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disziplinarmaßnahme

Laufen als Strafe ist absoluter Quatsch

Wenn einer Scheiße baut, müssen alle laufen. Strafrunden sind im Training keine Seltenheit. Doch es gibt gute Argumente, warum man diese einfallslose Disziplinarmaßnahme abschaffen sollte.
Foto: imago/Chai v.d Laage

Als Nate O´Reilly in Ohio aufwuchs, liebte er Sportarten wie Football, Basketball oder Baseball. Doch bis heute kann er sich noch genau an die rauen Anweisungen seiner Trainer und Sportlehrer erinnern, die ihn und seine Mitschüler dazu aufforderten, Strafrunden zu laufen, wenn sich mal wieder jemand daneben benommen hatte.

Trotz dieser Strafrunden entwickelte O´Reilly die Liebe für den Laufsport, nachdem er sich mit einigen seiner Verwandten bei kurzen Rennen angemeldet hatte. Letzten Endes wurde er dann selbst zu einem Marathonläufer.

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Heute ist der 37-jährige Sportlehrer an einer Schule in Manhattans Upper West Side und hat sich fest vorgenommen, sein Trauma, das sich damals in Verbindung mit dem Laufen entwickelt hatte, nicht an seine Schüler weiterzugeben.

„Für einen Trainer ist es einfach zu sagen 'los, geh laufen', doch dieses Mittel als eine Strafmaßnahme zu verwenden ist ziemlich einfallslos", erzählt er. „Es ist sehr schade, dass das Laufen für Jugendliche dadurch mit einem negativen Stigma behaftet ist."

Doch genau das versucht eine neue Welle von Trainern und Sportlehrern nun zu verändern. Sie wollen die Rolle, die Laufen im Leben von Schülern spielen kann, zu etwas positiven werden lassen, anstatt es zu etwas zu machen, das das athletische Equivalent dazu ist, mit einem Rohrstock geschlagen zu werden.

Der Sportunterricht und Sport im Jugendbereich hat sich über das letzte halbe Jahrhundert ziemlich weiterentwickelt. Es ist ziemlich unklar, wann dieser Wandel stattgefunden hat. Und auch wann Strafrunden zu einer disziplinarischen Patentlösung von Trainern und Sportlehrern geworden sind.

Allerdings zeigen Studien, dass diese Methode als eine solche völlig ungeeignet ist. Vielmehr kann es Jugendliche generell davon abbringen, sich sportlich zu betätigen. In Extremfällen kann das Laufen als Bestrafung sogar zu einer Überlastung der jungen Sportler führen und sie am Tag eines Wettkampfes nicht 100 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit abrufen lassen.

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In manchen Bundesstaaten der USA wird diese Methode sogar aufgrund der körperlichen Züchtigung als illegal angesehen. Diese genauere Prüfung der Disziplinierung durch Strafläufe hat nun auch weitere Schulen vorsichtiger werden lassen. Ein Beispiel dafür ist der Football-Trainer einer Highschool in Iowa, der sich 2012 massiver Kritik ausgesetzt sah, als er Strafläufe in übertriebener Weise verwendete, um seine Spieler zu disziplinieren. Ein weiterer Fall findet sich bei dem Athletik-Trainer der Tulane Universität. Auch er wurde Anfang des Jahres angeblich aus ähnlichen Gründen gefeuert.

Eine Gruppe aus Sportwissenschaftlern und Mitgliedern der National Alliance for Youth-Sports, die ein aus Florida stammende Non-Profit-Organisation für Trainer und Freiwillige sind, veröffentlichte 2009 eine Stellungnahme, in der es heißt, dass strafbedingtes Laufen verboten werden sollte. Laufen sei eine „gesunde Beschäftigung, die mit Spaß verbunden werden sollte". Weiter heißt es, dass wenn ein Kind dazu gezwungen werde, Strafrunden zu laufen, könnte es vorkommen, dass es sich aus Angst vor weiteren Maßnahmen über ihr eigentliches Fitness-Level verausgaben könnte.

Seit den frühen 1980ern bezieht die Organisation diese Philosophie mit in ihre Trainingsmaterialien ein. „Wir versuchen die Menschen umzuerziehen", sagt John Engh, Leiter der NAYS. „Die Assoziation von sportlicher Aktivität mit Bestrafung ist für Jugendliche sehr kontraproduktiv. Wir wollen sagen können, dass Sport toll ist. Als Wrestler kann ich nur bestätigen, dass auch ich das Laufen von Strafrunden gehasst habe. Ich hasse es bis heute noch. Laufen war für mich immer eine Art von Bestrafung."

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Laufen und disziplinarische Maßnahmen sollten zwei klar getrennte Dinge sein, sagt Engh. Wenn man es richtig anstellt, kann laufen auch therapeutisch, meditativ und sehr gesund sein. Aber auch eine sehr gute Lehrmethode um sich Ziele zu setzen.

Das mache das derzeitige Stigma, das Laufen noch immer mit sich trägt um so frustrierender, findet Nicoletta Nerangis, Gründerin von Run4Fun aus New York. Dieses Stigma ist teilweise dem immer größer werdenden Wettbewerbsgedanken im Jugendsport zu verschulden, erzählt Nerangis. Momentan arbeitet sie mit circa 200 jungen Läufern im alter zwischen 4 und 18 Jahren in nach der Schule stattfindenden Lauf-Programmen. Oft höre die Bedenken von Eltern, die sich über die Lauf-Technik und die Wettbewerbs-Eifer ihrer Kinder äußern.

„Sie sind besorgt, dass wir ihre Kinder nicht in unser Programm aufnehmen würden, weil sie nicht genug Erfahrung hätten. Doch unser Ansatz ist genau das Gegenteil. Wir wollen Kinder vom Laufen begeistern und wollen die Liebe und Passion für den Sport für den Rest ihres Lebens fördern."

Wenn man ihren elterlichen Ehrgeiz mal beiseite legt, schafft es Nerangis das Konkurrenzverhalten zwischen Kindern zu verändern und dieses Verhalten in Dinge wie das Stecken von Zielen zu transformieren. „Klar, es ist eine Herausforderung die Einheiten immer wieder so zu gestalten, dass sie Spaß machen und nicht nur zu sagen 'ich muss gute Läufer produzieren, die in der Lage sind Stipendien für eine Universität zu bekommen', erzählt sie. „Wenn die Jugendlichen diese Stipendien angeboten bekommen finde ich es natürlich gut, ich finde es sogar fantastisch, aber es ist nicht unsere alleinige Absicht."

Nate O´Reilly verbindet Laufen in seiner Schule unterdes mit Musik, Spielen und Programmen, die dafür entwickelt sind, sich persönliche Ziele zu stecken und einen gesunden Ehrgeiz zu entwickeln. Er sagt, er wäre überrascht gewesen, als er während einer Pause feststellen konnte, dass ein paar seiner Schüler sich regelmäßig auf die Laufbahn begaben. Und in dieser Zeit hätten sie eigentlich die unterschiedlichsten Dinge machen können.

Und auch in Elterngesprächen wurde er regelmäßig mit der Verblüffung der Eltern konfrontiert, nachdem sie festgestellt hatten, wie ihre Kinder von den positiven und freudigen Erlebnissen vom Laufen während ihrer Sportstunden berichteten.

„Die Eltern sagen 'Ich bin kein Leistungssportler und ich hatte keinen Schimmer davon, dass mein Sohn oder meine Tochter so einen Gefallen am Laufen finden würde", erzählt O´Reilly. „Schon von einem frühen Alter bekommen die Kids eine ganz andere Einstellung zum Laufen."