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Überreste von jüdischen Opfern Straßburger Nazi-Experimente gefunden

Man hielt die Überreste der 86 Opfer des Nazi-Anatomen August Hirt bereits für gefunden, doch nun wurden in der Rechtsmedizin der Universität Straßburg beschriftete Gewebeproben entdeckt.

Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass. Foto: Do u remember | Flickr | CC BY-SA 2.0

Ein Forscher in Frankreich hat vor Kurzem in Straßburg Gewebeproben gefunden, die von einigen der 86 Juden und Jüdinnen stammen, die in Gaskammern ermordet und in Experimenten des berüchtigten Nazi-Anatoms August Hirt verwendet wurden.

Seit mehr als zehn Jahren erforscht der Historiker und Arzt Raphael Toledano die Nazi-Vergangenheit der Stadt. Zu dieser gehören auch die 86 Opfer Hirts, über die Toledano bereits einen Dokumentarfilm gedreht hat. Seine jüngste Entdeckung geschah am 9. Juli in der Rechtsmedizin der Universität Straßburg, als er und der Direktor des Instituts, Jean-Sebastien Raul, einen Schrank öffneten und darin beschriftete Proben der Haut, Eingeweide und Mägen einiger der Opfer vorfanden.

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„Die Beschriftungen identifizieren jede Probe präzise und erwähnen unter anderem die Häftlingsnummer 107969, was mit der Nummer übereinstimmt, die in Auschwitz Menachem Taffel, einem der 86 Opfer, auf den Unterarm tätowiert wurde", wie AFP über die neueste Mitteilung zu der Entdeckung berichtet.

Zu der Entdeckung kam es nach erheblicher Detektivarbeit, im Zuge derer Toledano einen Brief fand, den Camille Simonin, Direktor der Rechtsmedizin der Universität Straßburg, im Jahr 1952 verfasst hatte. In dem Brief werden die Informationen über die gelagerten Gläser mit Gewebeprobe aufgelistet, mit der Absicht, diese als Beweismittel im Prozess gegen Hirt zu verwenden. Die Überreste wurden in einem Glasschrank in einem abgeriegelten Raum in der geschlossenen Sammlung der Universität aufbewahrt. Simonin war die Verantwortung aufgetragen worden, Autopsien an den Opfern durchzuführen, um ihre Todesursache festzustellen, so AFP.

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Die Dutzenden Jüdinnen und Juden waren aus dem KZ Auschwitz in das elsässische Lager Natzweiler-Struthof gebracht worden, wo man sie 1943 vergaste und ihre Leichen konservierte. Daraufhin brachten SS-Männer die Überreste dem Anatomen Hirt in das 50 km entfernte Straßburg. Das Lager im besetzten Elsass war kein Vernichtungslager wie Auschwitz—die Gaskammer von Struthof war allein für medizinische Giftgas-Experimente gebaut worden. Mit den Leichen der 86 Opfer wollte Hirt eine Sammlung jüdischer Skelette anlegen, doch dazu kam es nie, da ihm die erforderliche Ausrüstung noch fehlte. Als die Alliierten näher rückten, befahl Hirt die Vernichtung des Großteils der konservierten Leichen, doch dies gelang nur zum Teil und nach der Befreiung der Stadt wurde das grausame Verbrechen nach und nach aufgedeckt.

Hirt, der seine Aktivitäten zunächst leugnete, beging 1944 Suizid, nachdem US-amerikanische Truppen Straßburg befreiten, und die menschlichen Überreste landeten schließlich in einem Museum in der Universität, das sich zu einem anerkannten Institut entwickelt hat. Hirts Tod blieb allerdings unentdeckt und man nahm an, er sei lediglich untergetaucht, weswegen ihm 1952 in Abwesenheit der Prozess gemacht wurde. Der Brief über die Gewebeproben erreichte einen Richter, doch es ist unklar, ob dieser jemals antwortete.

„Es war ein Schock zu entdecken, dass diese Gläser noch da waren, dass wir in einer Museumssammlung Körperteile von Juden hatten, die von Nazis ermordert wurden", sagte Toledano.

Die Alliierten bestatteten 1946 die gefundenen Leichenteile in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Cimetière Israélite von Straßburg. Die nun entdeckten Überreste der Opfer sollen der jüdischen Gemeinde übergeben und ebenfalls dort bestattet werden.

Associated Press hat zu diesem Bericht beigetragen.