Wir haben junge Leute gefragt, wie weit Battle-Rap gehen darf
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Wir haben junge Leute gefragt, wie weit Battle-Rap gehen darf

"Ich finde, dass der Deutschrap grundsätzlich ein wenig oberflächlich geworden ist. Dass er sich vielleicht auch zu sehr mit politischen Themen beschäftigt und nicht mehr mit den wahren Problemen der Straße."

Die Diskussionen um Farid Bang und Kollegah nehmen derzeit kein Ende. Trotz des Vorwurfs, eine antisemitische Zeile gerappt zu haben, gewannen die Rapper einen Echo und schon hagelte von allen Seiten Statements. Die Geissens, Heiko Maas oder Marius Müller Westernhagen: Jeder scheint gerade Stellung dazu beziehen zu wollen, worüber eigentlich gerappt werden darf – ob man sich jetzt mit der Materie Battle-Rap auskennt, oder eben nicht.

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Unweigerlich wird damit auch die alte, immer wiederkehrende Frage aufgewühlt: Wie weit darf Musik und gerade Battle-Rap gehen? Kann man unter dem Schutz der Kunstfreiheit alles rappen, was man will? Und welche Auswirkungen hat das alles auf die jüngeren Hörer? Es geht dabei nicht mehr nur um Farids geschmacklose Auschwitz-Zeile, sondern um mögliche Grenzen des harten Raps im Allgemeinen.

Aus gegebenem Anlass haben wir die Menschen gefragt, um die sich in dieser Debatte traditionell die meisten Sorgen gemacht werden: junge Menschen. Getroffen haben wir sie in Berlin, zwischen Alexanderplatz und Kottbusser Tor.

Chris, 19

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap deiner Meinung nach gehen?
Chris: Battle-Rap ist grenzenlos. Wenn man Grenzen setzen würde, dann wär es kein Battle-Rap mehr. Weil man dann den Rapper in seiner Aussage eingrenzen würde und in einen Rahmen packen würde, wo kein Rahmen existieren sollte. In der Kunst nicht, und deswegen auch nicht im Battle-Rap.

Wie würdest du denn Battle-Rap definieren?
Battle-Rap ist meiner Meinung nach, wenn ein Rapper eine anderen Rapper konfrontiert und aufzieht, ihn beleidigt, oder mit anderen stilistischen Mitteln konfrontiert.


Noisey-Video: "Willkommen in Chiraq (Folge 1)"


Gibt es da also kein Tabu?
Nein, absolut nicht. Meiner Meinung nach ist die Frage, wie es in die Welt hinausgetragen wird. Wenn der Battle-Rapper damit dann Kommerz gehen will, ist es vielleicht eine Frage der Moral. Aber im Prinzip stellt der Künstler sich ja auch nicht selbst dar, sondern ein Alter-Ego. Und damit kann er im Grunde genommen nicht dafür belangt werden, dass er diese Texte oder Inhalte verwendet.

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Lily, 23 und Pablo, 24

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap gehen?
Lily: Es muss schon gewisse Grenzen geben im Deutschrap, finde ich. Manche Lines find ich schon ein bisschen zu heftig.

Was ist eurer Meinung nach tabu?
Pablo: Frauenfeindlichkeit, oder so rechte Sachen, oder besonders Linkes, und alles was grundsätzlich gegen Ausländer geht. Provozieren kann man ja nur, wenn man was übertreiben oder was verändern will. Wenn man jetzt aber gegen Frauen rappt … Was hat man denn davon, wenn man Frauen provoziert? Ich weiß nicht, welche Veränderungen soll das denn bewirken?

Glaubt ihr, dass gerade die jungen Fans verstehen, wie Battle-Rap gemeint ist?
Lily: Definitiv: Nein. Wenn ich höre, dass meine elfjährige Schwester 187 Strassenbande hört, dann wird mir schon übel. Ich kenne ja diese Texte und das ist echt nicht für Kinder unter 17 geeignet. Vieles an den Texten ist schockierend, gerade für Kinder – die wissen ja nicht, was sich gehört und was nicht. Woher denn auch. Wenn die das vorgerappt bekommen, denken die, das ist richtig so. Und wenn dann kommt, "Ich hau die Bitch" oder was weiß ich, woher soll meine elfjährige Schwester dann wissen, dass das nicht in Ordnung ist?

Pablo: Aber da ist ja nicht nur das Alter das Problem, sondern auch der Bildungsstand. Wenn sie provozieren und übertreiben, nehmen das manche als stilistisches Mittel wahr und andere nehmen es genauso auf, wie es eben gesagt wurde. Nämlich, dass sie jetzt einer Ollen eine reinhauen. Dann macht das Alter natürlich auch noch einen starken Unterschied. Ob derjenige jetzt 12 ist oder 19, sich schon mit der Materie auseinandergesetzt hat und in der Schule was darüber gehört hat, oder nicht.

