Kein Nu Forms, dafür Technoschiffe: Ein Wiener Clubszene-Ausblick für das Jahr 2018
Foto via Flickr | John Harwood | CC BY 2.0

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Rudis Brille

Kein Nu Forms, dafür Technoschiffe: Ein Wiener Clubszene-Ausblick für das Jahr 2018

Die Drum'n'Bass-Community trägt Trauer, ein Club musste schließen, auf der Donau wird es Techno geben und im Prater wird es heiß hergehen.

2018 begann mit einer Clubschließung. Oder vielleicht besser: Mit einem "Irgendwie nie richtig eröffnet worden"-Club. Das Prime am Wiener Salzgries gab bekannt, dass man den Betrieb mit Ende Februar einstellen werde. Schade, denn viele meiner DJ-Kollegen schwärmten vom astreinen Sound im Keller des ehemaligen Coyote Ugly. Doch was nützen die besten Anlagen, wenn man sie nicht so einstellen kann, dass man auch alle Frequenzen wahrnimmt und sich Sounds so entfalten können, wie sie sollten? Nichts. Und leider bewahrheitet sich meine schon oftmals aufgestellte These, dass Clubs im dicht bewohnten innerstädtischen Gebiet wegen Einsprüchen diverser Nachbarn scheitern werden.

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Dass der Investor nach eineinhalb Jahren Winterschlaf die Notbremse zog, ist allerdings nicht weiter verwunderlich, denn was die Promotion angeht, hatte man sich einfach zu lange Zeit gelassen. Man wollte anders und ein Gegenpol zur Schickeria sein. Was, wenn es im neokonservativen Stream dieser Zeit aber nichts mehr anderes erwünscht ist?

"Auch hierzulande dürfte die Zeit der zehn oder zwölf Euro-Eintritte bei internationalen Bookings vorbei sein"

Über die übrigen Clubs in Wien habe ich ja schon genug berichtet: Horst ist gekommen, um zu bleiben, die Sauna wird – wenn der zähe Winter vorbei ist – bald wieder nette Gartenpartys ausrichten und die Forelle plant diesen Sommer wieder durchzumachen und auch im Juli und August mit günstigen Eintritten und gutem Essen zu punkten.

Auch wenn das Prime seine Pforten schließen muss, ist gerade eine gute Zeit für kleine Clubs und Locations. Ich gewinne für mich den Eindruck, dass sich viele neue motivierte Veranstalter lieber in kleine Biotope zurückziehen, um von dort aus durchzustarten. So boomen etwa neue Formate im Venster 99 oder im Opera Club – einem Laden, dem man vor sieben Jahren nicht viel Zukunft gegeben hatte. Und Uraltdiskos wie die Camera und das Titanic sind plötzlich auch wieder auf dem Menüplan der Ausgeh-Community aufgetaucht.

Das mag auch daran liegen, dass junge Veranstalter, die anfangs ausschließlich ihre eigene Community bedienen, nichts riskieren wollen und die größeren etablierten Clubs natürlich auch nicht gerade günstig und leicht zu bekommen sind. Und außerdem möchte man eine Gegenströmung zu den vielfach überteuerten Nächten in den großen Techno-Läden sein. Auch hierzulande dürfte die Zeit der zehn oder zwölf Euro-Eintritte bei internationalen Bookings vorbei sein und damit – ob man es nun gut findet oder nicht – vollzieht sich auch eine Anpassung an internationale Eintrittspreise.

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Wenn man beispielsweise hört, dass man für Dubfire in New York 80 Dollar ablegt – von Ibiza ganz zu schwiegen –, dann hinkte Wien hier bis jetzt deutlich hinterher. Und da wundert es auch nicht, dass die Acts auch hier mittlerweile derart irrwitzige Gagen verlangen. Unter 10.000 Euro ist mittlerweile kein Topact mehr zu haben und über die ganz Großen (zum Beispiel Solomun oder Sven Väth) gibt es ohnehin nur mehr Gerüchte.

