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Zombies, Kettensägen und Panikattacken—eine Nacht mit 'The Evil Within'

Licht aus, Konsole an und die Baldriantropfen in Reichweite. Dieses Horrorspiel ist ein gamegewordener Albtraum.

Hektisches Atmen kommt aus den Boxen meines Fernsehers—und meinem Mund. Meine Nerven sind gespannt wie Drahtseile. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass jemand hinter meinem Wohnzimmersessel steht. Durch einen schmalen Spalt beobachte ich ein blutüberströmtes Wesen, das mehr Monster ist als Mann und laut schnaubend seine Runden zieht.

Er hat meine Fährte aufgenommen. Er ahnt, wo ich mich vor ihm versteckt habe, nur eine schmale metallene Spindtür trennt mich vom sicheren Tod. Ich glaube wirklich, dass der Schrank als Bastion der Sicherheit und lebensrettendes Element im Horror-Genre schmerzhaft unterrepräsentiert ist.

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Vor ein paar Stunden noch habe ich freudig erregt meine Sachen zusammengepackt, den Arbeitsrechner ausgeschaltet und bin—ausgestattet mit zwei Flaschen Weißwein—nach Hause gepilgert. Ich wollte The Evil Within, den neuesten Videospiel gewordenen Albtraum aus dem Hause Bethesda spielen. Alleine und im Dunkeln, so zumindest der Plan. Obwohl meine Historie mit Horrorspielen eine durchaus schwierige ist und mein Adrenalinlevel beim Zocken auch ohne Jumpscares, verzerrte, körperlose Stimmen und sich immer wieder neu materialisierende Blutlachen nahezu Crank-eske Höhen erreicht, hielt ich das in der Tat für eine gute Idee. Irgendwie. Trotzdem war ich ziemlich erleichtert, als sich für den späteren Abend noch eine Freundin ankündigte.

Alle Screenshots zur Verfügung gestellt von Bethesda Softworks

Gegen 21.00 Uhr erscheint es mir endlich dunkel genug, um das Projekt Herzinfarkt in Angriff zu nehmen. Der Beginn scheint ziemlich generisch und—zumindest optisch—beinahe ein bisschen enttäuschend. Bis auf den omnipräsenten Regen sieht das alles irgendwie nicht so richtig nach Nextgen aus. Mein Charakter, Polizist Sebastian Castellanos, wird mit seinem Team zu einem Notfall gerufen. Das betreffende Gebäude ist von leeren Polizeiwagen umstellt, im Inneren muss ein wahres Massaker stattgefunden haben. Ich manövriere meinen generisch-attraktiven Kommissar durch Leichen und Blutlachen, bis ich schließlich bei den Überwachungskameras angekommen bin. Ein mysteriöser Ninja-Geist-Superkrieger mit Pilzbefall im Gesicht tötet zwei Beamte, bevor er direkt in die Kamera blickt.

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Plötzlicher Cut: Ich hänge mit dem Gesicht nach unten in einem gekachelten Schlachthaus. Neben mir säbelt ein schwer atmender Typ einen weiteren menschlichen Körper von einem Haken an der Wand, um ihn im gegenüberliegenden Raum zu zerhacken. Eben noch frage ich mich, ob es irgendwann eine Art Visualisierungs-Vertrag gab, nach dem psychotische Serienkiller prinzipiell dreckige Unterhemden tragen müssen, da hat mein Charakter auch schon ein Messer gefunden, mit dem er seine Fesseln lösen kann. Der Metzger steht mit dem Rücken zu mir und tut, was Leute mit Hackebeil eben so tun. Als ich mich eben, euphorisiert von der Tatsache, dass mein Blutdruck sich leicht oberhalb des gesunden Maßes stabilisiert hat, von dannen schleichen will, sehe ich einen glitzernden Schlüssel. Direkt neben meinem Peiniger. Ich halte inne, er auch. Bodenlose Panik flutet mein Hirn. Wo soll ich mich verstecken? Die Kamera dreht sich so ungünstig, dass ich keine Ahnung habe, ob ich gerade verfolgt werde oder nicht, während ich mich langsam durch den dunklen Raum taste. Ich lande vor der verschlossenen Tür. Das Hecheln meines Peinigers scheint lauter zu werden. Ich drücke auf Pause.

Schwer atmend leere ich mein Weinglas auf Ex, zutiefst entschlossen, mit dem Weiterspielen auf das Eintreffen meiner Bekannten zu warten. Sie kommt, bringt Zigaretten mit und scheint überaus überrascht, als ich ihr mit weit aufgerissenen Augen den Controller in die Hand drücke. „Ist das dein Ernst?", frage ich sie fassungslos, als sie—direkt neben dem Killer—nach den klimpernden Schlüsseln greift. Ihre Furchtlosigkeit zahlt sich allerdings nicht aus. Wir sterben und lernen eine wichtige Lektion: Sobald dein Gegner dich im Visier hat, kannst du den Controller weglegen und dir in aller Ruhe Wein nachschenken oder eine Kippe anzuzünden, während deine Figur auf dem Bildschirm in Einzelteile zerlegt wird. Es gibt keine Möglichkeit, sich gegen ihn zu wehren.

