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Bochumer über Bayern: „Die Fanfreundschaft wird in Bochum sehr zwiespältig gesehen"

Vor dem Pokalspiel zwischen Bochum und Bayern erzählen zwei Anhänger über die Fanfreundschaft beider Klubs. Autor und VfL-Fan Ben Redelings spricht über die rührende Entstehungsgeschichte, den Bruch in Düsseldorf und den Unsinn von Fanfreundschaften.
Foto: Imago

Wenn am heutigen Abend der VfL Bochum gegen den FC Bayern München spielt, ist alles ein bisschen anders. Das Pokalspiel ist nicht nur ein Treffen der grauen Maus aus dem Ruhrpott mit dem millionenschweren Rekordmeister—sondern auch eines von befreundeten Fanszenen. Seit den frühen 70ern pflegen die Fans aus Bochum und München die wohl längste und auch speziellste Fanfreundschaft in Deutschland.

Teil 2: Bayer über Bochumer: „Die Schickeria war auch auf dem Zeltplatz und es entwickelte sich eine Freundschaft"

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VICE Sports sprach in einer zweiteiligen Serie mit dem VFL-Fan und Autor Ben Redelings und einem langjährigen Münchner Ultra über die besondere Beziehung beider Fanszenen. Im ersten Teil spricht der Bochumer Autor Ben Redelings über die rührende Entstehungsgeschichte im Jahr 1973, Beziehungsstress Ende der 90er in der Düsseldorfer Altstadt und den Unsinn von Fanfreundschaften.

VICE Sports: Wollen heute Abend in Bochum rot- und blaugekleidete Fans ein Unentschieden gegen den besten Freund erzwingen?
Ben Redelings: Bitte? Das wäre ja noch schöner! Aber es ist schon interessant zu sehen, dass offensichtlich die Fanfreundschaft unserer beiden Vereine die Gemüter in Fußball-Deutschland hochkochen lässt. Dabei ist das eigentlich so eine Sache. Die Fanfreundschaft wird in Bochum durchaus sehr zwiespältig gesehen. Wenn man jemanden auf der Straße darauf anspräche, würde ich eine 50/50-Chance vermuten, ob die einer geil findet oder eben nicht. Ist nicht richtig ausdiskutiert das Thema innerhalb der Fanschaft. Muss aber auch nicht.

Diese Fanfreundschaft wird aber nach wie vor gelebt, oder?
Seit 1997 war sie eigentlich gefühlt vorbei. Ich erinnere mich da persönlich an eine Geschichte, als die Bayern in Gladbach die Meisterschaft bekamen und wir in Leverkusen den Einzug in den UEFA-Cup feierten. Anschließend hat man sich dann noch verabredet und in der Düsseldorfer Altstadt getroffen. Ich erinnere mich daran, dass es im Laufe des Abends größere Auseinandersetzungen gab. Warum, weiß ich nicht mehr. Aber seitdem ist das Ding immer weiter eingeschlafen. Wiewohl es sicherlich hier und da im Stillen noch weitergelebt wurde.

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Neuerdings sieht man aber wieder rote Schals im Block, wenn der VfL etwa im Süden ein Auswärtsspiel hat…
Vor ein paar Jahren ist die Freundschaft wieder durch die verschiedenen Ultraszenen neu ins Leben gerufen worden. Die leben das auch sehr intensiv aus. Wenn wir etwa bei 1860 oder so spielen, sind viele Bayern-Fans da. Neulich stand da ja auch mal was Negatives in der Presse, als offenbar Bayern- und Bochum-Sympathisanten gemeinsam Schalker angegriffen haben sollen. Hat man aber auch mehr aus der Presse erfahren als in der Kurve selbst. Was man aber allgemein sagen kann: Diese neue Freundschaft ist nicht unbedingt in der gesamten Bochumer Fanszene verwurzelt.

Ben Redelings ist VfL-Fan durch und durch und schreibt seit Jahren Bücher über den Fußball (Foto: Sascha Kreklau)

Haben die Vereine die Freundschaft befeuert?
Nicht wirklich, aber der VfL hat mal einen Fanschal aufleben lassen. Die Bayern haben mal nach einem Pokalfinale Herbert Grönemeyer und Bochumer Urgestein Hermann Gerland gemeinsam abgelichtet und relativ prominent auf ihrer Website platziert. Herbert erklärte da etwas von einer innigen Fanfreudschaft beider Vereine—aber ganz so nah dran ist er am VfL ja auch nicht mehr. (lacht)

Wie ist die ursprüngliche Fanfreundschaft überhaupt entstanden?
Die Entstehungsgeschichte ist tatsächlich ganz rührig. Nach dem Spiel der Bayern in Bochum im Jahr 1973 sind einige Bayern-Fans die Castroper Straße vom Stadion zum Bahnhof heruntergelaufen und wurden von VfL-Fans attackiert. Die Bochumer Jungen, der älteste Fanclub in Deutschland, waren damals in der Vereinsgaststätte Haus Frein direkt am Stadion und haben den Bayern-Fans Zuflucht gewährt. Die hatten keinen Bock, dass Fans verprügelt werden, und haben sich gegen die eigenen Fans gestellt. Dadurch ist dann etwas entstanden, was die Bochumer Jungen lange pflegten und lebten.

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Wie wurde diese Freundschaft ausgelebt?
Ich erinnere mich da an Begegnungen, als Wattenscheid noch in der ersten Liga spielte. Da war es für viele Bochumer selbstverständlich, dass man mit den Bayern in einer Kurve stand. Wobei das damals schon strittig war und viele VfLer dann auch bewusst in die Wattenscheider Kurve gegangen sind. Ich stand selber dort. Das war nie so ein eindeutiges Ding und ist es bis heute nicht.

Was hälst du persönlich davon?
Ich halte allgemein von Fanfreundschaften nichts. Wenigstens auf nationaler Ebene. Das ist doch im Grunde widernatürlich. Wir leben doch gerade von der gesunden Rivalität und den Sticheleien. Mir ist es immer nur wichtig, dass ich vor und nach dem Spiel mit den Fans aller Vereine ein Bierchen trinken kann. Aber dafür brauche ich keine Fanfreundschaft!

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Kann man heute überhaupt eine hitzige Stimmung im Pokalspiel der Intimfreunde Bochum und Bayern erwarten?
Lustigerweise wurde das mal von VfLern kritisiert, dass in den letzten Duellen von Bochumer Seite eine Art Schmusekurs gefahren wurde. Die Bayern-Fans haben aber ganz normal ihre Fan- und auch Schmähgesänge gegen den VfL abgespult. Bei uns in der Kurve erklang eher der devote Leiergesang „Bayern und der VfL". Mich hat das irritiert und enttäuscht, dass man auch für diese 90 Minuten offensichtlich keine Rivalität empfinden konnte. Ich hoffe, heute ist das anders. Heute ist Pokal. Vollgas. Egal gegen wen. Wer Bock hat, sich vorher und nachher über das gewohnte Maß hinaus zu liebkosen—bitte. Mir wäre allerdings lieber, wenn uns nach der Partie die Rot-Weißen mit dem Arsch nicht mehr angucken wollten! (lacht)

Das Interview führte Benedikt Niessen, folgt ihm bei Twitter: @BeneNie