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Aprilscherze sind nur in der Vorstellung lustig

Einmal hatten mein Freund und ich die geniale Idee, vor seinen Eltern so zu tun als wäre ich schwanger. Wir mussten wegen kurzer Ohnmacht die Rettung rufen.
Jonny Hughes | Flickr | CC BY 2.0

„April, April" ist der Jingle des heutigen Tages. Und auch ich werde vielleicht schlechte April-Scherze reißen, die natürlich sofort als solche auffliegen werden. Weil—wie oft funktioniert ein April-Scherz tatsächlich? Spätestens ab dem achten Lebensjahr hat man entweder Blut geleckt und wird zum Wiederholungstäter oder hasst den 1. April für immer. Eine der ersten gesellschaftlichen Geschmacksentscheidungen passiert wegen diesem Tag.

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Ich kann mich noch erinnern, als die achtjährige Babsi aus meiner Klasse weinend und durchnässt aus dem Klassenzimmer gelaufen ist und „ICH HASSE DEN APRIL!" geschrien hat. Sie hat ihn Jahre später noch immer gehasst. Stefan hat sie mit einem nassen Schwamm beworfen und konnte so sein Mobbing unter dem Motto „Aprilscherz" verbuchen. Er hat keinen Ärger bekommen und Babsi wurde dazu aufgefordert, nicht so engstirnig und humorlos zu sein. Resultiert hat das Ganze, wie es in Niederösterreich so ist, in einem heftigen Elternstreit, der gut in die Sendung „Zwei bei Kallwas" gepasst hätte (damals ein QUOTENHIT).

Oder, als ich in der Unterstufe eine Krisen-Klassensitzung das erste Mal durchleben durfte, weil man 12-Jährigen offensichtlich sagen muss, dass „April, April du Schwein" und ein vollgeklebter Sessel für den Religionslehrer nicht wirklich lustig ist. Obwohl die Aktion von den männlichen Problemmitschülern ausgegangen ist, haben wir tatenlos zugesehen und waren mitschuldig. Nach der Krisenklassensitzung wurden im Reli-Unterricht bis zum Jahresende, äußerst dramatische Fälle von Sündern und deren gerechter Strafe aus der Bibel behandelt. Außerdem war mein Vater über die Einfallslosigkeit der Beschimpfung wütend und ich habe eine Taschengeldverkürzung bekommen. Er meinte, dass man, wenn man schon so Scheiße baut, zumindest schauen könnte, dass es sich tatsächlich lohnt. Er hat nicht unrecht.

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Ich habe Aprilscherze geliebt—heute habe ich eine äußerst ambivalente Beziehung zu dem Tag. Damals habe ich ihn geliebt, weil es mir wirklich lustig erschien, ein Arschloch zu sein. Heute liebe ich ihn, weil es ein bisschen der Valentinstag für Freundschaften ist. Für mich zumindest. Jedes Mal wenn man mich versucht reinzulegen, fühle ich mich geehrt. Der Mensch hat sich Gedanken gemacht! Wenn man in meinem Alter ist, stecken dahinter oft ausgeklügelte Taktiken und viel Persönlichkeitswissen. Was natürlich nicht heißt, dass Freunde, die den Aprilscherz hassen und bleibenlassen, mir ihre Liebe nicht trotzdem beweisen. Ich kann mich meistens selbst nicht aufraffen, gute Schmähs zu bringen.

Früher habe ich den 1. April geliebt, weil es mir wirklich lustig erschien, ein Arschloch zu sein.

Wenn wir uns ehrlich sind, sind die meisten Scherze durchschaubar oder katastrophal schlecht. Außerdem braucht es für einen wirklich guten Aprilscherz das Unwissen der anderen Seite. Eltern sind deshalb oft ein beliebtes Ziel. Mein Ex-Freund und ich hatten die geniale Idee, seinen Vater und meine Mutter reinzulegen und ihnen zu sagen, dass ich schwanger bin. Wir zwei originellen Füchse!

Sein kränklicher Vater ist ganz blass geworden und wir mussten wegen kurzzeitiger Ohnmacht die Rettung rufen. Meine Mutter hat angefangen auf Slowakisch zu Fluchen und meinem Freund mit dem Kochlöffel zu schlagen. Hat jemand gelacht? Nein, niemand. Haben wir uns reuig entschuldigen müssen? Ja. Mussten wir. Hat meine Mutter ihn seit dem jemals wieder in „ihrem" Haus geduldet? Nein, hat sie nicht. Aber ich hätte es zumindest bei meiner Mutter wissen können. Diesen Scherz hier habe ich nämlich zwei Jahre zuvor gebracht und eine ähnliche Reaktion bekommen.

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Genau deshalb mag ich den Tag dann doch auch nicht. Weil die Scherze meistens sehr an der Grenze zur absoluten Katastrophe oder ultimativen Arschtum dahin schlittern. Weil manche Leute ihn missbrauchen, um einfach g'schissn zu sein. Wie der Stefan aus meiner Klasse damals. Eine Freundin hat mir vorletztes Jahr ganz bleich erzählt, dass ihr Dealer in der Runde verkündet hat, dass er von der Polizei überwacht wird. Da tatsächlich um diese Zeit herum viele Festnahmen passiert sind, sind natürlich alle bleich geworden und wussten nicht, was sie sagen sollen. Sie hat schrecklich Angst bekommen und es überhaupt nicht lustig gefunden, als er dann lachend „April, April" die Situation entschärfen wollte. Sie hat es sogar so unlustig gefunden, dass sie aus Sorge um ihre akademische und berufliche Zukunft bis heute nicht mehr kifft. Ich habe ihr gesagt, dass das überzogen ist. Aber auch das kann der 1. April.

Mein Bruder hat als Kind regelmäßig Hausarrest bekommen, weil er den Tag als Legitimierung für überraschende körperliche Gewalt gegen seine Schwester gesehen hat. Und ich habe natürlich immer brav gepetzt. Zu seiner Verteidigung: Ich bin die Ältere und wenn wir gerauft haben, war ich ganz lange im Vorteil. Seit er größer ist raufen wir uns nicht mehr—sprich, ich bin der wahre Aggressor hier.

In Amerika haben „Pranks" es längst außerhalb des 1. Aprils zu Ruhm und Einschaltquoten geschafft—ich finde die Sendungen und Videos leider selten witzig. Oft haben sie mit physischen und psychischen Schmerz zu tun. Aber ich habe Freunde, die das zum Totlachen finden und bestimmt dieses Jahr wieder einen Schmäh Marke Deluxe bringen werden.

Es ist halt wie mit dem Valentinstag—entweder man macht mit oder eben nicht. Und wenn man nicht mitmacht, dann sitzt man ein bisschen am kürzeren Hebel—Schokolade und Blumen geschenkt zu bekommen, ist genauso wenig von der eigenen Person abhängig, wie das Reingelegt werden. Deshalb ganz viel Mitleid an die Aprilscherz-Haters. Ich hoffe, dass euch heute niemand reinlegt. Und wenn, dann hoffe ich, dass ihr tatsächlich herzhaft darüber Lachen könnt und weder die Rettung noch Kallwas braucht.

Ihr könnt Fredi eure freundschaftlichen Valentinsgrüße auch auf Twitter ausrichten: @Schla_wienerin


Foto: Jonny Hughes | Flickr | CC BY 2.0