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Wenige Minuten später. Unser Polizist hat sich mittlerweile eine schwere Beinverletzung zugezogen und bewegt sich jetzt noch langsamer, während der omnipotente und unbesiegbare Menschen-Metzger mit röhrender Kettensäge durch die Räumlichkeiten schwankt. Ich bin ruhig, überraschend ruhig. Die Panik von vorhin ist verflogen. Das Monster kann mir nichts mehr anhaben, denn ich habe mein inneres Krafttier, meinen ultimativen Ruhepol gefunden: einen Spind. Von hier aus kann ich vergleichsweise geschützt beobachten, wie mein Peiniger seine Runden zieht. Egal wie gruselig sie sind: in aller Regel sind Videospiele-Gegner eben doch ziemlich berechenbar. Ich merke mir seine Wege und plane meine Flucht. Eigentlich möchte ich diesen Schrank nie wieder verlassen, aber meine Sorgfaltspflicht als Journalist verbietet mir das. Ich muss weiter. Mit angehaltenem Atem humple ich zum nächsten Schrank. Nimmt dieser Albtraum denn niemals ein Ende?

Unter lautem Brüllen („LAUF DOCH, Alter!!!") und mit zitternden Händen erreiche ich nach einem kurzen Bad in literweise Blut und einem Gang voller riesiger rotierender Messer schließlich doch noch die rettende Tür nach draußen. Das ganz große Grauen scheint vorerst vorbei, stattdessen treibt einen jetzt die etwas undurchsichtige Handlung des Spiels an die Grenzen der geistigen Gesundheit. Die komplette Stadt verschiebt und löst sich auf, während meine Polizeikollegen und ich in einem Krankenwagen von dannen rasen. Die verschiedenen Erzählebenen verschwimmen und es wird unklar, was Realität und was unwirklicher Albtraum ist.

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Eben noch hat mich eine Krankenschwester dazu aufgefordert, meinen Spielstand zu speichern und mich anschließend an einem elektrischen Stuhl aufleveln lassen, da befinde ich mich neben dem—mittlerweile verunglückten—Fluchtfahrzeug von vorhin. Ich stehe mitten in einem Wald und bekomme die vage Aufgabe, eine hell erleuchtete Burg auf der anderen Seite eines großen Sees zu erreichen. Es ist mittlerweile nach 12 und meine Bekannte muss los. Kein Problem, denke ich mir. Ich brauche keine Schränke und keine Panikpausen mit hektischem Rauchen mehr. Ich habe jetzt eine Knarre.

Wenn man sich erst einmal an die etwas ungelenke (Kamera-)Steuerung gewöhnt hat, gestaltet sich das Spiel eigentlich ziemlich einfach. Anschleichen, Messer in den Schädel rammen oder einfach einmal mit einer brennenden Fackel zuschlagen—schon sind die zombiesken Kreaturen, die sich mir im Folgenden in den Weg stellen, erledigt. Mein Herzschlag beruhigt sich zunehmend. Einfach nur Gegner ausschalten kann ich. Wovor hatte ich eigentlich so unfassbare Angst? Das sind alles nur Pixel; auf mathematischen Formeln aufgebaute, vorprogrammierte Szenen. Nichts kann mir etwas anhaben. Euphorisch trappelt mein Polizist durch eine ranzige Scheune, in der sich jede Menge nützlicher Kram und neue Waffen finden—und trifft auf einen angeketteten Wahnsinnigen. Der zerlegt mit einem lauten Schrei seinen stacheldrahtgespickten Verschlag und hat NATÜRLICH EINE KETTENSÄGE, WIE JEDER EINZELNE ANTAGONIST IN DIESEM SPIEL!

Ein paar schleppende Schritte entferne ich mich noch von meinem neuen Peiniger, dann beschließe ich, dass es reicht. Ich bin körperlich am Ende, weit und breit scheint es keinen einzigen Schrank zu geben und ganz im Allgemeinen sehe ich mich an einem Punkt angekommen, an dem ich der Meinung bin, genug gelitten zu haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es irgendwann demnächst noch mal mit The Evil Within versuchen werden. Allein schon, weil die Trailer gezeigt haben, mit wie viel Kreativität die Entwickler das Thema visueller und psychischer Horror angegangen sind und welche spektakulären Szenen einem im weiteren Verlauf des Spiels erwarten. Nur bei dem einen Monster, das aussieht wie eine Mischung aus The Ring-Mädchen und Spinne (den beiden Dingen, vor denen ich am meisten Angst habe), werde ich den Controller definitiv abgeben müssen.

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