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Defend Europe

Das Anti-Flüchtlingsschiff der "Identitären" sitzt fest – angeblich wegen Schlepperei

Dabei waren die Rechtsextremen eigentlich losgesegelt, um Flüchtlinge abzuwehren.
Nicht das Boot der Identitären | Foto: imago | ZUMA Press

Das muss weh tun: Da segelt man los, um Europa zu "verteidigen", indem man Rettungsaktionen für Flüchtlinge auf dem Mittelmeer verhindert – und noch bevor man richtig angefangen hat, wird man plötzlich selbst wegen Schlepperei festgenommen.

Genau das ist gerade den rechtsextremen Identitären passiert, die unter dem Banner "Defend Europe" über Monate die Werbetrommel gerührt, Geld eingesammelt und schließlich ein Schiff gechartert hatten. Jetzt sollte es endlich losgehen: Nach ein paar Startschwierigkeiten und zahlreichen Protesten von Menschenrechtsorganisationen ist das Schiff "C-Star" vor ein paar Tagen im Mittelmeer angekommen – um gleich beim ersten Boxenstopp im nordzyprischen Hafen Famagusta lahmgelegt zu werden. Aber nicht, weil ein Blinker kaputt war. Die nordzyprischen Behörden haben den Kapitän und seinen Stellvertreter festgenommen, der Vorwurf: Dokumentenfälschung – und Menschenschmuggel.

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Wie die zypriotische Zeitung Kıbrıs Postası berichtet, war die "C-Star" mit einer Crew von 20 Tamilen – entweder aus Indien oder aus Sri Lanka – in Famagusta eingelaufen. Die Crew habe das Schiff im Hafen verlassen, und fünf der Mitglieder haben daraufhin Asyl beantragt. Bei ihrem Verhör gaben die Tamilen an, sie hätten dem Kapitän Geld bezahlt, damit er sie nach Italien bringe. Und seitdem steckt das Identitären-Projekt in einem tiefen Becken aus dampfender Kacke.

Auf der eigens für das Schiff eingerichteten Facebook-Seite bemühen die Identitären sich, das Ganze als vorübergehendes Hindernis darzustellen. Die Tamilen an Bord seien keine Flüchtlinge, sondern ganz normale Schifffahrts-Azubis, die wie üblich für ihre Ausbildungsplätze bezahlt hätten. "Diese sollten bereits in Ägypten von Bord gehen, um heimzukehren", heißt es in dem Post. "Das war aber aufgrund von Intrigen der NGOs nicht möglich." Überhaupt, diese NGOs: Kaum waren die 20 Tamilen in Famagusta von Bord gegangen, seien sie direkt von "organisierten Kommandos" der NGOs belagert worden. "Diese wollten die Männer dazu bringen, Aslyanträge in der Türkei zu stellen." Das habe offenbar geklappt: "Fünf Männer gingen darauf ein, begaben sich in die Obhut der NGOs und erhoben urplötzlich Anschuldigungen gegen den Kapitän und die restliche Mannschaft, die zu einer Untersuchung führten."

Von solchem Kleinkram wollen die Identitären sich aber nicht abhalten lassen. "Diese Intrigen können die Abfahrt der C-Star zwar für einige Zeit verzögern, die Mission Defend Europe aber nicht aufhalten."

Bis jetzt ist immer noch nicht ganz klar, wer sich überhaupt auf dem Schiff befindet. Der einzige Identitäre, der behauptet, an Bord des Schiffes zu sein, ist ein Deutscher: Alexander Schleyer, ehemaliger Marinesoldat und Autor für das neurechte Magazin Blaue Narzisse. Schleyer hatte auf Instagram Bilder von der Brücke eines Schiffes gepostet, und dazu geschrieben, dass er es gerade durch das Rote Meer steuere – am gleichen Ort, an dem sich die "C-Star" zu dem Zeitpunkt befand. Außerdem, berichtet der Watchblog Kentrail-Verschwörung, warten in Italien zwei YouTube-Stars der amerikanischen Alt-Right-Szene auf das Schiff: Brittany Pettibone und Lauren Southern (die sich beim G20 fast ein blaues Auge geholt hätte, als sie mit einem Identitären-T-Shirt neben einer linken Demo herlief).

Wie es aussieht, werden die beiden etwas länger auf ihr Schiff warten müssen. Dass die Identitären wirklich mit Absicht Menschenschmuggel betrieben haben, ist natürlich unwahrscheinlich. Mit dem Kapitän der "C-Star" haben sie sich aber auf einen ziemlich dubiosen Charakter eingelassen, was ihnen jetzt offenbar zum Verhängnis wird: Sven Thomas Egerstrom, der gleichzeitig auch der Besitzer des Schiffes ist, wurde 2002 in Schweden offenbar wegen Betrugs verurteilt, wie Gerichtsdokumente belegen sollen, die der NGO "Hope not hate" vorliegen. Nach Recherchen derselben NGO ist Egerstrom außerdem Anteilseigner einer Waliser Firma namens Sea Marshals Risk Management, die "bewaffnete Sicherheitsteams" anbietet. Dass ein solches Team auch an Bord der "C-Star" sein könnte, während sie auf die Jagd nach Bootsflüchtlingen geht, haben die Identitären aber verneint

Wenn die Vorwürfe der Dokumentenfälschung und Schlepperei sich erhärten, wäre das Projekt "Defend Europe" wohl endgültig auf Eis – und die über 100.000 Euro, die die Identitären von ihren Fans eingesammelt haben, wären futsch.

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