Wir haben mit Marko Pantelic seine wahnsinnige Karriere rekapituliert

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Wandervogel

Wir haben mit Marko Pantelic seine wahnsinnige Karriere rekapituliert

Marko Pantelic war nicht nur Herthas Publikumsliebling. Er war auch Hassobjekt seines Jugendvereins, Fußball-Rentner mit 20 und Verhinderer eines Staatsstreiches.

Im Niederländischen gibt es das Wort „stralen", das—wie ihr euch denken könnt—mit dem deutschen „strahlen" verwandt ist. Wenn jemand etwas „stralt", dann könnt ihr sicher sein, dass damit etwas Positives gemeint ist. Genau dieses Wort wurde für ein Mauerbild zusammen mit dem Namen Marko Pantelic verwendet. Warum? Weil, so der Graffiti-Künstler, „Marko straalt Ajax." Frei übersetzt: Marko lässt Ajax leuchten.

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Und unabhängig von irgendwelchen Leuchtqualitäten kann man ohne Übertreibung sagen, dass Pantelic ein Fußballer mit Charakter, ein echter „Typ" war. Von seinen frühen Tagen in Griechenland über seinen raketenhaften Aufstieg bei PSG bis hin zu seinem Absturz und der zweijährigen Pause vom Fußball, der wiederum eine Phönix aus der Asche gleiche Auferstehung folgte: Marko war immer etwas Besonderes. Die Roter-Stern-Fans hassten ihn erst, nachdem er gegen ihre Mannschaft—und seinen eigenen Jugendverein—das entscheidende Tor im Pokalfinale schoss. Nur um ihm sechs Monate später zu verzeihen, als er in Belgrad unterschrieb und Tor um Tor schoss. Sein Name wurde gleichermaßen in Belgrad, Berlin, Amsterdam und Athen gesungen.

Vor allem die Hertha-Fans werden sich gerne an den „Panta" erinnern, denn der erzielte in 86 Spielen 34 Tore und war einer der Verantwortlichen für eine der erfolgreicheren Zeiten in der Hertha-Clubgeschichte.

Wir haben Marko in seinem Restaurant in Belgrad getroffen. Und wurden keineswegs enttäuscht. Wir haben Sachen über den Knipser a.D erfahren, die er zuvor nur ganz wenigen Menschen anvertraut hat. Und wo Marko ist, schwingt immer auch ein bisschen Dramatik, Pathos und ein ganz kleines bisschen Übertreibung mit. Die besten Ingredienzen für ein spannendes Interview.

Meine Damen und Herren: Marko Pantelic


Marko, deine glanzvolle Karriere begann bei Roter Stern Belgrad.
Marko Pantelic: Ja, da begann alles. Ich kam als Achtjähriger zu Roter Stern und habe die Jugendmannschaften durchlaufen. Als ich 14 wurde, fuhr ich dann zweigleisig. Samstags spielte ich für die Jugendmannschaften und sonntags mit den Älteren. Als 15-Jähriger gab ich dann mein Debüt in der U18.

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Dann ist deine gesamte Familie nach Griechenland ausgewandert. Warum?
Ja, das stimmt. Mein Vater hatte ein Jobangebot erhalten. Das war an Silvester 1994. Damals herrschte in meiner Heimat noch viel Chaos: Krieg, UN-Sanktionen usw. Mein Vater fand in Thessaloniki Arbeit und ich spielte ab da an für Iraklis.

Wie war es für dich, nach Griechenland zu wechseln?
Naja, damals war Griechenland noch keine große Fußballnation, auch wenn die Liga ganz solide war. Es gab ja Olympiacos, Panathinaikos, AEK, PAOK, Aris und eben auch Iraklis… Nach drei Monaten Training bei Iraklis unterschrieb ich einen Vertrag, wurde aber sofort an Kilkisiacos verliehen, die damals in der dritten griechischen Liga spielten. Dort schoss ich in acht Monaten 15 Tore, bevor ich mich verletzte. Mein Körper stand damals unter großer Beanspruchung, und ich war ja erst 16. Nach der OP kehrte ich zu Thessaloniki zurück und kämpfte mich in die erste Mannschaft. Mir gelangen fünf Tore in den ersten sieben Spielen, bis ich mich erneut verletzte und ein halbes Jahr ausfiel.

