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Ein Liebesbrief an ...

Ein Liebesbrief von Dabu Fantastic an den Cypher

"Wenn sich jährlich alle Grossmäuler des Landes im Fresse-Aufreissen messen, als wäre es ein Lehrgang für Kieferorthopäden" – Mundartpop-Star Dabu Bucher erklärt, wieso der 'SRF Virus' Bounce Cypher ein Fixpunkt in seinem Kalender ist.
Dabu Fantastic Cypher
Foto: YouTube/SRFVirus

Sagen wir, wie es ist: Im Internet überwiegt der Hass. Ein Blick in die Kommentarfelder von YouTube oder Facebook reicht da meist schon, um den Glauben an das Gute auf dieser Welt täglich aufs Neue zu verlieren. Das ist doch scheisse. Also konzentrieren wir uns lieber auf die schönen Seiten im Leben, die absolut wunderbaren Dinge, die unseren Alltag bereichern, uns zum Lächeln bringen. Dinge, die wir verdammt nochmal lieben. Da vor allem Musiker und Musikerinnen online oft die volle Wucht der Missgunst zu spüren bekommen, geben wir ihnen hier die Möglichkeit, dem Hassklima mit einer grossen Ladung reiner Liebe die Stirn zu bieten. Wir geben ihnen einen komplett freien Raum, in welchem sie ihre Liebe zu einer Person, einer Sache, einem Gefühl, einem Was-auch-immer in selbst gewählte Worte fassen können.

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Heute erklärt Dabu Bucher, seinerseits Sänger von Dabu Fantastic, dem 'SRF Virus' Bounce Cypher seine Liebe. Denn der Mundartpop-Star hängt so am HipHop, dass er sich auch mal öffentlich beschwert, dass er nicht zum Cypher eingeladen wird.

Ihr kennt das: Irgendwo in der Randregion von YouTube klickt ihr um 20 Uhr abends auf ein Video. Und plötzlich ist 22 Uhr. Geht mir jedes Mal so, wenn ich nur noch einmal schnell zum Beispiel den Riesenpart des Berner Rappers Nativ 2016 am SRF Virus Bounce Cypher anschauen möchte und mich dann stundenlang durch Cypher-Videos wühle.

Und Bounce Cypher, dafür liebe ich dich. Du bist allerbeste Unterhaltung.

Ich liebe den Cypher, weil ich HipHop liebe. Geht nicht anders. Weil: Ich spüre die Kraft dieser Kultur selten so intensiv wie im schweissdurchtränkten Virus-Studio, wenn sich jährlich alle Grossmäuler des Landes im Fresseaufreissen messen, als wäre es ein Lehrgang für Kieferorthopäden.

SRF Virus Bounce Cypher – Ich liebe dich aus Gründen:

Die spinnen, die Hosts: souverän aber zuweilen auch völlig haltlos. Irgendwo zwischen tiefster Liebe zur Szene und einem Drang zur Selbstdarstellung, der jederzeit explodieren kann. Inklusive legendärer Kochkunst und noch legendäreren eigenen Rapskills. Mauro und Pablo, ihr seid es!

Dieser komische Buzzer, der – gerade weil er vollkommen subjektiv von den Hosts gedrückt wird – immer für Ärger und damit für beste Unterhaltung sorgt. Geht eh nicht objektiv. Dann lieber grad so. (Anm. d. Red. Sorry Dabu, der wurde dieses Jahr abgeschafft)

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Die grossartigen Rapper, aber eben auch die schüchternen, scheiternden, struggelnden Rapper. Ich liebe es. Rapper, die es einfach nicht so hinkriegen, wie sie es in ihrem Rümli geprobt haben. Da ist der Cypher wie die Abfahrt in Kitzbühel, die ich liebe wegen dem eleganten, unfickbaren Stil der Gewinner. Aber genauso wegen dem Rumpeln und Hadern der Verlierer.

Und achja, im letzten Jahr war ich selbst einer, der sich die Sache beim Üben eleganter und unfickbarer vorgestellt hat, als sie es dann war. Aber das ist nie die Schuld des Cyphers. Sondern immer die des Rappers. Heisst aber auch: Seit letztem Jahr schaue ich mit noch grösserem Respekt auf alle Rapper, die in dieses Radiostudio einmarschieren und es mitsamt Virus-Crew in Einzelteile zerrappen, als wären sie tatsächlich und sprichwörtlich am zerflexen. Aber mit einer richtig grossen, benzinbetriebenen Flex. Kein neumodisches Pussy-Akku-Ding.

