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10 Fragen

10 Fragen an eine YouTuberin, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wie luxuriös lebst du? Für welches Video schämst du dich? Was war der nervigste Abonnent, den du getroffen hast?
Foto: Bereitgestellt von Barbara Sofie

"In meinem ersten Video erzählte ich eine halbe Stunde, wie man Make-up-Pinsel wäscht", sagt Barbara Sofie. Das war vor mehr als fünf Jahren. Mittlerweile hat die 23-Jährige mit 1.160.000 Abonnenten bei YouTube einen der größten Beauty-Kanäle Deutschlands.

Wie ein Internetstar fühle sie sich trotzdem nicht: "Ich sitze einfach in meinem Zimmer und führe Selbstgespräche mit einer Kamera", sagt sie. Während andere YouTuber in pseudoerotischen Musikvideos mit dem Arsch wackeln, erklärt sie, wie man Tampons richtig einführt oder Mascara aufträgt.

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Wie viel sie verdient, möchte sie nicht sagen. Nur so viel: "Man kann die Miete davon bezahlen, ohne einer anderen Arbeit nachzugehen." Wie viel Geld YouTuber pro Video bekommen, schwankt: Ein Sammelsurium aus Klicks, Werbeprovision, Verlinkungen und Product Placements bestimmt den Gesamtbetrag. In Barbara Sofies Fall, berechnet ein YouTube-Statistikportal, könnten so zwischen 600 und 10.000 Euro monatlich zusammenkommen. Wir haben Fragen.

VICE: Um mit Angela Merkels Worten zu fragen: Was machst du außer Selbstdarstellung?
Barbara Sofie: Selbstdarstellung klingt, als ob es nur darum geht, im Rampenlicht zu stehen. Für mich geht es aber um Entertainment. Es gehört sehr viel mehr dazu, als sich nur selbst zu präsentieren: Du musst dir coole Ideen ausdenken. Du brauchst eine interessante Kameraführung. Und wenn du Kooperationen mit Firmen hast, musst du auch das Management übernehmen. Die Leute denken, dass Zehn-Minuten-Videos in 20 Minuten gedreht und in einer Stunde geschnitten werden. Es dauert tatsächlich zwei, drei Tage.

Du möchtest nicht sagen, wie viel du genau verdienst, aber wie luxuriös lebst du?
Früher wohnte ich mit meinem Freund auf 16 Quadratmetern. An der Uni achteten wir darauf, ob ein Kaffee 90 Cent kostete oder woanders billiger war. Ich hab neben dem Studium in einem Modegeschäft gearbeitet und gekellnert. Früher gab's nur Nudeln. Jetzt können wir uns kochen, was wir wollen. Das ist schon Luxus. Ich fand es wichtig, dass ich die frühere Erfahrung auch gemacht hab, weil ich jetzt alles mehr zu schätzen weiß. Durch YouTube konnte ich mir einen Traum erfüllen: komplett unabhängig von meinen Eltern zu sein.

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Für welches Video schämst du dich?
In einem älteren Video habe ich viele persönliche Dinge erzählt: Wo ich gewohnt habe, Geschichten über meine Familie und meinen kleinen Bruder und was wir für Geschwisterzoff hatten. Wir waren in einem Freizeitpark und ich habe Szenen vom Ausflug ins Video geschnitten. Er war damals zehn und man sah ihn im Video. Da hatte ich noch kaum Abonnenten und mir gar keine Gedanken über Privatsphäre gemacht. Ich schäme mich nicht dafür, aber meinen minderjährigen Bruder zu zeigen, war dumm.

Wie freiwillig ist dein Freund in den Videos zu sehen?
Ich habe ihm anfangs nicht erzählt, dass ich einen Kanal gegründet habe. Als der Kanal immer größer wurde, war er derjenige, der dafür sorgte, dass ich nicht abhebe. Er wollte anfangs nicht mitmachen, weil es ihm bisschen unangenehm war. Er stand dann nur hinter der Kamera, man hörte höchstens seine Stimme. Irgendwann kam er von sich aus zu mir und meinte: "Hey, es wäre doch cool, wenn wir das zusammen machen!" Ich habe ihm gesagt: "Überleg dir das gut. Dann kennen dich die Leute." Er studiert Medizin und wer will schon später seinen Arzt als ehemaligen YouTuber erkennen?

Heute gehört YouTube zu unserer Beziehung. Er hilft mir bei den Videos, deshalb bekommt er auch einen Anteil.