Viele serbische Fußballer, die damals in Griechenland spielten, haben die griechische Staatsangehörigkeit angenommen. Wie war das bei dir?
Die wollten mich auch einbürgern, damit ich für die griechische Nationalmannschaft spielen könnte. Das wollte ich aber nicht. Am Ende haben wir uns darauf geeinigt, dass ich einen Pass bekomme, um als ‚einheimischer Spieler' in der ersten Liga spielen zu können. Sie wollten mich zu „Markos Pantelics" umbenennen. An dem Tag, wo mein Vater und ich den Pass abholen sollten, bin ich wieder aus dem Restaurant gestürmt, wo die fertigen Unterlagen auf mich warteten. Ich konnte und wollte das nicht unterschreiben, auch wenn ich deswegen nie wieder hätte Fußball spielen können.

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Alle Bilder: Ivan Ninic

Dann kam ein Anruf aus Paris…
Ja, ich erinnere mich noch genau an diesen Tag. Es war im Sommer 1996. Ich stand auf dem Trainingsplatz von Iraklis, als mich mein Vater anrief und bat, sofort nach Hause zu kommen. Ich hatte ehrlich gesagt befürchtet, dass irgendetwas Schlimmes passiert wäre. Dann meinte mein Vater nur: „Mein Sohn, Paris Saint-Germain hat angerufen und dich zum Probetraining eingeladen." Damals war PSG …

So groß wie heute.
Nein, Mann, größer. Damals waren die wirklich großen Mannschaften Milan, Real, United und Paris. Punkt. Mein Vater fragte mich: „Und willst du das versuchen?" Und ich meinte nur: „Papa, ich würde da notfalls auch hinlaufen." Da spielten damals Fußballer wie Rai, Patrice Loco, Bruno N'Gotty, Leonardo, Paul Le Guen…

Ich kam nach Paris auf Empfehlung von Milan Radovanović, der damals im französischen Fußball viel zu sagen hatte. Nach meinem ersten Training bei Paris wurde mir plötzlich von Espanyol-Verantwortlichen vor Ort ein Vertragsangebot unterbreitet. Ich sprach damals kaum Englisch, also bat ich Milan, mit ihnen zu sprechen. Milan selbst war beim Training nicht dabei und meinte deswegen zu den Herren: „Lasst mich erstmal selber sehen, was ich überhaupt hergebracht habe."

Beim zweiten Training war er dann dabei. Und ich erinnere mich, wie er auf einmal „Marko, Marko, Marko!" schrie. In der Pause fragte ich ihn, was er vorhin wollte. Und da meinte er: „Ich bin in dem Geschäft seit über 30 Jahren. Und die Sachen, die du hier gezeigt hast, habe ich noch keinen machen sehen." Und nur zwei Wochen später unterschrieb ich bei PSG.

