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Das verstörende Ergebnis einer Überdosis Potenzmittel

Das Medikament hat offenbar die Netzhaut des 31-Jährigen angegriffen. Ärzte befürchten: Das lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
Bild: Shutterstock | tommaso79

Ein 31-Jähriger hat sich mit ungewöhnlichen Beschwerden in einem New Yorker Krankenhaus vorgestellt. Nachdem er große Mengen eines Potenzmittels geschluckt hatte, das er im Internet gekauft hatte, sah er fortan alles mit einem Rotstich. Das Potenzmittel nahm er vor über einem Jahr ein, kein Mittel konnte bisher sein Leiden lindern.

Die Ärzte diagnostizierten eine toxische Schädigung der Netzhaut, das sei der Grund für die gestörte Farbwahrnehmung. Der Befund: Irreversible Erythropsie, die umgangssprachlich auch als Rotsehen bezeichnet wird.

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Die Symptome traten auf, kurz nachdem der Mann Sildenafil-Citrat eingenommen hatte, ein Wirkstoff in vielen handelsüblichen Präparaten gegen Erektionsstörungen. Er hatte das Mittel online gekauft und es laut eines ärztlichen Gutachtens in flüssiger Form "direkt aus der Flasche" getrunken.

Hochauflösende Bilder belegen Netzhautschädigung

Der Fall wirkte so kurios, dass Forschende des Mount Sinai Hospital in New York eine Fallstudie mit dem Mann begannen. Sie untersuchten seine Augen mit den fortschrittlichsten Methoden der Medizin. Dabei stellten sie strukturelle Veränderungen an der Netzhaut fest. Ihre Ergebnisse haben sie Anfang Oktober in der Fachpublikation Retinal Cases veröffentlicht.

"Mit dieser Art von strukturellen Veränderungen hatten wir nicht gerechnet, aber sie erklären die Symptome, unter denen der Patient litt", sagte Dr. Richard Rosen, der Hauptautor der Studie, in einem Statement.

"Obwohl bereits bekannt ist, dass eine gestörte Farbwahrnehmung eine Nebenwirkung dieses Medikaments ist, konnten wir nun erstmals zeigen, welchen strukturellen Effekt das Medikament auf die Netzhaut hat", fügte Rosen hinzu.

Hochauflösende Bilder und Querschnittsaufnahmen seiner Augen zeigten Schäden an der äußeren Netzhaut und den Zapfenzellen – Fotorezeptoren in der Netzhaut, die für die Farbwahrnehmung zuständig sind.


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Der Wirkstoff steckt in vielen Potenzmitteln

Auch das wohl bekannteste Potenzmittel Viagra enthält den Wirkstoff Sildenafil-Citrat. Der Pharmakonzern Pfizer, der Viagra vertreibt, distanzierte sich jedoch sofort von dem Vorfall.

Ein Sprecher von Pfizer sagte gegenüber Motherboard, dass Viagra in einigen Medienberichten zu Unrecht mit dem Fall in Verbindung gebracht worden war. "Im Statement des Krankenhauses heißt es, dass der Mann flüssiges Sildenafil-Citrat im Internet gekauft hat. Er hat eine nicht definierte Dosis dieses Medikaments genommen, von dem wir nicht wissen, ob es verschreibungspflichtig war", sagte er und fügte hinzu, dass flüssiges Sildenafil-Citrat als Potenzmittel nicht zugelassen sei.

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Eine Sprecherin des Mount Sinai Hospitals bestätigte gegenüber Motherboard, dass der Mann kein Viagra eingenommen hatte.

Bereits in der Vergangenheit wurden vorübergehende Sehstörungen mit Potenzmitteln in Pillenform in Verbindung gebracht, darunter extreme Lichtempfindlichkeit und verschwommenes Sehen. Einige Patienten litten unter Zyanopsie, einer Störung des Farbensehens, bei der alle Gegenstände blau erscheinen.

Bisher ist nur ein weiterer Fall einer langfristigen toxischen Störung der Netzhaut bekannt, die aber innerhalb eines Jahres wieder verschwand.

Wahrscheinlich schluckte der Mann viel zu viel

Es ist nicht öffentlich bekannt, wieviel von dem Medikaments der Mann eingenommen hatte. Laut des Arztberichtes waren es wahrscheinlich "wesentlich mehr als die empfohlenen 50mg/ml" – vermutlich ist diese hohe Dosis der Schlüssel für seine Beschwerden.

Weil er das Medikament online gekauft hat, glauben die Ärzte, dass es auch ein Problem mit der Zusammensetzung des Produkts gegeben haben könnte. Eine Studie von 2011 fand heraus, dass 77 Prozent der "Viagra"-Pillen, die auf 22 Apotheken-Websites in den USA verkauft wurden, Fälschungen waren. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat öffentlich davor gewarnt, gefälschte Potenzmittel zu kaufen. Auch das Bundesarzneimittelinstitut warnt seit Jahren vor Arzneimittelfälschungen aus dem Netz.

"Viele Menschen glauben an die Binsenweisheit 'viel hilft viel'", warnt Dr. Rosen. "Diese Studie zeigt, wie gefährlich eine große Dosis eines gängigen Medikaments sein kann."

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Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.