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Elternbesuche

Wir haben Menschen gefragt, wie die Besuche ihrer Eltern sie in den Wahnsinn treiben

"An ihrem Geburtstag wollte meine Mutter unbedingt mit mir zu einer Tango-Tanzveranstaltung – im KitKat Club."

"Kann nicht feiern gehen, meine Eltern kommen am Wochenende."

Wenn deine Freunde eine Verabredung mit diesen Worten absagen, weißt du, dass die Situation ernst ist. Wie ernst, fasst ein Guide mit Lifehacks für Elternbesuche zusammen: "Versteck deine Bong, fertige eine Liste mit den besten mexikanischen Restaurants der Stadt an und hab keine Angst, sie aus deinem WG-Zimmer zu werfen, wenn es eng wird."

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Dass sich die Eltern zum Besuch ankündigen, lässt viele schon Tage vorher in einen regelrechten Aufräum-Wahn verfallen. Und sind sie erstmal da, wird es nicht besser: Sie halten dir fragend dein Vibrator-Ei unter die Nase, merken sich auch nach dem sechsten Besuch nicht, an welchem U-Bahn-Hof sie aussteigen müssen, und zwingen dich in deiner eigenen Wohnung dazu, zum Rauchen auf den Balkon zu gehen.

Und bei euch so?

Lea, 29

Foto: Privat

VICE: Wie oft besuchen dich deine Eltern?
Lea: Meine Eltern kommen zu mir, wenn Schalke ein Auswärtsspiel in meiner Stadt hat, wir gehen dann immer zusammen ins Stadion. So können sie beides machen: Ihre Tochter sehen und auswärts eine Currywurst essen. Das war schon so, als ich noch in Berlin gelebt habe, und jetzt in Köln ist es genauso. Manche finden das ignorant, ich finde, das ist ein schönes Ritual. Meistens bleiben sie dann zwei, drei Tage.

Womit treiben dich deine Eltern beim Besuch in den Wahnsinn?
Meine Eltern stehen total auf Zoos. Da wollen die dann immer am Tag nach dem Spiel hin. Es ist schon weird, wenn wir Drei dann zwischen Familien mit Kleinkindern und eingesperrten Orang-Utans rumrennen. Aber irgendwie mag ich die Anachronie auch. Zwischendurch gibt es Pommes und Eis, wie früher. Bis wir zum Aquarium kommen, ist alles OK. Aber dann geht's los: Mein Vater ist ein riesen Fisch-Nerd, wenn er über eine Sache ausgiebiger als über Schalke sprechen kann, dann sind es Fische. "Blabla, guck mal diese Pflanze, guck mal dieser Fisch BLA BLA BLA." Fischreferate sind der Nerv-Dauerbrenner meines Vaters.

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Sagst du ihnen, was dich stört?
Ja klar, mein Vater weiß, dass ich mich nicht für Fische interessiere. Die Sache ist nur: Das ist ihm egal.

Florian*, 26

VICE: Verbringst du viel Zeit mit deinen Eltern?
Florian: Nicht wirklich. Sie besuchen mich etwa alle zwei Jahre, und ich fahre eigentlich nur an Weihnachten zu ihnen – und wenn ich auf den Hund aufpassen muss, während sie im Urlaub sind. Sie wohnen in Bayern.


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Würdest du dir wünschen, dass deine Eltern dich weniger oft besuchen?
Ich habe das Gefühl, dass wir uns auseinandergelebt haben. Seit ich in Berlin Sozialwissenschaften studiere, versuche ich, mich menschlich weiterzubilden und politisch zu engagieren. Ich arbeite zwei Mal in der Woche in einer Unterkunft für Geflüchtete und spiele mit den Jugendlichen Fußball. Ich schäme mich dafür, aber ich finde, meine Eltern haben ein Rassismus-Problem: Dauernd reden sie davon, dass "die Flüchtlinge sich anpassen sollen", dass sie "keine Frauen respektieren" oder "nur unser Geld wollen". Wenn sie mich besuchen, endet das meistens nach wenigen Tagen in Diskussionen.