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Auf deinen ersten Einsatz musstest du aber monatelang warten.
Das stimmt, ich war für zehn Monate gesperrt, weil Paris und Iraklis in einem Rechtsstreit lagen. Das waren ja noch die ersten Jahre nach dem Bosman-Urteil und es gab noch einige Unklarheiten. Ich durfte nicht mal bei PSG mittrainieren. Ich habe aber bei der Jugendnationalmannschaft gespielt, wo ich mich fithalten konnte. Als ich dann spielberechtigt war, lief ich vor allem in der zweiten Mannschaft auf, wo ich 15 Tore schoss. Auch bei den Profis zeigte ich gute Leistungen. Das mag ein bisschen narzisstisch klingen, aber als ich gegen Lens eingewechselt wurde, sangen die Fans meinen Namen. Die Fans kamen auch zahlreich zu unserem Training, im Schnitt fast 2.000 Zuschauer. In den letzten sechs Monaten meiner zweiten Saison in Paris hing ein riesiges Banner in der Kurve, auf dem LIBÈRE PANTELIC („Befreit Pantelic", Anm. der. Red.) stand. Sie haben mich wirklich gemocht. Aber mal im Ernst: Ich glaube, dass nur Leute, die mich damals kannten, sagen können, was für ein riesiges Talent ich war—und was für ein Spieler ich hätte werden sollen. Alles, was man später von mir im Fernsehen sah, war nach meiner zweijährigen Pause. Es gibt nur sehr wenig Clips von meiner frühen Zeit als Profi, vielleicht noch in den Archiven von Canal+.

Letztendlich hast du dann aber doch nicht den Durchbruch geschafft und bist zu Lausanne gewechselt.
Das stimmt, aber zwischen Paris und Lausanne ist noch etwas passiert. Nach PSG hätte ich fast bei Porto unterschrieben. Der Vertrag war schon vorbereitet, samt einer einjährigen Ausleihe zu Rio Ave. Ich war also schon in Rio Ave, als mich Dejan Stanković anrief und meinte, ich solle sofort nach Belgrad kommen, Roter Stern braucht dich. Ich bin natürlich in den erst besten Flieger und nach Serbien geflogen. Um mir dort dann anhören zu müssen, dass sie mich gar nicht brauchen.

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Du hast also Porto abgesagt, um dann so verarscht zu werden?
Ich habe Portugal Hals über Kopf verlassen. Ich bin buchstäblich geflüchtet. Ich habe mitten in der Nacht gepackt und bin zum Flughafen. Ich hatte aber kein Ticket auftreiben können, weswegen ich das Flugpersonal angebettelt habe, mich so mitzunehmen. Am Ende hat mich der Pilot zusteigen lassen. Ich ging vor ihm auf die Knie und meinte, dass ich mit muss, der wichtigste Verein meines Lebens will mich. Und nach all dieser Schererei wurde ich so gedemütigt.

Was war denn passiert?
Einer der Vorstandsmitglieder war dagegen. Die Trainer waren dafür, die Spieler waren dafür, aber einer hat dagegen gestimmt. Ich wollte von ihnen wissen, warum sie mich überhaupt haben kommen lassen. Die meinten aber nur, sorry, wir helfen dir, einen anderen Verein zu finden. Ich habe die Tür zugeknallt und bin abgehauen. Ich kann kaum in Worte fassen, wie enttäuscht ich war.

Hört sich schrecklich an. Du hast die Krise aber überwunden und bist in die Schweiz gewechselt.
Ja, das war im Herbst 1998. Ich war in Belgrad und hatte seit drei Monaten nicht mehr trainiert. Ich war mir sicher, dass meine Karriere vorbei war. Aber mein Dad trieb mich weiter an. Er meinte, ich könne nicht aufhören. Dann hatte ich eines Tages ein Gespräch mit Verantwortlichen von Sion, die mich verpflichten wollten. Ich kannte Sion wegen Vladan Lukić, der früher bei Roter Stern gespielt hatte. Ich war dann also in Sion, aber plötzlich boten sie mir schlechtere Vertragsbedingungen an. Und sowas ist nichts für mich. Ein Deal ist ein Deal. Punkt. Also habe ich meine Sachen wieder gepackt. Auf dem Weg zum Genfer Flughafen bekam ich einen Anruf vom Präsidenten von Lausanne, der mich sprechen wollte. Ich fuhr also nach Lausanne, hörte mir alles an und unterschrieb dann einen Vertrag. Es war eine gute Saison in Lausanne. Wir haben den Pokal gewonnen und standen lange Zeit auf dem ersten Platz. Und in 21 Spielen habe ich 14 Mal getroffen.