Dass einige Feierwütige da finanziell nicht mehr mitspielen können, ist logisch. Denn unter 100 Euro geht sich da kein Abend mehr aus. Eine Ausnahme bildet diesbezüglich wieder einmal Berlin, aber das ist logisch herleitbar. Viele Acts wohnen dort und die Clubs an der Spree weigern sich schlichtweg, mehr zu bezahlen. Und das Berghain gilt als Ritterschlag. Da spielt man auch gratis, wenn es sein muss.

Viele Communitys flüchten daher in ihre eigene Blase und verklären die Situation damit gern auch ein wenig. Natürlich kann man alles, was groß und teuer wurde, ablehnen, aber am Ende wollen doch alle Künstler, die ehrgeizig sind, irgendwann einmal dorthin. Ich nehme es den vielen "Bubbleleadern" nicht ab, wenn gegen den Ausverkauf und Kommerz gefeixt wird. Man darf seine Tracks durchaus auf Beatport verkaufen, weil sonst findet sie kaum Gehör außerhalb des eigenen Freundeskreises.

Und ein Teil des Publikums geht mittlerweile auch gern mit der Belanglosigkeit fremd. Noch nie habe ich so viele 90s Partys am Wochenende visuell wahrgenommen wie derzeit. Snap und "Barbie Girl" sind wieder in. "Es ist einfach lustig und ist günstig", erklärte mir jüngst eine Freundin, die an einem Abend auf drei 90s Partys war. Mir wurde kalt.

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Dennoch könnte 2018 ein sehr spannendes Jahr für die Clubkultur (ups, ich hab es gesagt) und ihre Anhänger werden: Das Electric Spring wird diesmal von Therese Terror kuratiert. Zur Programmierung wollte sie sich aber noch ein wenig in Schweigen hüllen. Ende Februar soll dieses dann gebrochen werden, worauf wir uns schon sehr freuen.

Das Red Bull Music Festival wird im Mai rund um und im (ja, im) Riesenrad für Unterhaltung sorgen. Von Kruder & Dorfmeister über die EAV bis Wanda und Camo & Krooked kann man Acts, Bands und DJs vorbeifahren sehen. Danach sollen die vielen Geheimlocations des Wiener Prater für Afterpartys genutzt werden: Definitiv eine Imagepolitur für die zuletzt etwas "seltsame" Firmenphilosophie des flüssigen Gummibären.

Das Hyperreality geht auch in die zweite Runde: Das Festival übersiedelt heuer vom Schloss Neugebäude in das f23. Eine der Headlinerinnen ist Nina Kraviz. Auch Arca, Aïsha Devi, Farce oder DJ Assault werden in der ehemaligen Sargfabrik spielen.

Freunde von Großveranstaltungen dürfen sich 2018 generell besonders freuen – ein weltweiter Trend, denn die altbekannten Mainacts ziehen mittlerweile wieder festivalähnliche Raves den Clubs vor - das Berghain wieder einmal ausgenommen.

Die Hypnotic-Crew wird sich 2018 neu aufstellen: Der Besitzer der Metastadt übernahm die etwas marode Pyramide Vösendorf, die nun sehr bald in neuem Glanz erstrahlen soll. Dorthin kehrt Hypnotic 2018 wieder zurück, back to the roots quasi. Es fallen dicke Namen: Joseph Capriati, Sven Väth und ähnliche Kaliber sind geplant. Der Wiener Speckgürtel wird sich freuen.