Denn, wie immer als Aussenstehender: Du stellst dir das einfacher vor, als es ist. Achtet euch mal in den Videos drauf, bei wie vielen Rappern Textblatt oder Natel, von denen sie ihre Texte ablesen, zittern wie mit Parkinson. Oder wie viele sich verhaspeln, versprechen, den Einsatz vergeigen – obwohl sie es zuhause nächtelang geübt haben. Darum liebe ich den Cypher noch mehr, seit ich letztes Jahr selbst gepflegt und ziemlich frischrasiert birebitzeli abkacken durfte.

Im Cypher schaut jeder jedem zu: Hinter dem Rapper, der aktuell das Mic in Angriff nimmt, stehen immer die letzten oder die nächsten Rapper (oder manchmal auch eine gefühlte Schulklasse) rum und reagieren auf das, was sie gerade hören. Oder eben nicht. Was noch viel schlimmer ist. Ich kann mich wegschmeissen ab diesen Bildern.

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Der Cypher ist gnadenlos. Weil hier nichts ist, mit zigmal einrappen und dann schön rum- autotunen. Das ist einmal direkt in die Büchse und dann für immer im Netz. Besser, du machst es gut. Sonst bist du durch. Nicht nur bei dem, der grad zugeschaut hat, sondern auch bei seinen Freunden und seiner Mè. Besser, du machst es wirklich richtig gut.

Der Cypher ist eine Strickleiter: Viele Rapper sind darum richtig on fire. Sie riechen Respekt oder Fame und folgen diesem Geruch kompromisslos wie Bluthunde.

Die eingeladenen Rapper wissen um ihre Chance und das macht das Ding so gross. Alle wissen, dass man ihnen zuschaut.

Der Cypher ist gut kuratiert: Ich liebe es, dass nicht jeder Hoschi, der birebitzeli Erfahrung mit rezeptfrei erhältlichen Opiaten gemacht hat, automatisch zur Session eingeladen wird. Weil dadurch das Niveau hoch gehalten wird. So richtig hart abgekackt wird immer noch auf Berufsschulpausenplätzen und in Jugendzentren und nicht im Radio. Und das ist gut so.

Gruppendynamik on fleek: Ich liebe es, zuzuschauen, wie Ruff & Limmitt (2017) das gesamte Studio mit ihrem Vibe weichklopfen bis es explodiert und die Hosts mitrappen. Oder wie Liba, Eaz & Xen (2017) sich gegenseitig doppeln und unterstützen, dass es knistert beim Zuschauen. Da fühle ich mich zurückversetzt in betrunkene Freestylesessions damals im Rümli.

Der Cypher ist relevant: Die Schweizer Musikszene schaut zu. Bei uns in der Band sprechen wir über die Parts und ich kenne Musiker über 50, die wissen, was im Cypher so läuft und wer sich da wie gut schlägt. Dass zum Beispiel Nemo (2016) den Cypher zerpflückt hat, nur um zwei Jahre später für spielverändernde vier Swiss Music Awards nominiert zu sein, macht die Sache nicht schlechter – sondern aus meiner Sicht nur noch geiler. Es zeigt, woher ein Grossteil des guten neuen Schweizer Mundartpops kommt: Von aktiven oder ehemaligen Rappern. Wieso ist auch logisch. Rapper gehen durch die härteste Songtexterschule, die es gibt. Da geht's immer um alles: Aussage, Witz, Ausdruck, Style, Silbengenauigkeit, Mehrfachreime und Flow. Immer um alles. Von den letzteren drei Kriterien haben durchschnittliche Poptexter noch nicht mal gehört. Wenn du beginnst Rap zu machen, wirst du von Anfang an in all diesen Kategorien gemessen. Oder du wirst im nächsten Cypher auseinandergenommen. Oder erst gar nicht eingeladen.

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Darum liebe ich den Cypher, darum liebe ich diesen HipHop: Da gibt's massig Fressen für junge, unkontrollierbar hungrige Menschen, die ohne grosse Mittel und ohne vorhandenes Vorwissen spüren, dass sie es schaffen können, den Thron zu erklimmen. Wenn sie nur beim nächsten Battle oder im nächsten Cypher den Drecksladen möglichst unterhaltsam und publikumswirksam auseinanderpflücken. Und in der Schweiz heisst der wichtigste Cypher eben SRF Virus Bounce Cypher. Und da wird der Laden immer so artgerecht abgeholzt, dein Dorfförster wäre neidisch.

Ich liebe es.

Dabu Bucher (Dabu Fantastic)


Am 25. Januar 2018 zeigen ab 16 Uhr die besten Rapper des Landes während sechs Stunden am 'SRF Virus' Bounce Cypher wieder ihre Skills live im Radio und im Web. Also schreib dir das Datum schon mal fett in die Agenda und nimm frei – dein Sofa wartet auf dich.



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