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Kranker Scheiß aus dem Leben eines angehenden Arztes

"Ein Mann erklärte, er hätte sich in der Kirche auf eine Kerze gesetzt. Ganz genau. Passiert mir auch ständig."
Lefteris | flickr.com | CC BY-SA 2.0

Unser Mitleid für Ärzte hält sich normalerweise in Grenzen. Das ist auch irgendwie verständlich, weil Ärzte in der Regel ziemlich viel Geld dafür verdienen, dass sie unsere schlimmsten Seiten kennenlernen und behandeln. Die Gesellschaft behandelt Mediziner gut—aber das bedeutet nicht, dass das Leben Mediziner nicht auch manchmal schlecht behandelt.

Vor allem, wenn es Ärzte in Ausbildung sind, die trotz der Aussicht auf ihren Dr.-med.-Titel mit 550 Euro im Monat durchkommen müssen und sich von Patienten mit Fresskörben bei Laune halten lassen. Alex* ist so ein angehender Arzt, der sich derzeit noch in seinem klinisch-praktischen Jahr befindet und jetzt schon einigermaßen viel kranken Scheiß erlebt hat. Nachdem wir euch bereits kranken Scheiß aus dem Leben einer Rezeptionistin, eines Zahnarztes und einer Sexshop-Mitarbeiterin geschildert haben, erzählt hier Alex ein paar Anekdoten aus seinem jungen Berufsalltag.

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Rektale Fremdkörper

Ich dachte früher immer, die Geschichten von Patienten, die sich etwas in den Arsch schieben und es selbst nicht mehr herausbekommen, sind entweder frei erfunden oder würden zumindest mir in meiner kurzen Praxiszeit nie passieren. Aber nach nur vier Monaten hatte ich bereits einen solchen Fall im Krankenhaus. Ein älterer Herr kam in die Notaufnahme und erzählte, er hätte sich in der Kirche unabsichtlich auf eine Kerze gesetzt. Wir versuchten ernst zu bleiben, denn jeder von uns dachte dasselbe: War der Typ nackt in die Kirche gegangen?

Der Mann blieb die ganze Zeit über bei seiner Version der Geschichte. Angeblich hatte er sich beim Beten hingekniet und sich danach auf eine Kerze gesetzt. Ich glaube, er wollte angesichts der Tatsache, dass er sich einen Gegenstand in den Hintern schob, besonders gläubig wirken. Wie peinlich es ihm war, dass er die Kerze nicht mehr selbst herausziehen konnte, muss ich wahrscheinlich nicht extra erwähnen. Deshalb gingen wir auch nicht näher auf den Unfallhergang ein.

Das Problem bei Gegenständen dieser Art ist, dass sie nicht nur den Darm verletzen, sondern auch selbst beschädigt sein können, was die Entfernung zusätzlich erschweren kann. So auch in diesem Fall. Das CT zeigte, dass die Spitze der Kerze bereits abgebrochen war. Wir spreizten also das Rektum auf und zogen die Kerze und die abgebrochene Spitze heraus. Zum Glück war der Darm nicht verletzt, denn in dem Fall hätte sofort operiert werden müssen. Studienkollegen berichteten schon öfter von Rektalunfällen im Krankenhaus. Ein Bekannter hatte sogar einen Fall mit einem Abflussstampfer, den sich ein Patient eingeführt hatte.

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Nackte Pensionistin

Foto: David Goehring | flickr.com | CC by 2.0

Eine ältere Patientin, die wegen Bluthochdruck in das Krankenhaus kam, war durch meine Anwesenheit so verwirrt und dachte die ganze Zeit, sie müsse ihren Oberkörper frei machen, weil sie beim Arzt sei.

Davor schloss die Krankenschwester sie an das EKG an. Für diese Untersuchung muss man bekanntlich seinen Oberkörper frei machen. Nachdem die Kollegin alle Kabel entfernt hatte, half sie der Dame noch beim Anziehen. Als ich dann später den Raum betrat, um mit ihr die Befunde zu besprechen, zog sie sich erneut aus. Ich drehte mich nur kurz um, um die Unterlagen zu sortieren, da hatte sie schon die Bluse aufgeknöpft.

Ich erklärte ihr, sie könne sich gern wieder anziehen, da nun keine Untersuchungen folgen werden, aber sie ignorierte mich einfach und sagte ständig, sie sei doch beim Arzt und sie müsse sich entkleiden. Weitere Erklärungen halfen nichts. Die Frau wurde immer verwirrter und wollte nicht auf mich hören. Ich sagte ihr, sie solle sich bitte wieder anziehen. Eine Kollegin bekam die Diskussion mit und eilte mir zur Hilfe. Die alte Dame sagte immer wieder: "Ich bin doch im Spital. Sie müssen mich jetzt untersuchen!" Mir wurde alles zu viel und ich ging raus, um mal einen Schluck Wasser zu trinken. Als ich die Koje verließ, folgte sie mir plötzlich—noch immer mit nacktem Oberkörper—und forderte ihre Untersuchung. Ich begleitete sie schnell zurück auf die Liege hinter dem Vorhang. Mir war das echt peinlich. Die nächsten zwei Wochen gingen ziemlich viele Scherze auf meine Kosten.