Redest du im Alltag auch so seltsam euphorisch wie in deinen Videos?
[Lacht] Was würdest du sagen? Ich rede auf jeden Fall lauter vor der Kamera. Aber keiner ist die ganze Zeit so wie in seinen Videos. Du drehst nicht, wenn du schlechte Laune hast oder gerade geweint hast. Es gibt dieses Kamera-Ich: Du möchtest ja sympathisch sein und nicht wie ein Trauerkloß rumsitzen. Am Anfang habe ich mich sehr verstellt. Ich hatte Zettelchen mit Stichpunkten wie bei einem Referat. Da hatte ich auch noch kein Schnittprogramm, deshalb habe ich in manchen Videos 20 Minuten durchgelabert. Furchtbar!

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Wie oft schaust du dir deine eigenen Videos an?
Ich mag meine Videos, aber wenn du es drei Stunden gedreht hast und dann noch zwölf Stunden schneidest, hast du die Schnauze voll.

Mein Lieblingsvideo war zum Thema Essstörung. Ich habe es gedreht, weil viele Teenager Probleme mit ihrem Körper haben, aber keine Anlaufstelle, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Ich wollte ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind. Meine eigene Essstörung ging in Richtung Magersucht. Da war ich 15. Meine Eltern lebten getrennt und ich wohnte bei meinem Papa. Er war den ganzen Tag arbeiten, deshalb musste ich mich eh selbst ums Essen kümmern. Und das habe ich einfach nicht gemacht. Irgendwann haben mich meine Freundinnen zu einem Vertrauenslehrer geschickt und er meinte: "Du denkst vielleicht, dass es dein Körper ist und du damit machen kannst, was du willst. Aber es trifft viele Leute um dich herum, deine Freundinnen haben Angst um dich. Du hast nur dieses eine Leben." Dieser Satz hat mich verändert.

Wieso fordern YouTuber ihre Zuschauer ständig auf, sie zu abonnieren?
Ich habe vor zwei Jahren damit angefangen. Meine Partnermanagerin bei YouTube hat mir den Tipp gegeben: Wenn du wiederholt sagst, dass die Leute auf den Abo-Button klicken sollen, dann klicken sie tatsächlich darauf. Du kannst in den Statistiken einsehen, wie viele Leute dich über welches Video abonniert haben und da siehst du dann: Es bringt wirklich etwas.

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Wer war der nervigste Abonnent, den du getroffen hast?
In Berlin hat mich mal ein Mädchen angesprochen. Sie hat geredet und geredet und wollte mich nicht mehr gehen lassen. Nach zehn Minuten wurde es bisschen scary. Sie erzählte, dass sie uns schon eine Stunde durch die Stadt verfolgte. Ich hätte auch einfach weggehen können, wollte aber nicht unhöflich sein.

Ein andere in Düsseldorf war total aufgedreht. Sie war etwa elf und mit ihren älteren Schwestern unterwegs. Sie hat mich angesprochen und ganz dreist gefragt, ob sie meine Kette haben kann. Ich war total schockiert und habe einfach Nein gesagt. Das war eine Tiffany-Kette, die mir mein Freund geschenkt hat. Ein komisches Kind.

Wie sehr hast du gelacht, als du Bibis Musikvideo zum ersten Mal gesehen hast?
Schon ein bisschen. Ich folge Bibi nicht, deshalb habe ich es erst mitbekommen, als es dieser ganze Hate aufkam. Ich fand das Video nicht so gut. Ihre Stimme klang bearbeitet und die Aufmachung des Videos war nicht so meins. Aber die Hate-Welle habe ich nicht verstanden. Das ging über Beleidigungen hinaus. Kein noch so schlechtes Musikvideo rechtfertigt das.

Wann bist du zu alt für den Job?
Ich würde aufhören, sobald ich keinen Bock mehr auf die Themen hätte oder mich nicht mehr mit ihnen identifizieren könnte. Zehn weitere Jahre wären wahrscheinlich das Limit. Es gibt wenige Über-30- oder sogar -40-Jährige, die Channels betreiben. Da muss man schon Mami-Vlogs machen. Den ganzen Alltag mit ihren Babys zu filmen – das wäre nichts für mich. Ich studiere gerade Medien- und Kulturwissenschaften und bin kurz vor der Bachelorarbeit. YouTube möchte ich so lange weitermachen, wie es geht. Was danach kommt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich selbstständig bleiben möchte.

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