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Lily: Oh und ich habe vor ein paar Tagen auf Instagram ein Video gesehen, von Ufo, so mit Hustensaft, ne? Der postet das, sagt dann noch: "Kinder, macht das nicht, das ist nicht gut, mein ich ernst!" Dann sollte man sowas auch echt nicht zeigen, oder? Das finde ich ganz schlimm.

Tim, 20

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap deiner Meinung nach gehen?
Tim: Also grundsätzlich ist mir das relativ egal, mich interessiert das nicht so wirklich. Ich höre deutschen Rap auch gar nicht. Ich denke aber grundsätzlich, dass Rap immer auch ohne Kraftausdrücke auskommen kann. Der Rapper NF zum Beispiel, der ist heute auch in Berlin, den finde ich ziemlich stark. Der rappt über wirklich relevante Themen und kommt ohne Frauenfeindlichkeit und Beleidigungen aus, was ich viel cooler finde. Das berührt Menschen und bringt sie weiter, das ist nicht nur dummes Gelaber.

Welche Themen sind für dich tabu?
Gerade bei den Rappern, die in den Medien sind, ist es ja so, dass manche sagen, es könnte antisemitisch sein. Andere sagen aber, es ist noch im Rahmen der Kunst. Aber wenn es noch deutlicher artikuliert werden würde, das wäre schon ein No-Go. Was ich nicht leiden kann, sind inhaltslose Texte auf einem Mainstream-Beat. Da braucht man nicht viel Können dafür. Auch wenn es dann einfach nur frauenverachtend ist und sonst nichts.

Mascha, 19

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap deiner Meinung nach gehen?
Ich finde, dass der Deutschrap grundsätzlich ein wenig oberflächlich geworden ist. Dass er sich vielleicht auch zu sehr mit politischen Themen beschäftigt und nicht mehr mit den wahren Problemen der Straße. Früher hat Bushido zum Beispiel einfach über sein Leben gerappt und war dabei sehr authentisch. Mittlerweile geht es halt, wie man in den Medien auch mitbekommt, auch bei politischen Themen oder Antisemitismus unter die Gürtellinie. Dinge, die einfach nicht in die Musik gehören oder nicht unbedingt als Diss ausgetragen werden müssten.

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Welche Themen sind für dich tabu?
Es kommt immer drauf an, wie die Themen behandelt oder rübergebracht werden. An sich kann man jedes Thema ganz neutral betrachten, aber sobald es nur noch in Beleidigungen umschwenkt, dann ist das halt nicht mehr die Plattform, weil es dann doch sehr viele junge Menschen erreicht.

Die Rapper haben immer noch eine Vorbildfunktion und sollten sich dessen auch bewusst sein. Daher sollte man manche Themen einfach meiden und lieber wieder auf alltäglichere Themen zurückgreifen. Probleme, die es auch immer noch gibt; Gentrifizierung und das alles. Ist schon viel vom Charme verloren gegangen in der Berliner Rapszene.

Wie geht es dir als junge Frau und HipHop-Fan beim Thema Frauenfeindlichkeit im Battle-Rap?
Ja, was soll man dazu sagen, sind halt Männer, ne? Ich fühle mich da nicht angegriffen. Es ist natürlich nicht sonderlich toll, aber manche Lines haben einfach irgendwie Charme. Jetzt bei Trettmann oder so auch, wenn der singt "die zugekokste Nutte" – da fühle ich mich ja nicht angegriffen. Das gehört einfach dazu.

Cansy, 23 und Hümeyra, 24

Noisey: Wie weit darf Rap eurer Meinung nach gehen?
Cansy: Es gibt ja so bestimmte Rapper, die sehr beleidigen. Zwar singt man ab und zu mit, aber im Nachhinein denkt man sich "schon echt krasse Worte". Man muss ja auch an die Zukunft denken, die Kinder wachsen damit auf. Meine kleinen Brüder zum Beispiel, die hören sich sowas auch ständig an und kennen die ganzen Texte auswendig. Ich denk mir dann: "Wieso hört ihr sowas?"

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Hümeyra: Ich find’s nicht schön, wenn kleine Kinder da mitsingen, aber ich selbst, wenn ich jetzt mit meinen Mädels im Auto bin, singe schon auch mit. Auch wenn man mir das vielleicht nicht ansieht. Wenn man unter Mädels ist, singen das alle Frauen mit, zum Beispiel dieses "Ich baller dich im Beifahrersitz". Ja, sowas singe ich auch mit.

