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Reisen

Wie der bekannteste Sextourist der Welt in Costa Rica im Gefängnis landete

David "Cuba Dave" Strecker drohen für seinen Sextourismus-Blog über zehn Jahre Haft in Zentralamerika.

Als sich am 4. September 2015 in einem costa-ricanischen Flughafengebäude die Handschellen um David Streckers Handgelenke schlossen, ging der 66-jährige US-Amerikaner davon aus, dass er der Polizei nur ein paar Fragen beantworten müsse. Danach würden sie ihn wieder gehen lassen, er würde in seinen Flieger steigen und wenige Stunden später wieder zu Hause in Florida sein.

Das Flugzeug verließ Costa Rica aber ohne ihn und Strecker sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Behörden werfen ihm vor, für Sexarbeit geworben und damit gegen costa-ricanisches Recht verstoßen zu haben. Strecker—der einen berühmten Blog über seine sexuellen Erlebnisse im Ausland, vor allem in der Dominikanischen Republik, Kuba und Costa Rica geführt hatte—ist der erste Mensch in der Geschichte des Landes, der sich wegen des Verstoßes gegen ein neuartiges Prostitutionsgesetz vor Gericht verantworten muss.

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Ein 2013 verabschiedetes Gesetz gegen Menschenhandel verbietet unter anderem, das Land als "Reiseziel, das sich für kommerzielle sexuelle Ausbeutung oder die Prostitution von Menschen jeglichen Geschlechts und Alters eignet", anzupreisen.

Fernando Ferraro, ein ehemaliger Minister Costa Ricas, der das Gesetz unterstützt hatte, sagte gegenüber VICE, dass es dafür ausgelegt war, illegale Praktiken wie Sexsklaverei und Kinderprostitution zu unterbinden. Ein aktueller Bericht des US State Departments kommt zu dem Schluss, dass der Kindeprostitutions-Tourismus ein "ernstzunehmendes Problem" in dem Land sei. Außerdem sei Costa Rica ein gängiger Zielort für Opfer des Menschenhandels.

"Natürlich muss das Land sein Image als Reiseziel beschützen", sagte Ferraro. "Es ist aber nicht nur eine Frage des Ansehens. Kriminelle Organisationen oder Menschenhändler sind oft eng mit der Sexindustrie verbandelt."

Ohne Frage ist Strecker ein begeisterter Fan der Sexindustrie. Er behauptet allerdings, lediglich einen Blog zu betreiben, der andere Sextouristen mit Ratschlägen versorgt. Er würde niemanden dazu auffordern, Sextourist zu werden. Der wohl bekannteste Freier des Internets hat ergrauendes Haar und gebräunte Haut, die zunehmend schlaff von seinen ehemals trainierten Armen herabhängt. Er ist ein ehemaliger Softball-Spieler und fanatischer Yankees-Fan. In Costa Ricas La-Reforma-Gefängnis ist er der einzige amerikanische Insasse. Am liebsten trägt er Muscle-Shirts und Sandalen. Viel mehr Gringo geht nicht.

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Strecker hatte sich anfangs mit seinen detaillierten Erfahrungsberichten aus den Bordellen und Bars auf Kuba und der Dominikanischen Republik in Sextouristenforen und Internetgruppen einen Namen gemacht. Später wurde er als "Cuba Dave" bekannt und verfasste als Co-Autor sogar das Buch Cuba Dave's Guide to Sosua, Dominican Republic, das Amazon allerdings sofort verbannte.

Sobald klar war, dass Interesse an der Marke "Cuba Dave" existiert, fing Strecker damit an, seine Sexreisen durch Costa Rica mit suggestiven Blogeinträgen, Videologs und Fotos mit Frauen zu dokumentieren. Er betont, dass die Frauen immer bekleidet seien und außerdem zugestimmt hätten, sich mit ihm fotografieren zu lassen. Mit seinen Geschichten aus der Welt der legalen Prostitution und Ratschlägen a la "wie man sich nicht verliebt", die er im Zuge seiner über 40 Trips allein nach Costa Rica erlernt hatte, hatte er schon bald eine große Leserschaft notgeiler und allein reisender Männer für sich gewonnen.

"Über die Jahre habe ich erkannt, dass das nicht real ist", sagte er gegenüber VICE in einem geheimen Telefoninterview. "Das ist eine Fantasie. Das ist reine Unterhaltung. Ein 60-Jähriger, der mit einer 20-Jährigen schläft und glaubt, dass sie ihn wirklich mag, ist verrückt. Die meisten Geschichten und Videos waren dazu da, das zu zeigen."

In Costa Rica beschränkte er seinen Aktionsradius vor allem auf ein Gebiet aus Bars und Hotels mitten in San José, das von Sexarbeiterinnen frequentiert wird—dem sogenannten "Gringo Gulch".

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In einem Post von 2010 hieß es: "Miriam hat gerne Spaß und, wenn ich in San Jose bin, ist sie jeden Tag für eine Stunde meine Freundin. Sie versteht, was ich mag, und ich verstehe, was sie macht. Mein Rat ist es, dich daran zu erinnern, warum du in Costa Rica bist, und deine (costa-ricanischen) Freundinnen nicht zu sehr zu hinterfragen." Seit seiner Festnahme ist der Blog offline.

