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In Deutschland ist ein lächerlicher Streit zwischen SPD und Pegida entbrannt

„Wahnsinniger Faschist", „ekelhafter Brandstifter", „PEGIDIOT"—Ist das die richtige Herangehensweise, um Bachmann und Pegida zu begegnen?
Lutz Bachmann. Foto: imago/Robert Michael

Heiko Maas ist kein großer Freund von Pegida, soviel ist klar. Seit ihren Anfängen vor einem Jahr bis heute hat der Justizminister die Dresdner Bewegung immer wieder als „Schande für Deutschland", „Heuchler", „radikales Randvölkchen" oder „zündelnde Biedermänner" bezeichnet. Vor zwei Wochen veröffentlichte er einen Gastbeitrag bei Spiegel Online, in dem er das „Pegida-Gift" unter anderem für die Anschläge auf Flüchtlingsheime, die Bedrohung von freiwilligen Helfern und die Messerattacke auf die Kölner OB-Kandidatin verantwortlich machte.

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Kein Wunder, dass die Pegida-Organisatoren ihrerseits Heiko Maas nicht besonders schätzen. Auf der gestrigen Demonstration fuhr Lutz Bachmann deshalb schweres Geschütz auf und erklärte, für ihn sei der Justizminister „einer der schlimmsten geistigen Brandstifter in diesem Land seit einem Goebbels im Dritten Reich oder einem Karl-Eduard von Schnitzler in der DDR."

Oha! Foto: imago | Stefan Zeitz

Kurz darauf brach die SPD in kollektives Wutgeheul aus. Neben Forderungen, Bachmann wegen Volksverhetzung anzuzeigen (eigentlich handelt es sich dabei wohl eher um Beleidigung, aber mittlerweile scheinen viele den Tatbestand „Volksverhetzung" schon dann erfüllt zu sehen, wenn irgendjemand irgendwas mit Nazis sagt), feuerten vor allem die SPD-Kader aus allen Rohren auf den Pegida-Chef.

Der verurteilte Straftäter und PEGIDIOT Bachmann vergleicht Heiko Maas mit Goebbels - dieser ekelhafte Brandstifter gehört vor den Kadi!

— Ralf Stegner (@Ralf_Stegner)2. November 2015

„Der verurteilte Straftäter und PEGIDIOT Bachmann vergleicht Heiko Maas mit Goebbels - dieser ekelhafte Brandstifter gehört vor den Kadi!", twitterte der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner. Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ging noch ein paar Schritte weiter und bezeichnete den Dresdner kurzerhand als „wahnsinnigen Faschisten", dessen Goebbels-Vergleich „an Hirnlosigkeit nicht zu überbieten" und außerdem „perfide und ekelhafte Rattenfängerei" sei.

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Den Justizminister mit Goebbels zu vergleichen, ist zwar tatsächlich nicht besonders intelligent, aber dass Bachmann sowas erzählt, ist jetzt auch nicht wirklich überraschend. Bachmann hat die Masche, jedes Anti-Pegida-Engagement mit der NS-Diktatur zu vergleichen, schon vor einer Weile für sich entdeckt. Erst bei der vorletzten Pegida (der mit Akif Pirinçci und dem „Moslemsaft") hatte er noch rumgejammert, die Pegida-Anhänger seien ja praktisch derselben Verfolgung ausgesetzt wie die Juden damals—wenn etwas „perfide und ekelhaft" ist, dann das.

Aber der Goebbels-Vergleich? Immerhin wurde Bachmann selbst erst vor Kurzem recht ausführlich (und treffend) mit dem NS-Propagandaminister verglichen—bei jemandem von seinem intellektuellen Format liegt da nahe, dass er sich einfach der alterprobten Schulhof-Taktik bedient und laut „Selber!" schreit.

Auch nicht so smart: Dresdener Rassisten bepöbeln campende iPhone-Fans, die sie für Refugees halten

Das ist der springende Punkt: Natürlich ist es nicht in Ordnung, Heiko Maas mit Goebbels zu vergleichen. Andererseits muss man sich auch anschauen, wer da spricht: Ein größenwahnsinniger sächsischer Kleinkrimineller, der eine wöchentliche Rassismus-Messe mit ein paar tausend Leuten auf irgendwelchen dunklen Plätzen in Dresden abhält. Auch wenn das Phänomen der neurechten Protestbewegungen wie Pegida und Co. absolut nicht zu belächeln ist—der Mensch Lutz Bachmann ist es doch.

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Deshalb wirkt es aber genauso lächerlich, wenn gestandene Politiker nun auf den Wutbürger Bachmann einprügeln, als hätte er einen Mordversuch unternommen. Der Wettbewerb, wer sich die knackigere Beleidigung für die „Asylkritiker" ausdenken kann (als wäre das Wort nicht schon von selbst eine Beleidigung), läuft schon eine ganze Weile—niemand hat verlangt, dass gewählte Volksvertreter da mitmachen. Man würde sich wünschen, dass Politiker so deutliche Worte auch mal für Leute finden würden, die genauso groß sind wie sie—Bachmann hat immerhin nicht die Krim annektiert.

Rechtsradikalismus zu bekämpfen, ist eine wichtige Aufgabe. Aber wenn die SPD-Generalsekretärin einzelne arbeitslose Hobby-Demagogen auf Spiegel Online als „wahnsinnig" beschimpft, bleibt ein komischer Beigeschmack. Solche Direkt-Attacken sind nämlich nicht nur unwürdig, dieses Machtgefälle kann und wird von der Gegenseite auch kräftig ausgeschlachtet werden—wie sie es mit Sigmar Gabriels ebenso dämlicher „Pack"-Beschimpfung ja auch mit Wonne getan hat. Je hysterischer Politiker auf die Provokationen von Pegida reagieren, desto mehr werden deren Anhänger sich bestätigt fühlen, dass man sie mundtot machen will.

Foto: imago | epd

Denn auch wenn viele Beobachter der Meinung sind, die Pegida-Jünger seien für die Demokratie nicht mehr zu retten—es gibt in Sachsen und in Deutschland genug Menschen, die vielleicht nicht mit Pegida, aber durchaus mit einigen ihrer Standpunkte sympathisieren. Was wird einen Zweifler eher davon überzeugen, dass die Bewegung ein gefährliches rechtsextremes Mobilisierungspotenzial entfaltet: Die Information, dass die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsheime sprunghaft angestiegen ist, seit es Pegida gibt? Oder die Meinung, Bachmann sei ein „wahnsinniger Faschist"?

Die Verbal-Offensive der SPD-Granden gegen Pegida ist aber nicht nur deshalb irgendwie peinlich (interessantes Detail: Maas selbst hat dabei nicht mitgemacht und verzichtet auch auf eine Anzeige gegen Bachmann). Sondern auch, weil man das deutliche Gefühl hat, dass die Partei einiges kompensieren will, wenn sie sich plötzlich als die institutionalisierte Antifa stilisieren will: Nicht nur ihre eigene anfängliche Ambiguität der Bewegung gegenüber (immerhin war es derselbe Gabriel, der sich vor nicht allzu langer Zeit nach Dresden fuhr, um sich die „Sorgen" der Pegida-Anhänger anzuhören). Vielleicht ist das Herumhacken auf Asylgegnern für eine Partei, die schon seit 1993 jeder einzelnen Asylrechtsverschärfung zugestimmt hat, mittlerweile die einzige Möglichkeit, Solidarität mit Flüchtlingen zu simulieren.