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Dann bist du zu Celta Vigo gewechselt, wo du aber keine Einsatzzeit bekommen hast.
Viele Teams haben sich damals um mich bemüht. Ich entschied mich dann für Celta, was ein großer Fehler sein sollte. Sie holten zur gleichen Zeit viele andere Ausländer und nach dem Trainingslager stand ich ohne Lizenz für die Primera División da. Ich habe daraufhin erneut eine Pause vom Fußball eingelegt und bin zurück nach Serbien. Ende August rief mich dann Ivica Osim an und meinte, ich könnte an Sturm Graz ausgeliehen werden. Der Deal mit Graz platzte aber und Celta entließ mich. Also habe ich aufgehört.

Du warst gerade mal 21 und hast bereits zum dritten Mal deine Karriere beendet?
Genau. Das war kurz nach Silvester 2000. Ich beschloss, ein für alle Mal aufzuhören. Ich hatte keinen Spaß mehr am Fußball. Ich dachte, der Beschluss würde ein Leben lang halten, am Ende waren es aber nur gute zwei Jahre.

Was hast du in dieser Zeit gemacht?
Ich war zu Hause in Belgrad. Und habe angefangen, Futsal zu spielen. Einfach nur so zum Spaß. Futsal wurde damals langsam groß. Die ersten Futsal-Felder tauchten auf, Mannschaften gründeten sich. Ich habe eine Menge Turniere und Medaillen gewonnen.

Wie bist du dann wieder zum Fußball gekommen?
Ich habe die serbische Liga nie aus den Augen verloren. Die Idee zu einem Comeback kam mir bei einem Spiel im Obilić-Stadion. Ich kann nicht sagen, was genau passiert ist. Es hat einfach klick gemacht. Ich bin sofort in mein Auto gestiegen und habe mir geschworen, dass ich der beste Spieler und Stürmer dieses Landes werde und dass ich alles gewinnen werde, was es in Serbien zu gewinnen gibt. Über Umwege kam ich zu Smederevo, wo ich einen Mindestvertrag unterschrieb. Dann kam 2003 das berühmte Pokalfinale gegen Roter Stern. Ich wurde erst in der 65. Minute eingewechselt und die Vorgabe des Trainers hieß, den Ball zu halten und nichts Dummes zu machen, um sich ja kein Gegentor mehr zu fangen. In der Verlängerung bot sich mir plötzlich eine Lücke. Also habe ich mir den Ball geschnappt, bin losgerannt und habe ein Tor geschossen. Damals gab es noch die Silver-/Golden-Goal-Regel, also waren wir Pokalsieger.

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Dein wilder Jubel kam bei den Fans von Roter Stern nur mäßig an.
Naja, das muss man so sehen: Ich hatte mal alles für diesen Verein gegeben. Ich hatte stundenlang vor dem Büro des Vorstands ausgeharrt, um mich dann von denen demütigen zu lassen. Dann sagt man sich irgendwann: OK, ich liebe zwar diesen Verein, aber ich liebe auch mich. Ich möchte nebenbei betonen, dass nur meine Familie und meine engsten Freunde wissen, wie es mir wirklich nach dem Spiel ging. Denn ja, ich war zwar glücklich, aber ich habe auch geweint. Doch ich denke, ich habe später bei Roter Stern meine Schulden für das Gegentor zurückbezahlt. Obwohl, nein. Ich werde Roter Stern niemals all das zurückgeben können, was dieser Verein für mich getan hat. Ohne Roter Stern hätte ich niemals diese Leidenschaft für den Fußball entwickelt.

