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The Spoooooooooooooky Issue

Virgen Blood

K. K. Barrett ist einer der weltweit einflussreichsten Szenenbildner und verantwortlich für Filme wie Being John Malkovich, Wo die wilden Kerle wohnen und Karen O's neue „Psycho Opera".

Foto Illustration von K.K. Barrett und Asger Carlsen Als einer der weltweit einflussreichsten Szenenbildner für Filmproduktionen ist K. K. Barrett verantwortlich für das Gesamtbild und die Stimmung von Filmen wie Being John Malkovich, Lost in Translation, I Heart Huckabees und Wo die wilden Kerle wohnen. Seit etwa fünf Jahren arbeiten K. K. und Karen O an einem Projekt mit dem Titel Stop the Virgens. Ursprünglich sollten dabei Videos für eine Serie entsprechender Songs entstehen, diese nahmen schließlich die Gestalt der „Psycho Opera“ an. Das Projekt inspirierte auch die Gestaltung dieses Titelblatts (die zombimäßigen Frauen, die aus Karen O’s durchtrenntem Hals herauskriechen, sind die „Virgens“). Diese Art von Inszenierung kann nur verstehen, wer sie persönlich erlebt hat. Wir haben daher K. K. gebeten, sie uns so gut wie möglich zu erklären. Das hat er, wie wir finden, gut hinbekommen. VICE: Stop the Virgens wurde über Jahre entwickelt und hat verschiedene Umsetzungen durchlaufen. Was war die ursprüngliche Idee?
K. K. Barrett: Karen wollte ursprünglich einzelne kurze Filme für eine Serie von Songs, die sie geschrieben hatte, produzieren. Sie hatte einige sehr prominente kreative Regisseure an der Hand, mit denen sie zusammenarbeiten wollte, und ich denke, wir waren dabei, das Projekt auf den Weg zu bringen. Derweil schrieb ich einen Haufen Kurzgeschichten, nicht länger als eine Seite, Gedanken und kleine Great-Escape-Texte. Mit Bezug zu ihren Liedern?
Nein, das waren eigenständige Sachen. Ich habe sie ihr nur eines Tages gezeigt und da sagte sie: „Warum schreibst du nicht das Drehbuch für unser Projekt?“ Du kanntest bis dahin die Musik gar nicht?
Karen hatte sie ein paar Mal für mich gespielt und sie stand mir auch zur Verfügung. Ungefähr sechs Monate lang schrieb ich an dem Drehbuch, während ich noch mit anderen Dingen beschäftigt und sie unterwegs war. Das war schwer, ich schrieb an dem Drehbuch und dann musste ich es mit dem Lied zusammenführen und wollte keine Unterbrechung zwischen den Liedern, denn dann hätte ich eher ein Musikvideo oder eine Art Schablone in einem Strom von Motiven gehabt. So versuchte ich, eine Erzählstruktur zu entwickeln. Wir lernten in diesem Prozess, dass das keine Erzählstruktur sein dürfte, die von der Rezeption der Lieder ablenken würde. Man will ja keinen Sprech-Gesang hören. Wann kam der Wandel von einem videozentrierten Projekt zu etwas, das mehr dem Theater oder einem Musical ähnelte?
Wir spielten mit dem Begriff der Oper, wollten unser Projekt aber nicht so nennen, weil wir keine Assoziationen mit der Rockoper wecken wollten. Und da wir Erfahrung mit der Presse hatten, wussten wir, dass du denen entweder ein Schlagwort anbieten oder sagen musst, was sie denken sollen. Damit kommen sie klar: „Aha, darum geht es.“ Ich las einen Artikel in der Times über den Unterschied zwischen einem Musical und einer Oper und schickte ihn Karen. Die Oper ist nach dieser Definition mehr durch die Emotionalität der musikalischen Darbietung gekennzeichnet als durch die Stimme oder die Melodie der Musik. Es war also die reinere Form, dachten wir. Und so kamen wir zu dem Schluss: „OK, wir werden es Oper nennen.“ Aber die Leute sprachen dann irrtümlicherweise doch von Rockoper. Schließlich dachten wir uns die Bezeichnung „Psycho Opera“ aus und wir wussten, dass es das war. Die Lieder schreiben also das Drehbuch. Das klingt für mich nach Oper.
