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Knast VLOG

Dieser YouTuber vloggte heimlich aus einem Berliner Gefängnis

In den Videos erzählt er von seiner Vergangenheit, Drogen-Schmuggel im Knast und wie ein Mit-Insasse bei einer Schlägerei "Eierflattern" bekam.
Screenshot: YouTube | Knast VLOG

Es ist für YouTuber und YouTuberinnen nicht immer leicht, ihre Fans zwischen Clownsmasken-Pranks, Ballergames-Besprechungen und semi-vorhersehbaren Tüten-Auspack-Videos (sie sagen "Hauls" dazu, was man in etwa mit "Shopping-Raubzügen" übersetzen könnte) mit neuen Ideen zu entertainen. Ein Typ hat es nun aber offenbar geschafft, die eher homogene YouTube-Welt mit exklusivem Content zu füttern: mit einem "Knast VLOG", direkt aus seiner Gefängnis-Zelle.

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"Zu meiner Identität kann ich nichts sagen, Handys sind im Knast nämlich illegal", sagt der Mann in seinem ersten Video. Es wurde am 1. Juli hochgeladen, aufgenommen habe er es mit einem Handy, das jemand für ihn ins Gefängnis geschmuggelt haben soll. Er trägt Air-Jordan-Cap und versteckt sein Gesicht hinter einer palästinensischen Kufiya, im Hintergrund sieht man das Gitter eines Zellenfensters. Im Gefängnis sei er seit fünf Jahren, sagt er, die Hälfte der Haftzeit sei damit rum.

In einem anderen Video erzählt der Mann, laut eigener Aussage Russe, er sitze wegen schweren Raubs: "Ich will jetzt nicht sagen, dass ich irgendwas Besonderes bin, aber ich bin vielleicht einer von zehn Leuten, die [für genau diese Straftat] sitzen." Was er genau verbrochen hat, sagt der Typ nicht. Es spricht allerdings vieles dafür, dass er von seinen persönlichen "Hauls" früher ein paar andere Sachen mitgebracht hat als – sagen wir – lang anhaltende Concealer im Farbton "010 Beige".

Obwohl er seine Zuschauer und Zuschauerinnen mit der etwas abgewandelten Standard-YouTube-Begrüßung "Hallo, ihr Gauner!" begrüßt, will der Insasse kein klassischer YouTuber sein: "Ich bin einfach ein Junge von der Straße, der seine Erfahrungen teilt", sagt er. Den Vlog habe er vor allem erstellt, um seinen Alltag im Gefängnis zu dokumentieren. In den 17 Clips, die er seit Sonntag veröffentlicht hat, erzählt er, wie Knast-Prügeleien ablaufen ("er hat ein bisschen Eierflattern bekommen") und wie Insassen sich heimlich mit Spice versorgen. Er empfiehlt seinen Fans begeistert, sich unbedingt die Serie "Narcos" anzuschauen und hält dabei die DVD-Box der ersten Staffel in die Kamera.

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Seine Mutter habe durch die Bild-Zeitung von seiner Festnahme erfahren

Doch der Insasse gewährt nicht nur einen Einblick in die Einrichtungs-Trends deutscher Gefängnis-Zellen, er spricht auch ernste Themen an: Er erzählt von einem Insassen, der im Gefängnis Selbstmord begangen haben soll, vom Umgang mit pädophilen Mit-Inhaftierten und von Boulevard-Medien, die in seine Privatsphäre eingedrungen seien. Er erzählt, Journalisten hätten seine Eltern damals über seine Verhaftung informiert, während er selbst noch von der Polizei vernommen wurde: "Meine Mutter mit ihrer russischen Gastfreundlichkeit hat die Journalisten reingelassen", sagt der Vlogger, "ich hatte nicht einmal die Zeit, meine Eltern selber anzurufen und ihnen das [mit der Festnahme] zu sagen."

Seit er seine Zelle in ein geheimes Aufnahme-Studio verwandelt hat, haben 621 Menschen (Stand: 6. Juli, 12 Uhr) den Channel des Mannes abonniert. Doch unter den Zuschauern und Zuschauerinnen waren offensichtlich nicht nur YouTube-affine Teenies: Wie ein Sprecher der Berliner Justizverwaltung der Morgenpost bestätigte, hat die JVA Tegel herausgefunden, dass es sich bei dem illegalen YouTuber um einen ihrer Insassen handelt. Weil dieser unerlaubterweise in Besitz eines Handys gewesen sei, drohten ihm nun Strafmaßnahmen, so der Sprecher gegenüber der Zeitung: "Die Inhaftierten sollen schon spüren, dass bei solchen Aktionen Konsequenzen drohen."

Sein kurzer Ausflug in die virtuelle Welt der Vlogs ist für den YouTuber nun offiziell vorbei. Ein Titel dürfte ihm aber immerhin bleiben: der des wahrscheinlich einzigen Gefängnis-Influencers der Welt.

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