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Drogen

Ganz legal mit Weed nach Wien

In Deutschland bekommen Patienten ganz legal Cannabis in Apotheken. In Österreich nicht. Was, wenn man nun mit diesem Gras nach Österreich fährt?

Ich kaufe mein Cannabis zu medizinischen Zwecken seit einem knappen Jahr ganz legal in einer Berliner Apotheke. Fragen nach dem Grund und anderen Einzelheiten habe ich hier schon einmal beantwortet. Das Beste an der "Ausnahmegenehmigung zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie" ist das gute Bauchgefühl, das jahrelange Paranoia abgelöst hat. Ich muss meine Medizin nicht mehr in der Unterhose verstecken, wenn ich nach Bayern fahre oder brauche mich unterwegs nicht mehr zu fürchten, beim Einnehmen meiner Medizin verhaftet zu werden.

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Aber ich muss aus beruflichen Gründen oft ins Europäische Ausland reisen, wo es mit wenigen Ausnahmen (Niederlande, Tschechien, Italien) keine Möglichkeit gibt, legale Medizinalhanf-Buds zu kriegen. Ohne Blüten fällt es mir aber ziemlich schwer, zu arbeiten, wodurch ich in den letzten Jahren auf Auslandsreisen immer wieder gezwungen war, auf die Vorräte von Freunden zurückzugreifen oder auch mal mieses Straßenweed zu kaufen. Denn einfach so kann ich meine Blüten aus der Apotheke nicht mit nach Spanien, Italien oder eben auch Österreich nehmen. Vor Kurzem hat mich dann ein anderer Cannabis-Patient darauf hingewiesen, dass die EU im Rahmen des Schengen-Abkommens für Menschen wie mich ein Formular bereitstellt, das es mir ermöglicht, mein Cannabis Flos, so der Apothekenname der Blüten, ganz legal nach Österreich zu exportieren.

Die "Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsabkommens" erlaubt mir, auf EU-Reisen maximal einen Vier-Wochen-Vorrat des von mir benötigten Betäubungsmittels bei mir zu tragen. Das sind 28x3 Gramm Gras, wobei es genau genommen auf den Wirkstoffgehalt ankommt. Insgesamt darf ich 18,48 Gramm THC bei mir tragen, was 84 Gramm meiner Bedrocan-Blüten mit einem THC-Gehalt von 22 Prozent entspricht. Bedrocan ist die stärkste Sorte, die deutsche Patienten für 15 Euro pro Gramm in ihrer Apotheke erwerben können. Die anderen vier Sorten, die mir zur Verfügung stünden, haben einen THC-Gehalt zwischen 1 und 14 Prozent. Als Schmerzpatient brauche ich jedoch den Hauptwirkstoff THC am dringendsten und nutze deshalb fast ausschließlich die Sorte Bedrocan.

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Allerdings machen die Auslandsaufenhalte mein Gras noch teurer, als es ohnehin schon ist. Zur Attestgebühr von 8,16 Euro kommen noch 5 Euro Bearbeitungsgebühr des Landesversorgungsamts Berlin sowie 5,40 Euro für die U-Bahn dorthin und zurück. Somit kosten die beiden Fünf-Gramm-Dosen, die ich mitgenommen habe, stolze 168,46 Euro. Es lebe die Bürokratie, aber ein gutes Bauchgefühl und legale Medizin sind auch das wert.

Weshalb es in Österreich kein Gras in der Apotheke gibt

Eigentlich sind die Voraussetzungen für ein staatliches Cannabis-Programm—ähnlich dem in Deutschland—gar nicht so schlecht. Das österreichische Suchtmittelgesetz sieht sogar jetzt schon großzügigere Ausnahmen als das deutsche Betäubungsmittelgesetz vor, weshalb die deutsche Firma Bionorica ihre Cannabisforschung und den Anbau schon vor Jahren nach Österreich verlegt hatte und in Wien Cannabis zur Herstellung von Dronabinol anbauen lässt.

Mit jetzt schon legalen Hanfstecklingen hätte Österreich zudem die Möglichkeit, bei der Entwicklung neuer Sorten ganz vorne mitzuspielen, denn gerade daran fehlt es den staatlichen Cannabisprogrammen beim Aufbau ihres Sortenpools, so wie in Italien. Aber: Anders als in Deutschland haben es Ärzte und Patienten bislang nicht geschafft, ihrem Anliegen vor Gericht Rechtsgeltung zu verschaffen. Deutsche Cannabis-Patienten prozessieren zusammen mit den betreuenden Ärzten seit 13 Jahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, gewinnen fast jeden Prozess und haben es so geschafft, dass

- es seit neun Jahren Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie für echte Cannabisblüten gibt,
- die Bundesregierung jetzt gezwungen ist, eine Cannabis-Agentur zu gründen, die den Anbau von Medizinalhanfblüten in Deutschland für private Firmen ausschreiben sowie Produktion und den Vertrieb an die Apotheken überwachen wird,
- der erste Cannabis-Patient seine Medizin in naher Zukunft selbst anbauen darf,
- eine Kostenübernahme der Krankenkassen in Einzelfällen jetzt bereits möglich ist und von 2019 an bei ausgewählten Indikationen die Regel werden soll.

Und in Österreich? Hier wird Cannabis-Patienten fleißig das Monopräparat Dronabinol verschrieben. Dronabinol enthält im Gegensatz zu Echtblüten nicht das breite Cannabinoidspektrum von natürlichem Cannabis, das knapp 80 Cannabinoide, darunter die gegen Epilepsie eingesetzten CBD und THC-V, beinhaltet.

Außerdem kostet ein Gramm des Wirkstoffs in Dronabinol ungefähr zwölfmal so viel wie bei natürlichem Cannabis der Sorte Bedrocan. Auch Sativex, ein Kombi-Produkt aus THC und CBD, kostet sieben mal so viel wie die selbe Wirkstoffmenge in Form natürlicher Blüten. Wer sich also fragt, wieso natürliches Cannabis dort, wo synthetische Produkte Einzug gehalten haben, als echte Bedrohung angesehen wird, der schaue einfach auf den Preis.

In Deutschland war es genau so, bis die ersten Patienten mithilfe engagierter und kompetenter Ärzte den Import ihrer Medizin aus den Niederlanden und schließlich auch die Gründung der Cannabis-Agentur durch Klagen bis zum Bundesverwaltungsgericht erreicht hatten. Solange man sich in Österreich mit weniger zufrieden gibt, wird der Gesetzgeber echte Blüten außen vor halten und auf die Existenz teurere, synthetischer Cannabis-Medikamente verweisen, die nur einen Bruchteil der Wirkstoffe des echten Krauts enthalten. Das Argument, pflanzliches Cannabis sei bei Zucht und Anwendung nicht standardisierbar, widerlegen 28 staatlich kontrollierte kanadische und ein niederländischer Produzenten pflanzlicher Cannabisprodukte eindrücklich.