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Psychospiele auf der Gamscom

Messen sind ein Alptraum. Sie sind groß, laut und die Menschen dort meistens eine Zumutung.

Messen sind ein Alptraum. Sie sind groß, laut und die Menschen dort meistens eine Zumutung. Auf der Gamescom ist natürlich alles noch viel, viel schlimmer. Eigentlich mochte ich Computerspiele bis zum gestrigen Tag. Verdammt nochmal, ich habe früher als Kind Computerspiele über alles geliebt und seitdem dienten sie mir zuweilen als Therapieersatz und Meditationsübungen. Doch seit gestern, als es mich auf die Gamescom in Köln verschlagen hat, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich jemals wieder Freude beim Spielen eines Spiels empfinden kann. Ich bin psychisch sogar so angeschlagen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich überhaupt jemals wieder Freude bei irgendwas empfinden werde. Stunden über Stunden irrlichterte ich durch die riesigen Hallen, zuerst noch beeindruckt, irgendwann desorientiert, schließlich am Rande des Wahnsinns, während um mich herum die Welt in Kaskaden aus Stroboskopen, gellenden Explosionen und unreiner Gesichtshaut unterzugehen schien. Die Menschen um mich herum waren kaum älter als zwölf (vielleicht auch etwas älter, doch junge Menschen sehen für mich sewusit einiger Zeit eh alle vollkommen uniform aus), hatten entweder einen besorgniserregenden Hang zur Obesität oder eben Schwindsucht und keine Freude in ihren Augen. Sahen sie einen mit ihren kalten, rattenartigen Augen an, bekam man es mit der Angst zu tun, denn dies waren die Augen von Killern. Eiskalten Killern, die eben mit einer imaginären Axt einen geflügelten Minotaur gespalten haben oder ihre Panzerarmeen zum zigsten Mal im Level "Operation Barbarossa" gegen die Molotow-Linie geschickt haben. Es war einfach nur erschreckend.

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Das war das erste Bild, das sich mir auf der Gamescom bot. Ich war erst seit ein paar Minuten auf der Messe und schon litt ich an PTBS.

Genauso, von genau diesen Jungs werden in naher Zukunft alle Kriege geführt werden.

Verbeugt euch vor unserem zukünftigen Herrscher. Er hat nie eine Kindheit gehabt, niemals eine Frau geliebt und kennt keinerlei Mitleid, während er mit hunderten Klicks pro Minute die Erzförderstätten seiner Gegner plündert und brandschatzt.

Das letzte Gefühl, das ich spürte, bevor alles in mir dumpf wurde, war Mitleid. Sie tat mir wirklich wahnsinnig leid. Ich hätte sie am liebsten zärtlich in den Arm genommen, ihren Kopf an meine Schulter gelegt, ihre Haare gestreichelt und immer wieder "Alles wird wieder gut" geflüstert, während ich selber weinen müsste, da ich sie somit angelogen habe.

Liebe Kinder, das passiert, wenn ihr in der Schule nicht aufpasst und ewig Analphabeten bleibt. Ihr tötet Wall-E und diese beiden Freaks weiden ihn dann aus.

Der "Virtual DJ" brüllte in diesem Augenblick wirklich "Getdownonthemotherfuckingdancefloor!". Es war unglaublich.

Seit gestern hat er bereits mehr verdient, als ihr jemals in eurem Leben verdienen werdet, also lacht nicht.

Traurigerweise wusste er wirklich die vollkommen nutzlose Antwort auf diese vollkommen hirnrissige Frage.

Spiele werden dem echten Leben immer ähnlicher. Dieses hier nannte sich "Soziale Ausgrenzung & Selbsthass". Wieder einmal war ich zutiefst von dieser offen proklamierten Menschenfeindlichkeit auf der Gamescom schockiert. Ein dickes Mädchen in einen Schaukasten zu stecken und vor Publikum umherspringen zu lassen, bis sie schweißgebadet ist, entstammt ja wohl wirklich eher der Zirkuskultur des 19. Jahrhunderts.

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Nachdem ich ihn minutenlang in schierer Fassungslosigkeit dabei beobachtete, wie er dieses Meisterwerk auf den Bildschirm zauberte, hat mich seine kindlich-debile Freude im Anschluss mehr als nur zutiefst verstört.

Die Bundeswehr war auch vertreten. Man durfte virtuell Bogenschießen und als ich fragte, was das denn mit moderner assymetrischer Kriegsführung zu tun hätte und ob sie jemals den Film Wargames gesehen hätten, den ich trotz oder gerade wegen Matthew Broderick ja ganz exzellent finden würde, bekam ich die Antwort "Auch die Bundeswehr muss mit der Zeit gehen, Bedrohungslagen haben sich gewandelt und die Armee wird durch die bevorstehende Reform ein neues Gewand bekommen, das auch für junge Leute von Interesse ist. Besonders der Beruf des Mechatronikers, den man ebenfalls beim Bund erlernen kann…" Whatwigidiwiwhatever dachte ich mir und ging wortlos nach Hause, um all meine Spiele und Konsolen auf Ebay zu verscherbeln.

Ich widme diesen Artikel allen Hostessen, die jeden Tag auf Messen in aller Welt unter Beweis stellen, dass sie das Salz dieser Erde sind. Eines Tages werden sie alle erfolgreiche Anwältinnen und Psychologinnen sein und hier findet ihr noch mehr Bilder von diesen zukünftigen Nobelpreisgewinnerinnen.