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FaceApp ist nicht unheimlich, weil es aus Russland kommt – sondern weil es kapitalistisch ist

Der Datenschutz bei FaceApp ist nicht gerade super. Aber wer davon überrascht ist, hat das Internet noch nicht verstanden.
Wladimir Putin mit FaceApp gealtert
Originalfoto: Kremlin.ru | CC BY 4.0 (bearbeitet) 

Alle paar Monate gehen Fotos viral, die mit FaceApp erstellt wurden. Du kennst die Filter-App bestimmt auch. Es ist dieses witzige Programm, das mithilfe eines neuronalen Netzwerks Nutzerinnen und Nutzer jünger, älter, femininer oder maskuliner aussehen lässt. Vor zwei Jahren veröffentlichte das Unternehmen einen rassistischen Filter, der die Haut von Menschen heller machte und als Beauty-Filter angepriesen wurde. Im selben Jahr gab es Kritik für einen Black- und Yellow-Facing-Filter, der schnell wieder offline genommen wurde. Diese Woche sind unsere Feeds dank des neuen Alterungsfilters voll mit frühvergreisten Freunden.

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FaceApp regte damit heftige Diskussionen in sozialen Netzwerken und Nachrichtenmedien an. Aber es ging nicht etwa um Faltencremes, sondern um eins: Die App stammt von einer russischen Firma mit Sitz in Sankt Petersburg. Einige US-Politiker fordern deshalb sogar Ermittlungen und schüren damit Angst, die russische Regierung könnte mit dieser App Daten sammeln.

OK, FaceApps Datenschutzerklärung ist problematisch. Aber sie ist andererseits auch nicht außergewöhnlich problematisch für eine App, die Bilddaten verwendet. Und sie ist auch nicht problematisch, weil sie von einem russischen Unternehmen entwickelt wurde. Die Datenschutzerklärung ähnelt in vielerlei Hinsicht den Datenschutzerklärungen vieler beliebter Apps für iOS und Android – egal ob Wetter-Apps, Horoskop-Apps, Gesundheits-Apps oder Fitness-Apps.

FaceApp verlangt zum Beispiel Zugriff auf alle Bilder auf deinem Smartphone. Wenn du ein bereits gespeichertes Foto bearbeiten möchtest, musst du der App diesen Zugriff gewähren. Alternativ kannst du FaceApp auch nur Zugriff auf deine Kamera erlauben und ein frisch erstelltes Foto bearbeiten.

FaceApp sammelt außerdem eine Reihe persönlicher Daten wie "Informationen von Cookies, Logfiles, Geräteerkennungen, Ortungsdaten und Nutzerdaten". Diese Informationen stellt sie einer Reihe vage definierter "Partnerunternehmen" und "Service Providern" zur Verfügung, aber auch Gruppen, die die "Effektivität" der App überwachen, "neue Produkte entwickeln und testen", metrische Daten beobachten und "technische Probleme diagnostizieren oder reparieren". In anderen Worten: FaceApp behält sich das Recht vor, deine Informationen mit verschiedenen Akteuren zu teilen.

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Ach ja, FaceApp gibt Userdaten auch an "Third-Party-Werbepartner" weiter.

"Diese Information wird Third-Party-Werbenetzwerken unter anderem erlauben, zielgerichtete Werbung zu schalten, die den Unternehmen nach in Ihrem besten Interesse ist", heißt es in FaceApps Datenschutzerklärung.


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An dieser Stelle sollte allerdings erwähnt werden, dass FaceApp in einem Statement an das Tech-Magazin TechCrunch schreibt: "Wir akzeptieren Anfragen von Usern, die alle ihre Daten von unseren Servern entfernt haben wollen. Unser Support-Team ist momentan überlastet, aber diese Anfragen haben Priorität."

Und weiter heißt es dort: Obwohl sich das Entwicklerteam in Russland befinde, würden die Userdaten nicht nach Russland übermittelt.

Es ist längst globale Praxis vieler Firmen, die Daten von Nutzerinnen und Nutzern auszulesen, weiterzugeben und zu Geld zu machen, basierend auf schwer verständlichen Datenschutzerklärungen. Mit Russland hat das erstmal nichts zu tun. Auch nicht mit den USA. Es ist einfach durch und durch kapitalistisch. Mit kostenlosen Apps können Unternehmen nur etwas verdienen, wenn sie die Daten ihrer User sammeln und zu Geld machen.

Die Angst vor russischen Apps, insbesondere in den USA, zeigt, wie sehr die Skandale um die russische Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahl von 2016 über Social Media und Cambridge Analytica die Öffentlichkeit aufgerüttelt haben. Aber auch wenn wir nicht wissen, was FaceApp mit den Userdaten anstellt, können wir das gleiche über viele andere Apps sagen. Das an sich ist besorgniserregend genug, aber FaceApp stellt hier keinen Sonderfall dar. Auch alltägliche Software wie der Chrome-Browser, Android oder Windows sammeln fleißig Daten.

Wir sollten generell viel mehr darüber sprechen, welche Daten wir für ein paar Minuten seichter Unterhaltung an private Unternehmen abgeben wollen.

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