Welche Themen sind für euch tabu?
Cansy: Ein Tabu wird es niemals geben. Man wird immer über alles rappen. Es ist jedem selbst überlassen, ob man das dann hört.

Hümeyra: Religion und Kultur sollte man rauslassen. Aber gut, Frauen und Männer und Jungs, über sowas kann man schon rappen. Sowas ist halt Alltag, da beleidigt man sich ja auch oft diesbezüglich gegenseitig. Also ich würde mich jetzt nicht angegriffen fühlen, wenn wer über Frauen rappt. Da weiß ich, dass ich nicht so bin. Ich sing’s einfach so mit.

Laura, 25 und Arne, 27

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap eurer Meinung nach gehen?
Laura: Also man sollte schon seine Meinung öffentlich preisgeben können, wir leben ja auch in einem Land, wo man Meinungsfreiheit hat. Aber man sollte natürlich auf seine Wortwahl achten, weil es schnell beleidigend wirken kann. Gerade gegenüber Frauen.

Wie geht es dir als junge Frau und HipHop-Fan beim Thema Frauenfeindlichkeit im Battle-Rap?
Laura: Also ich persönlich habe gar kein Problem damit, aber ich weiß, dass das bei vielen anderen Mädels auf jeden Fall falsch ankommt. Manche Sachen stimmen ja, manche halt nicht. Die gehen natürlich in Extreme und suchen bewusst die Sprache aus, die gehört wird, um Aufmerksamkeit erzeugen.

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Arne: Die wollen ja auch irgendwo provozieren. Ich sehe das auch irgendwo als Kunstform, und wenn man jetzt überlegt, was man so alles in Bildern zeigt, finde ich das vollkommen in Ordnung. Man sollte da seiner künstlerischen Freiheit freien Lauf lassen.

Welche Themen sind für euch tabu?
Laura: Vielleicht sollte es so eine FSK 16 geben. Die Kids haben doch keine Ahnung, was das heißt. Die hören nur diese Worte und benutzen das dann im normalen Sprachgebrauch. Das klingt dann natürlich schnell assi. Es sollte nicht an jedermann rankommen, aber das ist bei Musik schwierig. Irgendwie kommt man aber immer dran. Egal, wie alt du bist.

Lena, 20 und Fabian, 21

Noisey: Wie weit darf Battle-Rap gehen?
Fabian: Auf jeden fall ziemlich, ziemlich weit. Battle-Rap hat ja das Ziel zu provozieren.

Lena: Ich kann vieles davon nicht mit Humor nehmen. Wenn die sich gegenseitig dissen, ist mir das egal, aber manche Themen sind einfach tabu.

Welche Themen sind das?
Lena: Wenn man irgendwelche Gruppen mit reinzieht, oder wenn es um die Sexualität von anderen Leuten geht, oder um Behinderungen, Rassismus oder Antisemitismus. Mir persönlich geht das zu weit. Aber vielleicht ist das auch ein gesellschaftliches Problem, wo es doch eh nur noch um Grenzüberschreitungen geht. Man muss sich immer gegenseitig übertrumpfen.

Oft heißt es ja, die jungen Fans verstehen schon, wie die Punchlines gemeint sind, aber ist das so?
Fabian: Wenn man sich ein bisschen mit den Themen auseinandergesetzt hat, dann …

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Lena [unterbricht]: … Aber welcher 13-Jährige macht das?

Fabian: Es kommt natürlich auf die Person an, aber früher oder später erkennt man schon, dass es sich um Übertreibungen handelt und nicht so ernst gemeint ist. Wenn man das nicht schnallt, kann das nicht immer die Schuld vom Künstler sein. Man kann ja einem Komiker auch nicht die Witze verbieten, nur weil ein Kind das falsch verstehen könnte.

Fabian feiert die Musik ja sehr. Wie geht es dir dabei, wenn dein Freund frauenverachtende Texte hört?
Lena: Ich weiß ja, dass er das nicht so sieht. Es ist halt Image-Rap, das interessiert mich nicht. Einen Typen, der das ernst nimmt, würde ich nicht mal mit ner Kneifzange anfassen. Wenn zwei Typen sich batteln, dann sehe ich ich halt den Punkt nicht, sexistisch zu werden und Frauen mit reinzuziehen. Rammstein schocken und provozieren ja auch mit allen möglichen Themen und singen über Kannibalismus oder Wiener Blut, sogar aus der Sicht des Täters. Rassismus wurde ihnen bei "Mein Land" auch schon unterstellt, aber da sagt auch keiner mehr was.

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