Ich habe "natürliches" Koks probiert und hatte die schlimmste Nacht meines Lebens

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Thump

Ich habe "natürliches" Koks probiert und hatte die schlimmste Nacht meines Lebens

Im Internet gibt es viele Präparate, die einen legalen Rausch versprechen, aber funktionieren sie auch?

Nie zuvor habe ich in die verstopfte Toilette eines Clubs gestarrt und mich gefragt, ob ich in meinem Leben jemals wieder glücklich sein würde. Während andere Frauen die üblichen Toilettenrituale absolvierten—Lippenstift nachziehen, Selfies machen—, schaute ich in einer brauntrüben Kristallkugel in meine Zukunft. Betend, dass die widerhallende Bassline von Hunter Siegls Set die Geräusche übertönen würde, fing ich zu weinen an—ok, ich versuchte es zumindest. Außer ein paar forcierten Schluchzern wollte jedoch nichts rauskommen. Dann fragte ich mich: Habe ich gerade wirklich einen Panikattacke oder spielt mir das "Herbal Cocaine", das ich vorhin genommen hatte, einen Streich?

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Ein paar Wochen zuvor war ich auf die Website GreenPartyPills.com gestoßen. Die grauenvoll aufgemachte, hellgrüne Seite warb damit, legale Drogen auf Pflanzenbasis zu verkaufen. Für etwa 25 US-Dollar die Dose wurden dort eher semisubtil benannte Produkte wie "XTZ", "Coke-N" oder "Xplode" angeboten, bei denen es sich laut Beschreibung um die Äquivalente zu Ecstasy, Kokain und Amphetamin handelte.

Die XTZ-Pillen enthalten 125 mg Koffein (zum Vergleich: eine Tasse Kaffee hat 95 mg), eine Dosis Aminosäuren und das B6-Äquivalent von 30 Bananen (B6 soll angeblich deine Laune heben, was man über das Essen von 30 Bananen jetzt nicht gerade sagen kann).

Soweit also eigentlich nichts wirklich Ungewöhnliches. Einen Ticken exotischer wurde es dann mit Passionsblume (hilft angeblich gegen Angst) und der beliebten Energydrink-Zutat Guarana. Wirklich spannend war nur die Hawaiianische Holzrose: eine Pflanze, die über halluzinogene und aphrodisierende Eigenschaftenverfügt.

So wirklich überzeugt war ich aber immer noch nicht, also warf ich einen Blick auf die Erfahrungsberichte, die auf der Seite zu lesen waren. Ein Typ namens Carlos hatte dort eine begeisterte Review hinterlassen: "Wow!! Cok-N hat die Partyszene wirklich im Sturm erobert. Das Zeug ist zu einem Must-Have für alle Feierfreunde geworden und ohne Zweifel die beliebteste Partypille in den Clubs von L.A."

Cok-N haut dir alle Sicherungen raus und strafft deine Kiefermuskeln,…

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Howard aus Kalifornien schrieb wiederum: "Cok-N haut dir alle Sicherungen raus und strafft deine Kiefermuskeln; dir stehen alle Haare zu Berge, so dass du deine Füßen nicht vom Dancefloor wegbekommst."

Howard, was geht bei dir? Das klingt absolut grauenvoll.

Obwohl mir diese Erlebnisberichte leicht suspekt erschienen und der ganze Laden einen selbst für Internetverhältnisse wenig vertrauenserweckenden Eindruck machte, war ich immer noch neugierig.

Ich hatte das zwingende Bedürfnis, etwas auszuprobieren, was mich während des Rauschs nicht unsicher oder beschämt fühlen lassen würde. Meinen geschundenen Körper nach einer durchravten Nacht zur Arbeit zu schleppen, war einfach unerträglich geworden. Alles, was ich montags spürte, waren Depressionen und eine allgemeine Unzulänglichkeit. Ich arbeitete Teilzeit als Kassiererin in einem Bioladen, hatte ein Universitätsdiplom in der Tasche und lebe noch bei meinen Eltern. Andere Menschen aus meinem Umfeld hatten mittlerweile echte Berufskarrieren begonnen und reisten durch die Weltgeschichte. Ich hatte das drückende Gefühl, es einfach nicht verdient zu haben, jedes Wochenende durchzufeiern, wenn ich die Woche über nichts Vernünftiges auf die Beine stellen konnte.

