Tierschutz

Warum es gut ist, dass Japan wieder kommerziell Wale jagt

Und nein, das ist nicht ironisch gemeint.
Gavin Butler
Melbourne, AU
Tote Wale auf einem Bootsdeck im Taiji-Hafen in Japan
Foto: Reuters

Diesen Montagmorgen liefen in Japan zwei Walfangflotten aus. Im südwestlichen Shimonoseki legte die berüchtigte " Nisshin Maru" ab, ein 130 Meter langes Fabrikschiff, und mit ihr zwei Walfangschiffe. Im Nordosten, in Kushiro, steuerte eine Flotte von fünf Walfängern auf hohe See. Bis Ende Dezember sollen sie dort bleiben und Jagd auf Zwergwale, Seiwale und Brydewale machen.

Es ist das erste Mal seit über 30 Jahren, dass Japan die Meeressäuger offiziell für ihr Fleisch jagt. 1988 trat das Land der Internationalen Walfangkommission, IWC, bei. Ende 2018 verließ Japan den Verbund wieder und löste damit internationale Proteste aus. Während der IWC-Mitgliedschaft war es dem Land verboten, Wale für kommerzielle Zwecke zu jagen. Das hielt Japan aber keineswegs davon ab, Wale zu töten und das Fleisch in Supermärkten anzubieten.

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Das Fangverbot umging der Inselstaat, indem er angab, die Tiere im Namen der Forschung zu töten. Aber auch wenn der Rückzug aus der Walfangkommission weltweit für Empörung sorgte, könnte Japans Schwenk zum kommerziellen Walfang eine gute Nachricht für (fast) alle Wale sein.

In den sechs Monaten auf See wollen die japanischen Walfänger insgesamt 227 Tiere töten –­ und nicht eins mehr. Die Quote hat die japanische Fischereiagentur festgelegt. Die Zahl setzt sich aus 52 Zwergwalen, 25 Seiwalen und 150 Brydewalen zusammen.

Zum Vergleich: Die fünfmonatige Forschungsexpedition einer kleinen Walfangflotte, die diesen März zu Ende ging, tötete 333 Zwergwale im arktischen Ozean. Und das alles ganz offiziell und mit dem Segen der Walfangkommission. Japanische Forschende behaupteten, die Autopsien seien notwendig, um die Ernährungsweise und das Alter der Wale zu bestimmen.

Nach einer Klage der australischen Regierung hat der Internationale Gerichtshof schon 2014 entschieden, dass Japan nicht haufenweise Zwergwale in der Antarktis töten müsse, um Forschung zu betreiben. Daraufhin setzte Japan den Walfang in der Antarktis ein Jahr lang aus, führte danach aber die vermeintlichen Forschungsexpeditionen fort, angeblich im Einklang mit der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs.

Im Juli 2018 stellte Japan dann einen Antrag, den kommerziellen Walfang wieder aufnehmen zu dürfen. Man werde sich an die Fangquoten der Kommission halten und nur Arten jagen, deren Bestand nicht gefährdet ist. Der Antrag wurde abgelehnt. Japan verkündete wenige Monate später seinen IWC-Austritt und erklärte, man wolle den kommerziellen Walfang wieder aufnehmen.

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Ab sofort wird Japan allerdings keine Wale mehr in internationalen Gewässern jagen – egal, ob zu wissenschaftlichen oder kommerziellen Zwecken. Stattdessen hat das Land angekündigt, nur noch vor der eigenen Küste und in der 320 Kilometer ins Meer reichenden Wirtschaftszone Tiere zu fangen, wie die American Association for the Advancement of Science (AAAS) berichtet. Außerdem hat das Land versprochen, sich an die Fangquoten der IWC zu halten. Von den drei Walarten soll es jeweils mehr als 20.000 Tiere im Nordwestpazifik geben, dem Jagdgebiet der japanischen Walfänger. Wenn Japan die Quoten einhält, würden lediglich 0,75 Prozent des Bestands an Brydewalen und 0,26 des Zwergwalbestands getötet.

Auch wenn das keine guten Nachrichten für die Wale vor Japans Küste sind, ist der Fortbestand der Zwergwale in der nördlichen Hemisphäre damit nicht bedroht. Das sagt zumindest Justin Cooke, der Meerestierbestände untersucht, gegenüber der AAAS. Der frühere IWC-Delegierte Masayuki Komatsu gab außerdem an, japanische Walfänger würden auch so schon jedes Jahr in dem Gebiet 100 Zwergwale töten. Die Fangquoten habe Japan sich auferlegt, "um negative Einflüsse auf die Ressource Wal zu vermeiden", so Komatsu.

Sorge bereitet einigen Forschenden, dass in den Gewässern vor der japanischen und insbesondere der koreanischen Küste mit dem sogenannten "J-Stock" eine spezielle Zwergwalart zu Hause ist, die sich im Sommer und nicht im Winter fortpflanzt. Noch ist unklar, ob die Rückkehr zum kommerziellen Walfang den Bestand gefährden wird.

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Japan interessiert sich derweil vor allem dafür, ob sich der Walfang wirtschaftlich rechnet. Viele Experten und Expertinnen bezweifeln, dass die Nachfrage nach Walfleisch groß genug ist, um die Walfangindustrie aufrechtzuhalten. Walfleisch gehörte früher zu den Alltagsgerichten in Japan und war vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Proteinlieferant. Heute macht Walfleisch lediglich 0,1 Prozent des in Japan konsumierten Fleisches aus. 1962 wurden 233.000 Tonnen Walfleisch auf japanischen Märkten verkauft, 2016 waren es nur noch 3.000 Tonnen.

Japan könnte damit Ländern wie Norwegen folgen, wo "Nischenunternehmen einen Nischenmarkt bedienen, während das breite Interesse am Markt und am Walfang sinkt", so Cooke gegenüber der AAAS. Angesichts des schwindenden Appetits der Japaner auf Walfleisch muss man wohl nicht befürchten, dass mehr Wale als angekündigt getötet werden.

Für Menschen, für die jeder tote Wal einer zu viel ist, mag das Auslaufen der Walfangflotten in Shimonoseki und Kushiro keine gute Nachricht sein. Aber seit dem 1. Juli jagen japanische Walfänger nur noch in den eigenen Gewässern unter strengen Auflagen – für eine Industrie, die im Sterben liegt. Patrick Ramage, ein Walfangexperte von der Tierschutzorganisation "International Fund for Animal Welfare", ist jedenfalls optimistisch. "Das sind gute Neuigkeiten für Wale", sagt er.

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