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Arbeitsunfälle mit Nadeln

Ich hatte einer Patientin Blut abgenommen und stach mir mit der Injektionsnadel in den Finger. Das Blut der Patientin wurde zwar vor der Abnahme getestet, aber die Ergebnisse waren noch nicht da. Ich wartete also auf ihren Befund und ließ mich gleichzeitig selbst testen. Leider passierte der Unfall an einem Freitag und ich musste drei Tage auf die Ergebnisse der Patientin warten, die schneller da sein sollten als meine. Zum Glück war sie gesund und einige Tage später stand auch auf meinem Befund, dass alles in Ordnung sei.

Fast alle Mediziner haben sich schon einmal mit Spritzen oder anderen Nadeln gestochen. Nach diesen Arbeitsunfällen wird sofort ein Test angefordert, denn im schlimmsten Fall geht es um den Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Studienkollegen erzählten mir auch von Unfällen während einer Operation, bei der sie die Gedärme des Patienten zurückhielten und der Arzt oder Ärztin ihnen mit dem Skalpell in den Finger schnitt. Man wartet ungeduldig auf die Testergebnisse und macht sich so lange Sorgen, bis man die Gewissheit hat, dass man sich mit keiner ansteckenden Krankheit infiziert hat.

Hepatitis-C-Blut im Gesicht

Foto: Ben Grantham | flickr.com | CC by 2.0

Ich war auch einige Zeit auf der Geburtenstation tätig—und zwar mit dem Ziel, einmal dabei zu sein, wenn ein Kind zur Welt kommt. Als es endlich soweit war, handelte es sich nicht um eine klassische Geburt, bei der die Eltern total glücklich ihr Baby erwarten, der Vater die Nabelschnur durchschneidet und alle auf einer rosaroten Wolke schweben. Nein. Die werdende Mutter hatte eine Drogenvergangenheit und sich damals mit Hepatitis C infiziert. Als ich in den Kreißsaal kam, hatte die Patientin bereits Presswehen und schlimme Schmerzen. Sie war verzweifelt und schrie wortwörtlich: "Das geht sich nicht aus. Meine Muschi explodiert!" Das war ziemlich heftig und wir versuchten, sie zu beruhigen. Das Köpfchen war schon da und sie griff nach unten, um den Kopf des Kindes zurückzudrücken und versuchte, die Beine zusammenzupressen. Leider mussten wir sie festhalten, um das Kind nicht zu gefährden.

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Es war echt schrecklich, diese panische Frau mit Schmerzen zu sehen, die gezwungen war, ihr Baby zur Welt zu bringen. Aber es ging nicht anders. Ein Kollege und ich hielten jeweils ein Bein fest und zum Glück war das Kind nach der nächsten Presswehe schon da. Es war ohnehin eine schwierige Geburt und die Hepatitis-C-Infektion kam noch erschwerend hinzu. Die Hebamme trug neben Handschuhen auch einen Schutzanzug und Brillen.

Als alles vorbei war, zog sie die blutigen Gummihandschuhe aus. Ich stand auf der anderen Seite des Bettes und bekam eine komplette Blutdusche ab, weil der Handschuh über ihre Hand schnalzte wie ein Gummiringerl. Ich hatte das infizierte Blut auf der Kleidung, überall im Gesicht und sogar im Auge. Ich schrie sie an, lief raus und wusch mich komplett mit Desinfektionsmittel. Die Kollegin entschuldigte sich nicht einmal anständig bei mir und meinte nur: "Oh, sorry." Es ging ihr wahrscheinlich um den Umstand, dass sie mir mein Gewand schmutzig machte und nicht darum, dass sie mich vielleicht mit einer gefährlichen Krankheit infizieren haben könnte. Ich denke, sie hat einfach nicht mitgedacht.

Auf die Kacke hauen

Ein Patient hätte eine Darmspiegelung bekommen sollen, die wir aber aufgrund seiner Verstopfung nicht durchführen konnten. Auch ein Einlauf half nichts und so musste ich den verhärteten Stuhl 'eigenhändig' rausholen. Ich zog in diesem Fall also drei paar Handschuhe an, führte den Zeigefinger in das Rektum, formte einen Haken und holte die Kackebällchen raus. Es kam immer mehr heraus und am Ende war eine ganze Nierentasse voll. Und falls sich jemand fragen sollte: Ja, ich kann danach noch zu Mittag essen.

Ich ekle mich generell nicht so sehr vor diesen Dingen, sonst könnte ich auch diesen Beruf niemals ausüben. Es gibt sicherlich Tätigkeiten, die ich lieber mag, aber in diesem Moment konzentriert man sich auf das, was man tut und tröstet sich damit, dass es dem Patienten bald besser gehen wird. Es hilft mir auch ein bisschen, wenn ich mir dabei in Gedanken Sätze vorsage wie: "Das ist nur ein Abfallprodukt" und nicht: "Oh Gott, das ist Kacke."

*Name geändert

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Titelbild: Lefteris | flickr.com | CC BY-SA 2.0