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Die fünf wichtigsten Zitate aus Zuckerbergs Kongressanhörung – und was sie bedeuten

"Wir haben nicht genug getan": Der Facebook-Chef gibt sich vor dem US-Kongress bemerkenswert offen. Das Spannende an seiner bereits veröffentlichten Rede ist aber, was er nicht sagt.
Mark Zuckerberg
Mark Zuckerberg vor der UN im Jahr 2015 | Bild: Imago | Belga

"Das war ein großer Fehler, es war mein Fehler, und es tut mir leid" ­– mit unter anderem diesen Worten möchte Mark Zuckerberg am Mittwoch seine Aussage vor einem Ausschuss des US-Kongress einleiten. Das verrät eine vorab als PDF veröffentlichte Stellungnahme. Es ist die wohl wichtigste Rede des Facebook-Chefs in diesem Jahr. Selten in seiner über 14-jährigen Geschichte war Facebook so sehr unter politischem Druck.

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Seit Wochen kritisieren Medien und Politiker den Konzern massiv dafür, dass er die Daten seiner Nutzer nicht ausreichend geschützt hatte, sodass sie von Firmen wie Cambridge Analytica für politische Kampagnen genutzt werden konnten. Zuvor stand Facebook in der Kritik, weil der Konzern im US-Wahlkampf russischen Propagandisten eine Plattform für ihre Botschaften gegeben hatte.

Facebook ringt jetzt nicht nur um das eigene Image, sondern auch um seine Rolle in der Gesellschaft. Welches Selbstbild hat der Konzern und was haben wir von Zuckerberg und Facebook in den nächsten Jahren zu erwarten? Das verraten fünf bemerkenswerte Zitate aus Zuckerbergs Rede.

1. "Meine erste Priorität war (…) die Welt näher zusammenzubringen."

Tatsächlich können soziale Netzwerke besser als je zuvor Leute vernetzen. Zuckerberg betont in seiner Rede zurecht: Durch Facebook haben viele von der #MeToo-Bewegung mitbekommen; die Proteste für schärfere Waffengesetze in den USA wurden auch mithilfe von Facebook organisiert.

Die "Welt näher zusammenzubringen" hat aber auch eine Kehrseite. Schließlich wird "die Welt" dabei vor allem unter die Kontrolle von Facebook gebracht. Als größtes soziales Netzwerk haben Facebook und die Tochterfirmen Instagram und WhatsApp schon jetzt eine Monopolstellung. Die "erste Priorität", von der Zuckerberg hier spricht, bedeutet also auch: Zentralismus.

2. "So lange ich Facebook leite, werden Werbetreibende nie wichtiger sein, als die Welt zusammenzubringen."

Dieses Zitat schließt direkt an das erste an. Zuckerberg macht deutlich: Die gesellschaftliche Aufgabe von Facebook sei wichtiger als die wirtschaftliche. Natürlich ist das erst einmal lobenswert, wenn ein börsendotierter Konzern Verantwortung übernehmen will.

Problematisch ist dabei, dass Zuckerberg solche Versprechen gerne an seine Person knüpft. Der Konzern-Chef erklärt die Skandale als seinen persönlichen Fehler und gelobt Besserung. Damit suggeriert er, das Vertrauen in Facebook soll vor allem in ihm als Führungsfigur liegen. Heißt aber auch: Das Vertrauen liegt offenbar nicht in der Rechtschaffenheit von zehntausenden Mitarbeitern, in ethischen Standards oder technischen Sicherungen. Was würde passieren, wenn Facebook eines Tages einen anderen Chef bekommt?

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3. "Ich möchte nicht, dass irgendjemand unsere Werkzeuge benutzt, um die Demokratie zu untergraben. Das ist nicht, wofür wir stehen."

Zuckerberg hat sich auch darauf vorbereitet, dass der Kongress ihn auf den vergangenen US-Wahlkampf ansprechen wird. Obwohl der Auslöser für die Anhörung der Fall Cambridge Analytica ist, ist Zuckerberg wohl auch bereit, darauf einzugehen, wie russische Akteure sich in den Wahlkampf Trump/Clinton eingemischt haben. Er gibt zu, dass sowohl die Hackergruppe APT28 als auch die russische Internet Research Agency das Netzwerk für Propaganda genutzt hatten. Im November 2016 hatte Zuckerberg noch das Gegenteil behauptet und gesagt, es sei eine "ziemlich verrückte Vorstellung", dass Facebook die US-Wahlen beeinflusst habe.