2004 hast du endlich bei deinem Herzensverein unterschrieben.
Bevor ich bei Roter Stern unterschrieb, hatte mir Malaga ein Angebot unterbreitet. Ich hätte zehnmal so viel verdienen können, aber ich wollte lieber im „Marakana" spielen. Das Leben spielt einem manchmal schon verrückte Streiche. Das gilt insbesondere für meine Anfangszeit bei Roter Stern. Im Wintertrainingslager war ich noch verletzt. Dann stand mein erstes Spiel gegen Borac Čačak an. Wenn du im Marakana spielst, ist der erste Eindruck, den die Fans von dir bekommen, der wichtigste. Wegen meines Tores im Pokal bekam ich nicht gerade den wärmsten Empfang. Auf jeden Fall verging Minute um Minute und es stand immer noch 0:0. Ich spürte, wie der Druck in mir stieg. Und auch die ersten Feindlichkeiten in meine Richtung. Und dann kam der Moment, den ich niemals vergessen werde. Eine lange Flanke landete bei mir. Ich rannte mit dem Ball los, hatte aber nach meiner Verletzung noch nicht die nötige Kondi. Ich spürte, ich würde nicht einfach so zum Tor laufen und das Ding verwandeln können. Gleichzeitig wusste ich, dass ich treffen musste, wenn ich die Fans nicht für immer gegen mich aufbringen wollte. Ich bin an der Strafraumecke stehengeblieben, habe Verteidiger und Torwart ausgeguckt und den Ball in die lange Ecke geknallt. Wir gewannen das Spiel mit 2:0 und die Fans hatten mich schließlich akzeptiert.

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Du hattest aber nicht nur erfolgreiche Zeiten bei Roter Stern.
Ja, das stimmt. Nachdem wir das Double gewonnen hatten, begann eine ziemliche Durststrecke, vielleicht die schlimmste, die dieser Verein jemals erlebt hat. Wir wurden von PSV in der CL-Quali ausgeschaltet und ein Jahr später dann von Zenit—und damals war Zenit noch kein großer Klub. Wir wechselten mehrfach den Trainer, dann trat auch noch unser Vorstandsvorsitzender Dragan Džajić zurück. Während dieser sehr schwierigen Zeit war ich Kapitän der Mannschaft. Und habe miterlebt, wie wir die Staatenunion aus Serbien und Montenegro sprengen sollten…

Was meinst du damit?
Wir hatten ein Spiel in Podgorica gegen Budućnost. Es fing schon vor dem Spiel schlecht an. Die Heim-Fans bewarfen unseren Bus mit Steinen, gefolgt von Tränengas und einer Massenaufruhr. Erst auf der Tribüne, dann auf dem Feld. Es herrschte das absolute Chaos. Irgendjemand hatte eindeutig die Anweisung gegeben, dass das Spiel nicht stattfinden sollte. Das sollte der Startschuss für die Auflösung der Staatenunion aus Serbien und Montenegro werden. Ich als Kapitän habe dann darauf gewartet, dass wir aufs Feld gerufen werden. Ich stand da in meinem Spieleroutfit, während alle um mich herum ihre Privatklamotten anhatten. Keiner rechnete damit, dass das Spiel angepfiffen werden würde, bis auf mich. Dann wurden wir doch aufs Feld gerufen. Schon nach wenigen Schritten schlug mir irgendjemand nasses Klopapier ins Gesicht und rannte weg. Die Polizisten sahen das, aber machten nichts. Ich lief trotzdem zum Mittelkreis weiter, wo mich der Schiedsrichter begrüßte und meinte: „Marko, ich glaube nicht, dass wir anpfeifen können". Er wartete darauf, dass ich ihm zustimme. Aber ich meinte nur: „Dieses Spiel kann angepfiffen werden, auch weil ich nicht will, dass Roter Stern eine Mitschuld an der Auflösung der Staatenunion trägt." Er starrte mich an, aber ich fuhr fort: „Wir sind spielbereit.". Herr Mugoša, der Vereinsboss von Budućnost, war beeindruckt von meiner Reaktion, vor allem weil er selber wollte, dass die Partie gespielt wird. Er garantierte für unsere Sicherheit, ich meinte aber zu ihm, er soll für nichts garantieren, was er nicht einhalten kann. Gespielt haben wir trotzdem—für Roter Stern. Wir schlugen unseren Gegner mit 3:1, und das mitten in Podgorica. Danach sind wir nach Belgrad zurückgefahren. Und wussten, dass wir die Auflösung aufschieben konnten. Und dass sich unser Verein nichts zuschulden hat kommen lassen.