Die Alternative war ein Liederzyklus, aber wir wollten keine Begrenzungen am Ende eines Liedes, dann eine ganz neue Idee, dann ein anderes Lied, das wieder zu einem anderen Motiv überleitet. Wir wollten einen kontinuierlichen Fluss und entschlossen uns, visuelle Einlagen einzusetzen, keine Montagen, die die Geschichte visuell vorantreiben, ohne Dialoge. Das Lied hatte die Kraft, die normalerweise Menschen in ihrer Interaktion und ihren Dialogen entfalten. Wir begriffen das nicht, bis Karen sich damit auseinandersetzte. Sie nahm ein paar Sachen heraus, Charaktere und Mythologie. Aber sie stellte fest, dass sie keine anderen Worte in dem Stück haben wollte außer ihren Liedtexten. Das war natürlich ein Durchbruch. Viele Filme der 60er, zum Beispiel von Kenneth Anger und Stan Brakhage, waren visuelle Dichtungen, die die Musik ergänzten, ohne von ihr abzulenken. Die Virgens sind ein Teil der Mythologie, die du erwähnt hast. Wo kommen sie her?
Eine meiner kleinen Geschichten handelt von Zwillingen, die einander nicht ähnlich sehen. Sie springen herum, reisen zu allen möglichen Orten, leben auf dem Mond und werden in Österreich zu Zwillingen getraut. Es ist im Grunde eine Zeitreise durch ein Leben. Bestimmte abstrakte Bestandteile dieser Geschichte schlugen sich auch in unserem Vorgehen nieder. Karen und ich setzten uns zusammen und diskutierten darüber, was wir taten, Lied für Lied, und wir verfilmten das. Sie analysierte das nicht einmal, sie ließ sich von dem Prinzip leiten „Das ist, was ich sehe.“ Wir dachten uns Sachen aus wie zum Beispiel diese beiden Mädchen auf dem Rücksitz eines Cabrios, die dann im Schlaf über der Straße zu schweben beginnen, während sie die Straße hinunterfahren. Das ist alles in dem Drehbuch; das ist, was sie mir erzählt hat. Es gibt einen Moment, in dem sie aufwachen und begreifen, dass sie da oben schweben und dann fallen sie zurück auf die Erde. Wir nahmen diese beiden Mädchen und fingen an, daraus eine Geschichte zu spinnen. Ein anderer wichtiger Aspekt dieser Aufführung liegt darin, dass ihr die Leute zu euch kommen lasst—zumindest am Anfang—anstatt auf Tournee zu gehen.
Wir fingen an über Möglichkeiten einer Aufführung zu sprechen, die an einem Ort stattfindet, wo du für eine Woche bleiben kannst. Es kam natürlich das Modell des Theaters ins Gespräch. Das Ensemble geht an einen Ort und die Leute kommen Abend für Abend. Dann packt es seine Sachen und zieht weiter zum nächsten Ort. Das ist immer noch eine Tournee, aber eine humanere Art von Tournee. Kommen wir noch einmal auf die Frage zurück, wie dein Engagement in dem Projekt anfing. Ich wusste, dass du mit Karen befreundet warst, aber ich weiß nicht genau, wie eure Zusammenarbeit in dem Projekt anfing.
Ich traf sie durch Spike [Jonze] nach einer Show im Greek Theatre in Los Angeles, wo die [the Yeah Yeah Yeahs] mit einem Supportgig für die White Stripes auftraten. Das war also zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihrer Karriere. Ich traf eine Menge Regisseure an der Seite von Karen. Und noch einmal, ich unterstütze sie bei der Reise, aber es ist immer noch ihre Reise, zum größten Teil zumindest. Es ist ihr Baby. Aber ich war da, um zu sagen: „Was machen wir jetzt?“ und die Dinge am Laufen zu halten. Es war irgendwie verblüffend zu sehen, wie Mark [Subias, Produktionsleiter] den Ball annahm, als wir Adam [Rapp, Regisseur] auswählten. Ich wusste nicht, dass er auch Produzent war, beziehungsweise eher eine Art Maschine. Ich wusste auch nicht, dass er eine Maschine ist. Ich dachte, er ist Adams Manager und weiter nichts.
Er hatte bereits die Denkweise, die auch uns bestimmte: „Oh, so etwas hat Adam noch nie gemacht.“ Es ist nicht narrativ gesteuert durch Worte, insbesondere nicht durch Worte, die er selbst geschrieben hat. Damit ziehst du dem Typen die Beine weg, weißt du? Er ist es gewöhnt, alles selbst zu kontrollieren.