Das Bekenntnis zu demokratischen Werten klingt zugleich aber auch etwas seltsam von einem Mann, der in derselben Rede zwei Milliarden Nutzer auffordert, ihm doch bitte als einzelner Führungsfigur zu vertrauen, und das auf unbestimmte Zeit. Facebook ist eben wirtschaftlich aufgebaut und nicht politisch; der Konzern erfüllt gesellschaftliche Aufgaben, aber unterliegt an vielen Punkten keiner gesellschaftlichen Kontrolle. Dieser Konflikt ist der wohl wichtigste, der Facebook und seine Nutzer in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Längst wollen Politiker Facebook stärker regulieren. In den nächsten Monaten und Jahren wird sich zeigen, wie sehr Facebook das zulässt.

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4. "Es sollte nicht nur darum gehen, Leute zu verbinden, wir müssen sicherstellen, dass diese Verbindungen positiv sind."

Zuckerberg nimmt hier klar Stellung zu einem Problem, das erst durch soziale Netzwerke entstanden ist. Zum Vergleich: Wenn sich etwa Kriminelle am Festnetztelefon über ihre Verbrechen austauschen, wird kaum einer den Telefonanbieter dafür kritisieren. Schließlich stellt er ja nur die Telefonleitung zur Verfügung. Bei sozialen Netzwerken ist das anders: Wenn hier Kriminelle und Propagandisten aktiv sind, haben die Plattformen durchaus eine Verantwortung. Denn soziale Netzwerke können auf bisher ungeahnte Weise gesellschaftliche Probleme sichtbar machen und verstärken.

Ein blinder Fleck liegt dabei in Zuckerbergs Worten "positive Verbindungen". Letztlich bestimmt nämlich Facebook, was "positiv" ist. "Positiv" könnten glückliche, aufgeklärte, vielseitig informierte Nutzer sein. Es könnten aber auch Nutzer sein, die sich einfach nicht mehr von der Plattform lösen können, fleißig Werbeeinnahmen generieren, einseitige Nachrichten lesen und sich möglichst nicht beschweren. Natürlich muss es einem Konzern neben gesellschaftlichen "Prioritäten" vor allem ums Geld gehen. Zuckerberg stellt die wirtschaftliche Realität seiner Plattform aber oft in den Hintergrund. Fast könnte man den Eindruck haben, dass Zuckerberg einen gemeinnützigen Verein leitet – und nicht eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Auch in seiner Kongress-Rede geht er nur an einer Stelle darauf ein: Die Investitionen in mehr Sicherheit würden Facebooks "Profitabilität signifikant treffen".

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5. "Diese Schritte allein werden Leute nicht daran hindern, das System auszutricksen."

Facebook möchte politische Einflussnahme bekämpfen und wird dazu eine ganze Reihe von neuen Funktionen einführen. Nutzer sollen Zuckerberg zufolge zum Beispiel ab Sommer weltweit überprüfen können, welche Werbeanzeigen eine Facebook-Seite verbreitet hat. Das ist ein Schritt gegen sogenannte Dark Ads, dir nur bestimmten Zielgruppen für kurze Zeit angezeigt werden. Betreiber großer Facebook-Seiten müssen dem Konzern zudem künftig offenlegen, wer sie sind.

Fragt sich nur: Wann genau "tricksen" Werbetreibende das System von Facebook eigentlich aus – und wann benutzen sie es einfach? Es ist schließlich Facebooks Geschäftsmodell, die Aufmerksamkeit seiner Nutzer zu Geld zu machen. Facebook hat ein strukturelles Interesse daran, möglichst effektiv Werbung zu verbreiten, Nutzer lange an die Plattform zu binden und viel Wissen über sie zu sammeln. Zuckerbergs erklärtes Ziel, "Menschen miteinander zu verbinden", ist dabei rein wirtschaftlich gesehen ein Nebeneffekt.


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Das Geschäftsmodell von Facebook basiert darauf, dass Werbekunden dort ihre Zielgruppe mit ideal zugeschnittenen Anzeigen erreichen können. So hat Facebook zusammen mit Google in den vergangenen Jahren den Werbemarkt revolutioniert. Das Ganze funktioniert aber nur so lange das Unternehmen mehr und bessere Daten hat als die Konkurrenz – das heißt, so lange Nutzer vor allem auf Facebook lesen, chatten und posten. Zusätzlich bekämpft Facebook erbittert die Konkurrenz, etwa Snapchat, oder kauft sie schlicht auf, etwa Instagram und WhatsApp.

Für die Nutzer heißt das: Ohne dieses Geschäftsmodell könnten Plattformen wie Facebook nicht gratis nutzbar sein. Gezielte Einflussnahme von irgendwelchen Interessengruppen, seien es politische Parteien oder Staubsaugerverkäufer, wird es auf Facebook also immer geben. Das ist ein Feature des Systems, nicht ein Bug.

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