Sagst du ihnen, was dich stört?
Ich versuche, meinen Eltern zu erklären, warum Menschen flüchten. Nicht alle können sich ein eigenes Haus und zwei Autos leisten. Manchmal zeigen die beiden Einsicht oder reißen sich zumindest für die Zeit des Besuchs zusammen, aber zu Hause unter Freunden verfallen sie schnell wieder in alte Muster. Ich finde nicht gut, was sie machen, und sie finden nicht gut, was ich mache. Mich belastet das, aber ich glaube, sie nehmen das nicht so ernst.

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Sumit, 30

VICE: Was nervt dich an deinen Eltern am meisten, wenn sie dich besuchen?
Sumit: Meine Eltern wohnen in Texas, aber sie kommen trotzdem ein Mal pro Jahr zu Besuch nach Deutschland. Dann bleiben sie immer gleich zwei bis drei Wochen, damit sich die Reise lohnt – und das seit sechs Jahren. Sie nisten sich dann regelrecht in meiner Wohnung ein und fassen alles an, nach dem Motto: "Was deins ist, ist auch unseres". Ich bin etwas neurotisch, deswegen treibt es mich total in den Wahnsinn, wenn sie überall stöbern und alles hochheben und umstellen.

Wenn du deinen Eltern eine Nachricht für den nächsten Besuch mitteilen könntest, was würdest du ihnen sagen?
Wie alle Eltern verlangen auch meine, dass ich besonders viel Zeit mit ihnen verbringe, wenn sie hier sind. Das verstehe ich, aber das geht nicht – ich muss schließlich arbeiten. Also: Gebt mir mehr Freiraum!

Katja, 29

VICE: Wie oft besuchen dich deine Eltern?
Katja: Ich lebe seit drei Jahren in Berlin. Meine Eltern waren nur ein Mal aus Portugal zu Besuch – und das hat mir auch schon gereicht.

Was habt ihr gemacht?
Sie waren eine Woche lang hier und wollten, dass ich sie ständig überall herumführe und ihnen die Stadt zeige. Das ging nicht, weil ich jeden Tag arbeiten musste. Aber ich habe ihnen dann natürlich doch ein paar Berliner Touristenattraktionen gezeigt.

Was hat dich am Besuch deiner Eltern genervt?
Sie haben nicht verstanden, dass ich hier mein eigenes Leben habe und mir nicht dauernd Zeit für sie nehmen kann. Als sie hier waren, musste ich oft sagen: "Das könnt ihr euch auch alleine anschauen." Danach waren sie nicht noch mal hier. Das liegt aber nicht daran, dass es ihnen bei mir nicht gefallen hat – ich fliege jeden Monat nach Hause und besuche meine Familie.

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Elena, 24

VICE: Wie oft besuchen dich deine Eltern?
Elena: Meine Eltern sind geschieden. Mein Vater war mit seiner Familie zum letzten Mal vor sechs Jahren hier, kurz nachdem ich nach Berlin gezogen bin. Meine Ma kommt etwa drei Mal im Jahr vorbei, oft auch spontan. Letztes Jahr hatte ich morgens eine Nachricht von ihr auf dem Handy: "Sitze am Flughafen, hab mir gestern Nacht ein Flugticket gekauft. Bis in zwei Stunden!"

Freust du dich, wenn sie da sind?
Klar, ich fliege schließlich nur ein bis zwei Mal im Jahr nach Österreich, um sie zu besuchen. Ich freue mich aber auch immer, wenn sie wieder weg sind.

Warum?
Meine Mutter dreht in Berlin immer richtig auf: Sie will feiern, neue Leute kennenlernen und das Umland besuchen. Ich finde es natürlich schön, wenn sie Spaß hat, aber an all ihren Ausflügen will ich dann doch nicht teilnehmen. An ihrem Geburtstag wollte sie unbedingt mit mir zu einer Tango-Tanzveranstaltung – im KitKat Club. Ich habe sie nach langen Diskussionen eine Stunde lang begleitet und bin um Mitternacht nach Hause gegangen. Sie kam am nächsten Morgen um halb zehn zurück. Das KitKat war durch die Tanzveranstaltung zum Glück etwas gesitteter als sonst, die Leute wollten wirklich nur Tango tanzen. Ich will trotzdem nicht wissen, wo sich meine Mutter die ganze Nacht herumgetrieben hat.

*Name geändert.

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