'B-Styler' sind japanische Teenager, die gerne schwarz wären

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'B-Styler' sind japanische Teenager, die gerne schwarz wären

Sie gehen ins Sonnenstudio, um dunkler zu werden, tragen Kontaktlinsen und sagen gerne „Motherfucker“.

Die holländische Fotografin Desiré van den Berg hat die letzten sieben Monate damit verbracht, durch Asien zu reisen. Momentan lebt sie in Hongkong, aber als sie Dezember letzten Jahres in Tokio war, hat sie Hina kennengelernt. Hina ist 23 Jahre alt und arbeitet in einer angesagten Boutique mit dem Namen Baby Shoop. Die Tagline des Ladens lautet „Black for Life“ und dementsprechend werden die Produkte als „Tribute to Black culture: the music, the fashion and style of dance“ angepriesen.

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Hinas Auftreten richtet sich voll und ganz nach dem, was in Japan „B-Style“ genannt wird—einer Wortkreuzung aus „Black“ und „Lifestyle“, die die Subkultur junger Japaner beschreibt, die amerikanische HipHop-Kultur so sehr lieben, dass sie wirklich alles dafür tun, so afro-amerikanisch wie nur irgendwie möglich auszusehen.

Ich habe Desiré angerufen, um mehr darüber zu erfahren, wie es war, Hina und ihre Gang zu fotografieren.

VICE: Wie hast du Hina getroffen?
Desiré van den Berg: Sie tauchte schon vor ein paar Jahren in einer Dokumentation über B-Style auf, die ich zufällig gesehen habe. Das war auch der Grund, warum ich überhaupt anfing, mich für diese Subkultur zu interessieren. Es war zwar etwas aufwendig, aber letztendlich bin ich dann über andere B-Styler via Facebook mit ihr in Kontakt gekommen. Ich habe ihr gesagt, dass ich Fotos von ihr machen wollte, und sie fand das sofort ziemlich cool. Das Ganze war allerdings etwas stressig, weil Hina und die anderen B-Styler kein Wort Englisch sprachen. Allein, um einen Termin auszumachen, brauchten wir einen Übersetzer und für das erste richtige Treffen dann natürlich auch.

Wie verstehen B-Styler denn dann die Rap-Lyrics?
Hina spricht ein kleines bisschen Englisch, aber bei Weitem nicht fließend. Sie benutzt auch gerne englische Slangwörter, wenn sie sich auf Japanisch mit ihren B-Styler-Freunden unterhält: Sie beendet einen Satz dann mit „man“ oder spaßt mit Schimpfwörtern wie „motherfucker“ rum.

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Ich weiß, dass es in Japan von abgefahrenen Subkulturen nur so wimmelt, aber wie erklärst du dir diese eine?
Es gibt halt solche Sachen wie die Harajuku Girls, was ich als eher normal bezeichnen würde, aber andere nehmen sehr extreme Auswüchse an. B-Style ist so eine Sache, die du auf einer Seite wie wtfjapanseriously.com finden würdest. Hina selber reist oft nach New York und betet Amerika förmlich an. Das japanische Fernsehen ist auch voll von amerikanischen Filmen und amerikanischer Werbung, das dürfte auch ein Grund dafür sein. Für sie ist Amerika das gelobte Land.

Hina bei der Arbeit

Ist B-Style in Japan eine große Sache?
Nein, es ist eher klein. Man sieht die Leute nicht wirklich so auf der Straße, du musst schon nach ihnen suchen. Hina sagte, dass es vor ein paar Jahren noch größer war, aber inzwischen sind in jeder Stadt nur noch einige Die-Hard-Fans übriggeblieben. Es ist definitiv keine Mainstream-Sache und, um es als Subkultur zu bezeichnen, ist es fast schon zu klein.

Was machen B-Styler wie Hina die meiste Zeit?
Hina geht jede Woche in ein Bräunungsstudio, um ihre Haut dunkler aussehen zu lassen. Ich war ziemlich überrascht, dass es solche Läden überhaupt in Japan gibt, weil es dort eigentlich als schön gilt, so blass wie möglich zu sein.

Nur um das noch mal klarzustellen: Hina ist zu 100 Prozent Japanerin und hat von Natur aus eine eher blasse Haut. Sie ist nur so dunkel, weil sie jede Woche auf die Sonnenbank geht und beim Schminken wirklich dunkle Grundierungen benutzt. B-Styler hören außerdem viel HipHop und gehen zu afrikanischen Friseuren, um sich Braids und lockige Haare verpassen zu lassen. Diese Salons findet man vor allem in den Ghettos von Tokio, und sie werden von der kleinen afrikanischen Community dort betrieben. Hina trägt auch farbige Kontaktlinsen mit einem helleren Braunton, um ihre Augen größer aussehen zu lassen.

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Das Publikum bei einem B-Style-Event. Die Jungs bräunen sich auch, um dunkler und weniger „japanisch“ auszusehen.

Treffen sich B-Styler auch oder ist das eine Sache, die vor allem online stattfindet?
Es gibt spezielle B-Style-Veranstaltungen, bei denen vornehmlich japanische Jugendliche breakdancen und zu HipHop und R’n’B tanzen. Obwohl die Events vor allem von Japanern besucht werden, hörst du überall den typischen Slang. Als ich einmal so eine Veranstaltung besucht habe, hatte ich plötzlich das Gefühl, dass sich alles zusammenfügte. Ich merkte auch, dass es eine größere Gruppe war, als ich vermutet hatte.

Gibt es Leute, die das für unangebracht oder geschmacklos halten?
Wie es aussieht, jedenfalls nicht in Japan, aber in den meisten Kommentaren auf YouTube gibt es echt harte Anfeindungen. Für viele ist dieses Typecasting von Afro-Amerikanern einfach komplett daneben. Hina und andere B-Styler sind sich dessen aber nicht wirklich bewusst.

Die Baby Shoop Tagline „Black for Life“ auf einem T-Shirt

Was denken denn die Familien der B-Styler über diesen Lebensstil?
Als ich in Japan war, habe ich gemerkt, dass es als extrem unhöflich angesehen wird, Menschen anzustarren. In den Straßen laufen wirklich die beklopptesten Leute umher, aber niemand starrt sie an—also jedenfalls nicht so, wie das die Menschen in den Niederlanden machen würden, wo ich herkomme. Es ist also vielleicht etwas einfacher für die Menschen dort, so zu sein, wie sie wollen. Hinas Eltern haben auf jeden Fall kein Problem damit. Ihre Mutter sieht es als Phase an, die auch wieder vorübergehen wird. Obwohl sich Japaner in Gruppen am wohlsten fühlen, ist es immer noch ein Land voller Extreme, die es aber schaffen, relativ gut nebeneinander zu existieren.

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Hier kannst du noch mehr von Desirés Arbeiten sehen.

Hina in ihrer Heimatstadt Tokyo.

Verkauf im Baby Shoop—einer Boutique für B-Styler.

Ein ehemaliger B-styler zeigt ein Foto, dass sie mit einer Freundin in einer "purikura" (japanische Fotokabine) gemacht hat, als sie noch auf B-Style stand. Ihr Spitzname war „Big Mama“.

Rapper bei einem B-Style-Event in Shibuya, Tokyo.

Lookbooks einer der wenigen japanischen Marken für B-Styler. Kendrick Lamar's berühmte Line "bitch don't kill my vibe" findet man auf alles mögliche gedruckt.

Baby Shoop's Tagline „Black for life“ auf einem T-shirt.

Hinas Youtube-Video über B-Style wurde so oft gesehen, dass Leute sie sogar in den Ferien in den USA erkannt haben.