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Tschüss Babyboomer—Haha, 80er-Jugend!

Endlich werden die Babyboomer pensioniert. Auch wenn die Generation X noch auf uns rumhackt: Bald gehört die Welt uns!
Foto von Bromford

Sie waren laut und sie sind Viele. Die Generation der Babyboomer hat als erste das CO2 in der Atmosphäre hochgetrieben und als erste für den Club Of Rome (und viel Radikaleres) gekämpft.

Für die Generation der Babyboomer bestand der Weekly Schedule aus Dauerkiffen und 23 Semester Uni ohne Abschluss. Und die Babyboomer blieben danach nicht noch zehn Jahre lang Teilzeit-Velokurier, sondern durften mit den Grossen mitspielen: Sie durften Bundeshaus-Redaktoren werden, die Grünen gründen und die Sozialdemokraten überrennen, allein von der Musik leben—oder wenn sie gar nichts können, wenigstens ein Plattenlabel führen.

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Natürlich gab es auch genug Industriekauffrauen und Carosseriespengler (Hallo Papi! Ich hab dich lieb, auch wenn wir uns beide zu wenig melden.), aber die haben halt die damals noch elitäre Abzweigung „Matur" nicht gemacht.

Foto von Marg; Wikimedia Commons; CC BY 2.0

Als Babyboomer bezeichnet man die Generation der in den 1940ern bis 1960ern Geborenen. Nie davor und—im beschränkten Kosmos Westeuropa & Nordamerika—nie danach sind mehr Kinder zur Welt gekommen als in diesen Jahrzehnten. Deshalb waren die Babyboomer seit 1968 immer die „Meisten" und weil sie die „Meisten" waren, fiel der Boom-Vorhut der Marsch durch die Institutionen so leicht wie den „Züri brännt!"-80ern, den späten Boomjahrgängen.

Aber die Babyboomer verschwinden langsam aus dem Berufsleben. Je nachdem wie man rechnet schon seit ein paar Jahren: Laut NZZ haben die Geburten in der Schweiz schon ab 1941 zugenommen, was die erste Pensionswelle auf 2006 datiert. Laut Tagesanzeiger sind es die Jahrgänge 1945 bis 1969. Laut Wikipedia wurden die ersten Babyboomer erst in den 50ern geboren. So oder so: 2015 wird der Jahrgang 1949 pensioniert. 2016 wird es der 1950 sein. 2017 wird es der Jahrgang 1951 sein. Und auch wenn diese Herbstzeitlosen noch lange unsere Abstimmungsresultate dominieren, verschwinden sie wenigstens aus dem Erwerbsleben.

Foto von Bromford; Flickr; CC BY-SA 2.0

Für uns selbstausbeuterischen Frischzwanziger sollte dann die goldene Epoche beginnen. Jetzt darf Dieter Meier noch ein paar Strassenmusiker altväterlich zum Eurovision Song Contest pushen und Endo Anaconda kann noch ein paar Lungenzüge lang jeden Diskursrapper (Sorry, Kutti, aber nichts anderes bist du.) featuren, aber alle! alle! alle! werden bald pensioniert. Egal, ob in Kunst, Kultur, Musik, Politik oder mittellustiger Sonntagabend-Satire (Bye, bye Harry Hasler!).

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Geschissen hat die sogenannte Generation X, die Jahrgänge 1968 bis 1985: Sie werden sich zwar noch an einem Teil der frei werdenden Babyboomer-Stellen laben; sie nehmen den Jüngeren noch lukrative und bedeutende Posten weg, aber egal: Wer in den 80ern und 90ern seine wilden Jahre hatte, darf jetzt noch etwas auf den Babyboomer-Knochen kauen.

Wer in den 80ern und 90ern seine wilden Jahre hatte, Generation Golf von Florian Illies las und überzeugt war, dass die (DIE!) Geschichte 1989 zu Ende ging und den Pop-Literatur-Slogan „Irony is over" fälschlicherweise glaubte, hat sowieso ein bemitleidenswertes Leben.

Foto von Charles01; Wikimedia Commons; GNU Free Documentation License

Wir sagen euch danke, indem wir uns von euch jetzt noch ein paar Jahre lang erzählen lassen, dass die Jugend keine Ideale oder Ziele hat und sowieso zur Generation Bünzli gehört. Wir lesen Artikel wie „Land ohne Jugend: Es ist okay!" (Millennials wollen Haus mit Garten.), „Sie hassen die Provinz" (Junge werden zur Minderheit und rotten sich in urbanen Szenevierteln zusammen.), „Generation Rettich" (Statt Erfolg sollen uns vor allem Brotaufstriche und ausgewählte Grappa-Sorten was bedeuten.) oder irgendwas von Reda El Arbi. Das nervt.

Jeder von uns erinnert sich daran, wo er zum ersten Mal von 9/11 gehört hat. (im Klassenlager von einem panischen Jugendherbergebesucher) Jeder von uns war gegen den Irakkrieg (Rock against Bush Vol. 1 und 2 sind tolle Punksampler!) und alles was 2014 passiert ist, scheint uns so unfassbar, dass manche die Empörung bis zur Paranoia treibt. Diese Empörungstraumata geben uns zwar keine neuen Ideale, aber sie schockieren uns wenigstens. Sie holen uns in die Welt und machen uns besser als die Generation X, die sich über den ersten eigenen VW Golf definierte.

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Foto von Kecko; Flickr; CC BY-ND 2.0

Sind wir pragmatisch? Ja, weil alles andere keinen Sinn macht. Ausschlussprinzip halt.

Sind wir momentgerichtet und erfahrungsgeil? Ja, weil wir im Moment was spüren. Und weil uns ein Mix aus 70% Babyboomern und 30% Generation Xlern seit der ersten Schulstunde „Einführung in Wirtschaft und Recht" einhämmert, dass unser Rentensystem schon zusammengebrochen sein wird, wenn unsere Kinder die erste Prüfung in „Einführung in Wirtschaft und Recht" schreiben. Wir sind Wenige und wir werden alleine gelassen.

Foto von Bromford; Flickr; CC BY-SA 2.0

Und ja, ich weiss, dieser Text macht dieses beschissene „Wir-definieren-uns-das-jetzt-mal-so-und-dann-wird-es-auch-so"-Spiel mit. Aber nur als blöde Randnotiz im alternativen Mainstream, die damit spielt, dass Weihnachten die beste Jahreszeit für Generationskonflikte ist. Aber natürlich stimmen Teile der Kritik an uns: Wir sind Wenige. Wir haben keine Einheit. Wir sind fucking Peergroups, die ein Dauerproblem mit fehlender Identifikation haben.

Also lassen wir euch arme Generation Xler noch ein wenig jammern und stänkern, denn vielleicht rotten sich junge Leute ja nur darum stressbefreit in Biobistros zusammen, da sie wissen, dass die guten, die erfüllenden, die mit Leidenschaft verfolgbaren Jobs immer mehr werden. Weil jedes Jahr mehr Babyboomer-Altväter ihre Tage auf Elbkreuzfahrten zubringen. Weil es auch nicht mehr lange geht bis Reda El Arbi keine Kolumnenseminare mehr gibt.

Den Gegenschlag des Generationenkonflikts bitte auf meinem Twitteraccount: @biofrontsau