder Sex-Party dieselbe ist. Zuerst kommt das Aufwärmen, dann der Höhepunkt (haha) und dann ein Crescendo-Ende. Was eine Playlist erfolgreich macht, ist von mehreren Komponenten abhängig. Wie spät ist es? Wie viele Leute sind da? Wie ist die Deko? Es gehört viel Improvisation dazu, aber Kev sagt mir auch, dass es sehr wohl eine eigene Wissenschaft ist, zu wissen, was in welchem Momenr funktionieren wird und was nicht.

„Ich habe einen Doktor im Sound zum Liebemachen", lacht er. „Mein Label heißt Lucid Dreams Soundtrack Music. Meine Musik ist für mich der Rahmen von etwas Großem. Und was ist größer als ein Raum voller Menschen, die Sex haben?"

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Um diese Frage zu beantworten bin ich zum Winterball im Chemistry gegangen. Ich wollte sehen, ob Kevs Playlist wirklich die Kraft hat, anfangs fremde Körper in Harmonie versetzen zu können. Wird die Stimmung eher wie ein Schlag ins Gesicht sein? Wird es sich anfühlen wie der Moment, wenn du schnell um die Ecke rennst und plötzlich steht eine nackte Frau vor dir? Wird alles ein Reinfall? Werde ich in der Ecke sitzen, während alle anderen sich mit riesigen Dildomaschinen vergnügen?

Auf dem Weg zu der Party versuche ich, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Songs Menschen zum Strippen bringen und welche Songs sie anturnen. Auf der Party höre ich zunächst nur Pop-Songs der frühen Nullerjahre und fühle mich deshalb eher wie auf einem Schuolball. Die meisten Tanzaufforderungen kommen von fein gekleideten Männern mit einsetzender Glatzenbildung. Die ersten Anfragen lehne ich konsequent ab, mit immer dem selben Satz: „Entschuldigung, bin aus journalistischen Gründen hier." Ein Gast wirkt aber relativ nett und bittet mich, mit ihm auf die „Spielwiese" zu gehen – betreten nur für Paare erlaubt. Ich sage ja — journalistische Gründe und so — und folge ihm. Es stellt sich heraus, dass es ein Raum voller Plüschsofas und bouncenden Ärschen ist. Unterlegt mit 2000er R'n'B, den der samtige Dekor noch seichter macht. Im Gegensatz zu der energiegeladenen Tanzfläche ist das der Raum, wo es langsam und sexy zur Sache geht.

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Wieder zurück im Hauptraum ist die Stimmung mehr Chaos als tantrische Sinnlichkeit. Folgende Dinge fallen mir, neben der Dildomaschine, auf: Ein Mann, der einem Mädchen die Zehen lutscht und eine sexy Schullehrerin, die am Geländer strippt, zu etwas das sich wie ein CeCe Rogers Lied anhört. Oh, und fünf Zentimeter neben meinem Kopf wird eine Frau von mehreren Leuten herzhaft gefingert.

Aber was hatte ich erwartet? Ich bin auf einer Sex-Party. Was auch immer Kev da tut, es scheint zu funktionieren. Um fair zu sein: Es ist schwer vorstellbar, dass es etwas gibt, das Menschen davon abhalten würde, Sex zu haben, wenn sie auf eine Party gehen, um Sex zu haben. Aber es stimmt: Wahrscheinlich gibt es auf der ganzen Welt keinen einzigen Ort, der besser für eine Playlist wie diese geeignet wäre. Kev spielt Old-School-Lieder, smoothen House und glatte Discotracks.

„New York ist nicht mehr New York, es ist nicht mehr das, es hat mit den romantischen Vorstellungen von früher nichts mehr zu tun", sagt Kev mir vor der Party. „Die Locations werden weniger, ich muss immer mehr schauen, wo ich noch spielen kann."

Wie er zum Chemistry gekommen ist? Er hat einen Artikel über das Chemistry gelesen, in dem stand, dass es dort „soulig House" gäbe. Vor allem weil Kev bei ähnlichen Veranstaltungen war und selbst mit der Idee gespielt hatte, eine „soulige House-Sex-Party" zu schmeißen.

Er schickte ihnen dann eine Mail, deren Inhalt in etwa so aussah: „Ich bin überhaupt nicht abgeschreckt, eher angeturnt. Was halten sie davon, wenn ich ihr DJ werde?" Das Chemistry lud ihn kurze Zeit später ein, für sie zu spielen. Ich frage ihn, ob es ihm erlaubt ist, nach seinem Set auch noch ein bisschen an den Gästen rumzuspielen. Er sagt ja, es sei aber trotzdem noch nie passiert. Dazu sei er zu sehr im Arbeitsmodus.

„Ich habe aber andere DJ-Fantasien", zwinkert er mir zu, während er an den Decks steht. „Ich meine, ich möchte einen geblasen bekommen. Kann mir jemand einen Blowjob besorgen, während ich da oben bin? Ich sollte darüber mit KennyBlunt, dem Veranstalter von Chemistry, reden!"

Ich lache und stimme zu, dass es das Mindeste sei, was er als Gegenleistung für seine Dienste bekommen sollte. Immerhin ist er die essentielle Komponente des Ganzen. Kev besteht darauf: „Wenn du zu einem meiner Lieder bei der Sache bist, wirst du explodieren." Er unterstreicht die Aussage mit einem Augenbrauenwackeln leckt die BBQ-Sauce von seinen Fingern ab. „Ganz ohne TNT."

Sandra Song lebt in Brooklyn. Folgt ihr auf Twitter.

Dieser Artikel ist im Original auf Noisey erschienen.