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​Warum das Leben als kleine Frau beschissen sein kann

Hängende Küchenschränke sind für mich nutzlos, Sessel, auf denen ich sitzen kann und dabei mit den Füßen den Boden berühre, eine Seltenheit und die Kinderabteilung bei H&M oft meine einzige Chance auf Leggins.
Foto mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Foto mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Um diesen Artikel so zu beginnen, wie der Artikel über das Leben als große Frau, auf dem er basiert: Ich bin eine Frau und ungefähr 155 Zentimeter groß (oder eben klein). Das letzte Mal bin ich gemessen worden, als ich meinen Führerschein bekommen sollte. Die Amtsärztin hat mir gesagt, sie hätte noch etwas dazu geschummelt, damit ich keinen Vermerk bekomme. Zur Vermessung hatte ich mir extra meine Dr. Martens angezogen, die mir locker noch zwei Zentimeter dazu mogelten.

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Ich war nicht immer die Kleinste der Klasse, bin aber dann irgendwann einfach nicht mehr weiter gewachsen. Und so bin ich jetzt mit 21 genau so groß wie mit 15. Offenbar werde ich auch gerne so wahrgenommen, denn bis heute werde ich in der Trafik und beim Fortgehen nach meinem Ausweis gefragt. Was mich aber richtig stört, ist die Tatsache, dass ich oft einfach nicht ernst genommen werde: „Wennst erwachsen bist, siehst du das vielleicht anders." Und dabei bin ich so erwachsen, dass ich sogar schon in Amerika saufen darf.

In der Pubertät veränderte sich nicht wirklich viel für mich, schließlich war ich es gewohnt, die Kleinste oder zumindest eine der Kleinsten zu sein. Die Kommentare zu meiner Körpergröße hatte ich eigentlich immer schon mit Humor genommen. Ein wenig anders sah ich das aber, als ich meinen ersten Freund hatte. Der war knappe 2 Meter groß (1,97 Zentimeter, um genau zu sein). Neben der Tatsache, dass mich viele als „Standgebläse" bezeichnet haben, wurde auch stets danach gefragt, wie wir „das mit dem Sex" machen würden. Diese Fragen und Kommentare verließen mich auch nicht, als ich einen anderen, kleineren Freund hatte, und erst recht nicht, wenn ich mit mir bisher fremden Männern gesprochen habe.

Während die für mich zu hoch eingeschlichteten Cornflakes beim Einkaufen noch verschmerzbar waren und sind, gab es aber immer eine Sache, die mich enorm gestört hat: Es ist nicht genug, dass mich andere Leute als kleines Mädchen behandeln, oft genug fühle ich mich auch so. Und oft hatte ich auch das Gefühl, dass das von mir erwartet wurde. Schlimm war das vor allem, wenn ich neben besagtem ersten Freund ging und mich ständig fragte, ob die Leute glaubten, dass ich seine kleine Schwester wäre. Und ich machte mir Sorgen, als Ersatz irgendwelcher Fetische über kleine Mädchen gesehen zu werden.

Witzigerweise spiegelt sich ein Problem, das große Mädels haben, auch bei uns kleineren Exemplaren wider: Üblicherweise werden große Mädels Rücken an Rücken mit kleinen gestellt. Und glaubt mir: Wir kommen uns da genauso blöd vor. Und nein, ich bin keine Miniversion von dir, nicht der Chihuahua unter den Menschen und auch kein Hobbit.

Mittlerweile fühle ich mich mit meiner Körpergröße wirklich wohl. Ich bin selbstbewusster geworden und lasse mir nichts mehr gefallen. Zu diesem Selbstbewusstsein brauchte es viele High-Heel-Versuche, eine kurzzeitige Faszination für Streckbanken und das Sich-Im-Reisekoffer-Verstecken-Können. Und ja: Hängende Küchenkästen sind für mich nutzlos, Sessel, auf denen ich sitzen kann und dabei mit den Füßen den Boden berühre, eine Seltenheit, Trittleitern meine besten Freunde und die Kinderabteilung bei H&M oft meine einzige Chance auf Leggins, aber ich fühle mich trotzdem wohl.

Ich bin eine Frau, die sich selbst helfen kann, auch, wenn ich nicht so aussehe. Und gerade das fühlt sich oft irrsinnig bestärkend an: Das Überraschungsmoment. Ich lache über mich selbst, nehme die blöden Kommentare gleich vorweg. Und das kommt gut an. Über sich selbst lachen zu können finde ich nicht nur sexy, es macht auch einfach mehr Spaß.

Und noch ein kleiner Tipp: „Ankle-High-Jeans" sind ein Segen.