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Niemand weiß, warum Hunderte Menschen an diesem unheimlichen See im Himalaya gestorben sind

Auch eine neue Studie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Roopkund Lake mit Schnee bedeckt, Detailansich der menschlichen Knochen
Linkes Foto: Abhijeet Rane | Flickr | CC BY 2.0 || Rechtes Foto: Himadri Sinha Roy

Wenn im Sommer der Schnee auf dem Roopkund Lake schmilzt, tritt sein morbides Geheimnis zutage: Hunderte menschliche Knochen und niemand weiß, woher sie kommen.

Der kleine grüne See liegt abgelegen im Himalaya auf 5.029 Metern Höhe und wurde im Jahr 1942 von einem Forstarbeiter wiederentdeckt. Seitdem kursieren zahlreiche Theorien, was den Menschen im nordindischen Gebirge widerfahren sein könnte. Bis vor Kurzem schien am wahrscheinlichsten, dass um das Jahr 800 eine Gruppe von Reisenden Opfer eines brutalen Hagelsturms wurde. Das würde die Kompressionsfrakturen an einigen Gebeinen erklären. Eine neue Untersuchung zeigt allerdings, dass die sterblichen Überreste von verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus unterschiedlichen Epochen stammen.

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Ein Team unter der Leitung der Evolutionsbiologin und Harvard-Doktorandin Éadaoin Harney analysierte die DNA von 38 Skeletten. "Wir fanden heraus, dass die Roopkund-Skelette drei genetisch verschiedenen Gruppen angehören, die zeitlich etwa 1.000 Jahre voneinander trennt", heißt es in der Studie in Nature Communications. "Das widerlegt frühere Überlegungen, dass die Skelette des Roopkund Lake von einem einzigen katastrophalen Ereignis stammen."

Die älteste Opfergruppe, Roopkund_A, besteht aus 23 Männern und Frauen unterschiedlicher südasiatischer Abstammung. Diese Gruppe, die vor etwa 1.200 Jahren an dem Gletschersee ihren Tod fand, war bereits bekannt. Die Radiokarbondatierung ergab nun allerdings, dass diese Menschen wahrscheinlich nicht, wie bislang vermutet, beim selben Ereignis ums Leben kamen. Einige Personen in Roopkund_A datierten die Forschende auf das 7. Jahrhundert, andere auf das 9. Jahrhundert.

Noch erstaunlicher ist die Entdeckung einer zweiten Gruppe, Roopkund_B, die erst um etwa 1800 an dem See starb, also gut 1.000 Jahre später. Diese Gruppe besteht aus 14 Männern und Frauen aus dem östlichen Mittelmeer. Genetisch stehen sie den heutigen Einwohnern Kretas am nächsten. Die dritte Gruppe umfasst nur ein Person, Roopund_C: ein Mann ostasiatischer Abstammung, der zur gleichen Zeit wie die Roopkund_B Gruppe starb.

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"In vielerlei Hinsicht vertieft unsere Untersuchung das Mysterium um Roopkund", schreibt Co-Autor Niraj Rai, Leiter des Ancient DNA Lab in Bribal Sahni Institute of Palaeosciences in Indien, in einer E-Mail an VICE. Gleichzeitig habe das Team allerdings auch gängige Spekulationen über die Abstammung der Roopkund-Personen ausschließen können, so Rai.

Zum Beispiel kursiert seit den 1950ern eine Theorie unter Einheimischen, dass es sich bei den Toten um die Überbleibsel von General Zorawar Singh Kahlurias Armee handelt. Der indische General war 1841 beim versuchten Einmarsch in Tibet getötet worden. Gegen diese Theorie spricht neben der Datierung der Knochenfunde auch, dass sich unter den Skeletten auch mehrere von Frauen befinden.

Forscher Niraj Rai zufolge ist die Hagelsturm-Theorie für einige Opfer immer noch plausibel. Das Team plane als Nächstes, die Schädelbrüche genauer zu untersuchen.

Aber was haben diese Menschen in einer so abgelegenen Gegend gesucht? Eine mögliche Erklärung ist die Nanda Devi Raj Jat, eine hinduistische Wallfahrt, die alle 12 Jahre stattfindet und auch zum Roopkund Lake führt. Es ist gut möglich, dass sie bereits vor 1.200 Jahren begangen wurde. Vor allem für einige Mitglieder von Roopkund_A sei das eine der wahrscheinlichste Erklärung, heißt es in der Studie.

Die anderen Gruppen sind weitaus schwieriger zu erklären. Die Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass die Toten aus dem Mittelmeer nicht miteinander verwandt waren und wahrscheinlich aus dem damaligen Osmanischen Reich stammten.

"Anhand ihrer Ernährung lässt sich darauf schließen, dass sie inländisch gelebt haben, in den Himalaya gereist und dort gestorben sind", heißt es in dem Bericht. "Ob sie an einer Wallfahrt teilgenommen haben oder sie aus anderen Gründen zum Roopkund Lake kamen, bleibt ein Geheimnis."

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