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Das ist mal eine Geschichte. Und warum hast du Roter Stern dann überhaupt verlassen?
Sechs Monate vor Ablauf meines Vertrages habe ich einen Blankovertrag über vier Jahre unterschrieben. Das kannst du im Vereinsarchiv nachprüfen. Vier Jahre, null Euro. Das war mein Geschenk an Roter Stern als ihr Kapitän. Damit sie mich gewinnbringend weiterverkaufen konnten. Kurze Zeit darauf verlangte ich ein Treffen mit Vereinsboss Dragan Stojković. Ich schlug ihm vor, dass ich mit Roter Stern einen Vertrag auf Lebenszeit unterschreiben könnte. Damit ich dort bis zu meinem Karriereende spielen könnte. Stojković meinte, ich sei verrückt…

Naja, das klingt auch ein bisschen verrückt.
Ich meinte zu ihm, dass mir das egal sei. Ich wollte mein Leben lang für Roter Stern spielen, egal ob das nun bis 32, 34 oder 38 bedeuten würde. Aber ja, wie wir alle wissen, konnten wir uns nicht einigen. Dann klopfte Hertha BSC an…

Und in Berlin konntest du die Erwartungen dann endlich erfüllen.
Ja, das wissen mittlerweile fast alle. Zwei Tore in den ersten vier Spielen, dann viele Verletzungen und trotzdem kam ich in meiner ersten Saison bei Hertha auf 11 Tore. Im zweiten Jahr schoss ich dann 14. Dann kam Lucien Favre. Wir wurden zwar nur 11., aber dank der Fair-Play-Regelung bekamen wir dennoch einen Startplatz in der Europa League. In meinem letzten Jahr in Berlin wurden wir dann Vierter und haben lange um den Titel mitgespielt.

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Nach vier Jahren in Berlin hast du dann bei Ajax unterschrieben. Und zwar sehr spät, als das Transferfenster fast schon zu war. Warum hast du so lange gewartet?
Oh Mann, ich hatte damals so viele tolle Angebote vorliegen. Es waren zwar nicht die Top-15-Klubs in Europa, aber dafür so ziemlich alle anderen. Ich hatte aber im November 2008 mit AS Rom eine mündliche Absprache darüber getroffen, dass ich zur Roma wechseln würde, sollte ich bei Hertha nicht verlängern. Als ich dann wechseln sollte, hatte AS Rom schon drei Spieler von Real Madrid verpflichtet. Ich sollte die vierte große Neuverpflichtung werden. Doch der Deal wurde zwischenzeitlich abgeblasen. Ich hielt aber mein Wort und wartete. Und wartete und wartete, bis der 20. August gekommen war. Dann gab ich auf. Am selben Tag habe ich zwei Angebote aus der Premier League ausgeschlagen und bin stattdessen zu Ajax gegangen. Aber Mann, die Vereine, die ich ausgeschlagen habe. Klopp und Dortmund… Die Liste ist so lang.