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Eine zweite Runde gibt es am 14. Juli auch wieder von Summer of Love. Geplant ist das Tagesfestival erneut in der alten Traktorfabrik. Gerade ist man dabei auszuloten, ob man das Projekt, das vorerst nur als ein Daytime-Event geplant ist, auch auf einen zweiten Tag ausdehnen könnte. Auch hier ist bereits Nina Kraviz als Mainact fixiert. Zwei weitere Headliner werden DJ Rush und Blawan sein. Zweimal beehrt also die russische Technogöttin für völlig unterschiedliche Klientel die Stadt. Spätestens dann sollte sie jeder kennen. Die motivierten Veranstalter des Summer of Love planen weiters auch einige fette Warehousepartys. Hier konnte ich aber noch keine genauen Details entlocken.

Keine zweite Runde hingegen gibt es dieses Jahr vom Aufwind Festival. Der Aufwind war leider im letzten Jahr eher ein Gegenwind für die Veranstalter. Der Verein kämpft vorerst noch mit den Verbindlichkeiten aus dem Vorjahr und will frühestens nächstes Jahr wieder einen Neustart wagen. Über die Hintergründe wurde ja berichtet.

Ebenfalls nicht mehr geben wird es das Nu Forms in Wiesen. Das Drum'n'Bass-Festival, das sich als Nachfolgeprojekt des Urban Art Forms rein auf schnelle Bässe spezialisierte, gab sich in der Außendarstellung immer äußerst erfolgreich. Glaubt man aber Kennern der Szene, so rechnete sich das Geschäft mit den gebrochenen Rhythmen nicht ganz so, wie das gerne der Öffentlichkeit suggeriert wurde. Und angebliche interne Streitereien und abgesprungene Partner rund um das Festivalgelände Wiesen gaben dem Nu Forms den Rest. Die Drum'n'Bass-Gemeinde trägt Trauer. Und Wiesen? Liegt im Dornröschenschlaf und dämmert dahin, seit sich Barracuda zurückgezogen hat. So sieht urban Art made in Austria also aus.

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Ein zweites Mal feiern wird man im Sommer im Wiener Prater beim Praterfestival am 20. und 21.7. können. Das wird es heuer schon zum dritten Mal mit diversen Bühnen und Musikstilen geben. Ähnliches erwartet uns bei den Herbst- und Sommer-OpenAirs, die bereits jetzt massenweise als reine "Save the date"-Events ohne LineUp auf Facebook aufpoppen und mit "DJ TBA" und freiem Eintritt Zusagen sammeln. Inwiefern diese sich in den Schlund der Beliebigkeit werfen oder musikalisch wie dekorationsmäßig herausstechen, wird man sehen. Wie es gehen kann, zeigten ja in den vergangen Jahren die Jungs von Spontan Techno.

Und zu guter Letzt wird auch das Geschäft mit Bootspartys ordentlich in Schwung gebracht. Eine umtriebige Münchner Veranstaltercrew fährt mit eigenem "Technodampfer" die Donau auf und ab und macht von Linz über Krems bis Wien immer wieder Lärm am Wasser. Ebenfalls daytime und mit Funkion One versteht sich: Moonbootica, Andhim, Klangkarussell und Aka Aka werden das jüngere Publikum stromabwärts peitschen. Mit den völlig rückständigen Booten und dem Unwillen der DDSG Blue Danube wäre das gänzlich unmöglich. Die engagierten Veranstalter organisierten sich daher kurzerhand ihr eigenes Schiff. Und auch am Cobenzl geht es dieses Jahr (noch einmal?) ordentlich zur Sache. Heimlich, Merkwürdig und TechnoCastle lockten und locken das Publikum in Scharen aus der Stadt und auf den Berg. Und Bloom sei Dank weiß der moderne Raver von heute wo es abgeht und muss erst gar nicht hin, wenn die App es einem nicht anzeigt. Heimlich will dem Berg heuer aber fernbleiben- wohl schon zu viele Köche.

Ein ereignisreiches Jahr steht ins Haus: Wenn dann am Ende desselben auch die Partyblasen wieder ein wenig zueinander fänden, dann könnte es noch was werden mit der Clubkul … nein, ein zweites Mal sage ich das C-Wort nicht mehr.

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