Strecker bleibt dabei, dass die Seite nicht mehr als ein Reiseblog war, mit dem er dem Single-Touristen ein paar Tipps geben wollte. Die costa-ricanische Staatsanwaltschaft sieht das allerdings anders. Sie wirft ihm vor, dass er das zentralamerikanische Land absichtlich vor anderen Gringos angepriesen habe, damit diese dorthin reisen und die legale Sexarbeit ausnutzen.

"Die Ermittlungen kamen in Gang, nachdem wir auf diverse Publikationen des Beschuldigten im Internet aufmerksam wurden, in denen er augenscheinlich weitere Nordamerikaner mit dem Hinweis auf die leicht zugänglichen Prostitutionsangebote zu einem Besuch in Costa Rica einlud", schrieb ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in einer E-Mail an VICE.

Costa Rica—wo Prostitution zwar legal ist, Zuhälterei oder das Anwerben von Freiern durch Dritte jedoch nicht—ist schon seit Langem das beliebteste Reiseziel für Sextouristen in Zentralamerika. Autor und Forscher Jacobo Schifter schätzt in seinem Buch Love and Lust: American Men in Costa Rica, dass bis zu zehn Prozent aller Touristen in Costa Rica mit dem Vorhaben dorthin reisen, Sex mit Prostituierten zu haben. Insgesamt macht das etwa 80.000 Sextouristen pro Jahr.

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Die Regierung ist sich des Rufs ihres Landes durchaus bewusst und möchte diesen verbessern. Sie will der für das Land ungemein wichtigen Tourismusindustrie dabei helfen, mehr wie Disneyland und weniger wie Thailand zu werden.

In den letzten Jahren ist die Polizei verstärkt gegen organisierte Menschenhändler und Zuhälter vorgegangen, die Sexmigranten und Kinderprostituierte ausgebeutet haben. Laut des Berichts des State Departments haben die Behörden im letzten Jahr 25 Razzien bei mutmaßlichen Menschenhändlern durchgeführt. Das State Department weist auch darauf hin, dass die costa-ricanische Regierung merkliche Anstrengungen unternimmt, seine historisch schlechte Bilanz im Kampf gegen den Menschenhandel umzukehren.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine 12-jährige Haftstrafe für Strecker. Sie wirft ihm vor, dass er in drei Fällen gegen das Werbeverbot für Sexarbeit verstoßen habe—auf seinem Blog, seiner Facebook-Seite und in YouTube-Videos.

Die Strafverfolgungsbehörde basiert ihre Anklage auf bestimmten Fotos, die Strecker auf den verschiedenen Seiten veröffentlicht hatte, sowie bestimmten Passagen der Blogposts. In einem solchen Eintrag, den die Ermittler laut Strecker besonders eifrig hervorgehoben hätten, steht der Satz: "Dein Vergnügen ist nur durch die Größe deines Geldbeutels begrenzt."

Streckers Anwalt, Luis Diego Chacón, ist davon überzeugt, dass der Fall wahrscheinlich fallengelassen wird, wenn die Verhandlung im November beginnt. Das Sextourismusgesetz sei immerhin dazu gedacht, organisierte Menschenhändler zu bekämpfen und nicht Blogger.

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"Dieses Gesetz war nicht für Menschen gedacht, die eine Reise-Website betreiben", sagte er gegenüber VICE. "Auf der Seite finden sich keine Ausdrücke und Formulierungen, die in seinem Heimatland, den Vereinigten Staaten, als unangemessen gelten."

Falls es doch zu einer richtigen Verhandlung kommen sollte, wird Chacón die Richter wahrscheinlich mit dem Argument zu überzeugen versuchen, dass die Server der Domain in den USA stehen und dementsprechend amerikanisches Recht gelte.

Da sich die Vorwürfe vor allem an dem Werbecharakter seiner Posts aufhängen, wird Streckers Verteidigung argumentieren, dass seine Seiten lediglich Informationen über die Sexarbeit im Land liefern und nicht dafür werben wollten. Strecker behauptet, dass er vor seinem Blog Hunderte E-Mails von Reisenden erhalten habe, die von ihm die besten prostituiertenfreundlichen Hotels und sichersten Gegenden für Gringos wissen wollten. Anstatt also jedem einzeln zu antworten, habe er seine Ratschläge über seine Website verbreitet.

"Jede einzelne Handlung, die man mir vorwirft, ist legal", sagte er. "Die sollten mir eher dafür danken, dass ich ein paar dieser Typen vor dem Kram gewarnt habe."

Stattdessen drohen ihm jetzt über zehn Jahre Gefängnis. Für den Pseudo-Promi ist das ein tiefer Fall. Während seiner einjährigen Untersuchungshaft musst er sich gezwungenermaßen damit auseinandersetzen, warum er überhaupt erst ins Fadenkreuz der Ermittler geraten war.

Er persönlich kann sich das alles nur damit erklären, dass er zum Hauptprotagonisten einer Regierungskampagne geworden war, anhand derer eine Nachricht an Sextouristen wie ihn geschickt werden soll.

"Das ist ein Land, in dem du sofort bezahlst, wenn du etwas Falsches sagst", so Strecker. "Ich bin davon überzeugt, dass an mir ein Exempel statuiert werden soll."