Ja, und auch Wörter rauszunehmen. OK, hier ist etwas, das ich dich bitte zu inszenieren, das du nicht geschrieben hast, und tatsächlich sind da keine Worte. Mit Ausnahme von ein paar Worten zur Orientierung und die werden nicht anders ausgesprochen als in ihrem natürlichen Ausdruck im Lied. Und hier ist die abstrakte Kunst, was passiert und in welche Richtung es geht. Und dann sagt der Manager vielleicht: „Das ist etwas, was du tun solltest.“ Oder Adam hätte sagen können: „Das ist etwas, was ich tun möchte“ oder „Ich weiß nicht, was wir mit dem Zeug hier machen sollen.“ Und Mark sagt: „Ja, das ist großartig!“ Nachdem ihr fünf oder sechs Jahre über eurem Projekt gebrütet oder auch einfach abgewartet habt, denke ich, euch stehen tolle Leute zur Seite und ihr könnt darauf setzen, dass—
Die Dinge passieren, wenn sie reif sind dazu. Das habe ich in der Welt des Theaters gelernt. Diese Leute bewegen etwas. In der Filmwelt passiert nichts nach Plan. Und dann triffst du diese Typen vom Theater, die dir vermitteln: „Wir könnten das einfach mal machen. Wir haben einen Raum und bekommen Geld. Alles was wir brauchen, sind ein paar Leute.“ Es wäre spannend, wenn diese Energie der Theaterwelt einmal auf die Filmemacher übergehen würde, aber das dürfte eher selten der Fall sein.
Tatsächlich bietet das Theater bessere Möglichkeiten, Low-Budget-Projekte umzusetzen, weil es in einem System funktioniert, das nicht so schwerfällig ist wie das Filmemachen. Und außerdem sind sie besessen von ihren Proben und das ist toll, denn es führt zu einer Disziplin, die du brauchst, wenn du etwas live aufführen möchtest, wenn da ein Publikum direkt vor dir ist und du es anfassen kannst. Du kommst nicht durch nachträgliche Bearbeitungen raus aus dieser Situation.
Genau das wollte ich gerade sagen. Im Film wird nicht so viel geprobt, weil es immer die Möglichkeit gibt, einzelne Momente auszuwählen und zu einem Ganzen zusammenzufügen. Das ist den Schauspielern gegenüber unfair, weil sie ihre Rolle wirklichkeitsnah und in Echtzeit darbieten wollen. Ihr Spiel wird aber auseinandergepflückt und dann entschieden, hier bist du gut, da bist du gut und dort bist du gut. Das Ergebnis ist eine Art Frankenstein ihres Spiels. Hat das nicht die Schauspielkunst zerstört? Vielleicht haben wir aus diesem Grund heute Schauspieler, die alle wie Vollidioten rüberkommen?
Die Zeiten der Serien a là Playhouse 90s, als eine Live-Aufführung eines Theaterstückes von Anfang bis zum Schluss gefilmt wurde, sind vorbei. Wenn du da auf der Bühne warst, gab es kein Zurück bis zum Ende des Spiels. Aber ich denke, die Schauspieler haben durch diese Veränderungen auch gelernt, sie haben gelernt, dir verschiedene Varianten anzubieten. Lass es mich noch einmal spielen, lass mich dies versuchen oder das tun. Es hat also die Schauspielkunst nicht zerstört, sondern sie auf neue Wege geschickt. Dass jemand es hinbekommt, alle diese kleinen Teile zusammenzufügen, ist genauso beeindruckend. Das Titelbild, das du für uns gemacht hast, ist nicht direkt einer Szene aus Stop the Virgens entnommen, sondern nur von dieser Geschichte inspiriert. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Ich habe einen sehr guten Freund in L.A. aus Marks kleiner Familie. Sunny [Gerasimowicz, künstlerischer Leiter] ist mein erster Ansprechpartner, wenn es darum geht, etwas zu visualisieren. Als wir das Titelblatt planten, hatten Karen und ich ein paar Ideen und wir skizzierten sie. Sunny ist einfallsreich genug, eine Idee einfach zu nehmen und mit ihr weiterzuarbeiten: „Lass mich einfach ein bisschen spielen mit ihr, lass mich aufnehmen, was du gesagt hast. Ich bin kein Werkzeug, das wortgetreu umsetzt, was du gesagt hast, ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, was du meinst, und ich werde auch mit ein paar anderen Ideen spielen.“ Karen und ich hatten verschiedene Ideen, bei denen sie auf einer Seite zu sehen war und nach dem Umblättern des Covers auf eine bestimmte Art aufklappte. Aber dann kam Sunny mit seinem Einfall: „Schneide den Hals durch, öffne ihn, und dann kriechen sie das raus.“