Aber hey, scheiß drauf, sagte ich mir und bestellte drei Produkte: XTZ, Cok-N und Xplode. Ein paar Wochen später traf ein mitgenommenes Paket aus Indien bei mir ein. Der Inhalt: eine einzige Dose Cok-N. Sofort rief ich den Kundenservice der Seite an, aber ich konnte der Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung kaum vermitteln, was eigentlich passiert war. Ich spielte die Rolle, der verwöhnten Westlerin, die sich wegen irgendeinem überflüssigen Firlefanz beschwerte, der nicht angekommen war, während die Frau am anderen Ende der Leitung die wenig überzeugende Darstellung einer zutiefst betroffenen Mitarbeiterin gab, die mir versicherte, dass der Rest meiner Bestellung in zehn Werktagen bei mir eintreffen würde.

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Der Rest sollte allerdings nie bei mir ankommen, also gab es nur mich und mein Cok-N.

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So sauer ich auch darüber war, den dreifachen Preis für eine Packung dieses Internet-Mülls bezahlt zu haben, entschied ich mich doch dagegen, das Zeug einfach wegzuwerfen. Stattdessen nahm ich an einem Freitagabend zwei Tabletten, bevor ich mich auf den Weg in Torontos Innenstadt machte. Ich hatte zwei Freunden von meinem kleinen Experiment erzählt, aber keiner von ihnen schien wirklich besorgt zu sein. Viel mehr waren sie neugierig darauf, wie ich auf das Zeug reagieren würde.

Wir kamen schließlich beim Club an, um uns Hunter Siegel anzuschauen. Von Alkohol hielt ich mich fern, um die unverfälschte Wirkung der Pillen erfahren zu können. Etwa zwei Stunden, nachdem ich das Zeug geschluckt hatte, wuchs in meinem Bauch ein Angstgefühl heran. Plötzlich wurde die Musik zusammen mit allen anderen, inklusive meinen Freunden, zu bloßem Hintergrundrauschen.

Ich hatte eine Menge Energie in mir, aber keine Möglichkeit, sie rauszulassen.

Ich hatte eine Menge Energie in mir, aber keine Möglichkeit, sie rauszulassen. Tanzen war nicht drin und der Club war zu klein, um einfach laut zu schreien, ohne die Blicke aller anderen Gäste auf sich zu ziehen.

Meine Freunde schienen von all dem nichts mitzubekommen oder dachten vielleicht, dass ich einfach nüchtern und gelangweilt war. Mir war übel, aber ich versicherte ihnen, dass es überhaupt kein Problem sein würde, alleine aufs Klo zu gehen. Das war dann der Punkt, an dem ich in der dreckigen Kloschüssel in meine Zukunft blickte.

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Ich atmete ein paar Mal tief ein und obwohl ich tierische Kopfschmerzen hatte, konnte ich das Frauenklo wieder verlassen, ohne mir meine Augen aus den Höhlen drücken zu wollen. Eine Sache war jedoch genau wie bei echtem Kokain: Der Rausch war unglaublich kurz. Ich muss aber sagen, dass ich richtig froh darüber war.

Was kann ich hier also sagen, was nicht sowieso schon jeder, mir inklusive, weiß? Finger weg von Drogen? Kauft nichts in fragwürdigen Online-Shops?

Was ich allerdings sagen kann, ist dass sich seitdem meinen Job als Kassiererin gekündigt habe und mich nur noch auf Dinge konzentriere, die mir wichtig sind. Was Drogen angeht, nehme ich das nächste Mal vielleicht einfach eine Multivitamin-Tablette.

Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.

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