Ein 30-jähriger Ausländer bei Ajax. Nicht direkt eine Ajax-typische Verpflichtung, oder?
Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Von den Fans, von denen ich sehr viel halte, von der Mannschaft, von den Verantwortlichen. Aber die Medien haben mich fertiggemacht. Sie hackten die ersten Monate nur auf mir herum. Bis zum ersten Klassieker der Saison, in dem wir Feyenoord mit 5:0 schlugen. Ich gab drei Vorlagen, traf einmal den Pfosten und einmal die Latte und wurde unter Standing Ovations in der 75. Minute ausgewechselt. Und wenn sich die Zuschauer in Amsterdam erheben, dann weißt du, dass du es geschafft hast. Im nächsten Spiel lagen wir gegen Arnhem mit 0:1 zurück, doch noch vor der Halbzeit drehte ich das Spiel mit zwei Toren und schoss nach der Pause noch ein drittes. Ab diesem Tag begannen unfassbar erfolgreiche sieben Monate für mich. Das war eine der schönsten Zeiten in meinem Leben. Wir schossen in der Saison 106 Tore, mehr als 100 Tore, das war zuvor nur zwei anderen Ajax-Mannschaften gelungen. Für mich war es ein großer Erfolg, Teil dieser Mannschaft zu sein. Ich fühlte mich von den Fans sehr wertgeschätzt. Und muss sagen, dass ich mich sehr geehrt gefühlt habe, als ich zur Trauerfeier von Johan Cruyff, dem besten Spieler in der Geschichte von Ajax, eingeladen wurde.

Und nach Ajax ging es für dich nach Griechenland. Wenn man so will, dann hat sich der Kreis geschlossen.
Dir wird mittlerweile klargeworden sein, dass ich nie dem Geld gefolgt bin. Ich habe einem großen russischen Verein abgesagt, als ich in Smederevo war, ich habe Malaga abgesagt und noch einigen anderen … Ich habe Fußball gespielt, weil ich es geliebt habe. Weil ich Fußball atme.

Nach Ajax hatte ich ein sehr gutes Angebot von Trabzonspor, was ich aber abgelehnt habe, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dort zu leben. Stattdessen bin ich zum ‚Roten Stern Griechenlands' gewechselt: Olympiacos. Gegen die hatte ich mal als 16- oder 17-Jähriger gespielt. Und wurde von deren Fans mit Münzen beworfen. Zehn Jahre später spielte ich dann mit Hertha in Piräus. Und nach dem Spiel habe ich mir gesagt: Wow, was für eine Atmosphäre. Warum verbringst du hier nicht die letzten Jahre deiner Karriere?

Bereust du irgendetwas? Wenn ich mir so dein Restaurant anschaue, sehe ich einen starken italienischen Einfluss. Kann es sein, dass du gerne mal in der Serie A gespielt hättest?
Vielleicht bereue ich die Tatsache, dass ich nicht bei der Roma unterschrieben habe. Andererseits wäre ich so nie bei Ajax oder Olympiacos gelandet. Man sollte eigentlich nichts bereuen, sondern stattdessen einfach nach vorne schauen. Die Vergangenheit können wir nicht ändern, unsere Zukunft schon.

Noch eine letzte Frage, Marko. Stimmt das Gerücht, dass du als junger Kerl mal in einer Talentshow mit dem Titel „Don't Stop Believing" aufgetreten bist?
Haha, nein, das ist totaler Schwachsinn. Aber selbst Marcel Brands, der PSV-Sportdirektor, stellte mir diese Frage. Er meinte: „Mensch Marko, du scheint ja sone Art Sänger zu sein?" Ich meinte nur, dass das typischer Internet-Bullshit ist. Trotzdem hat er Tränen gelacht. Ich möchte aber festhalten, dass ich tatsächlich kein schlechter Sänger bin. (lacht)


Nachdem ich mich von Marko Pantelić verabschiedet und auf den Nachhauseweg gemacht hatte, dachte ich mir, dass die Geschichte um den Song „Don't Stop Believin'" eigentlich gar nicht so verkehrt klingt. Welcher normale Mensch beendet mit Anfang 20 seine Karriere, spielt zwei Jahre fast keinen Fußball und kommt dann doch noch zurück? Aber nicht irgendwie, sondern so gut, dass er in der Bundesliga, bei Ajax und in der Nationalmannschaft spielen konnte? Das konnte doch tatsächlich nur jemand sein, der nie aufgehört hatte zu glauben.

Das Interview erschien zuerst bei VICE Serbia