FYI.

This story is over 5 years old.

Gesundheit

Wenn du alle Symptome einer Schwangerschaft hast, aber kein Baby

Die Krankenpflegerin Cristal Lujan hatte einen geschwollen Bauch, Morgenübelkeit und auch sonst alle Anzeichen einer Schwangerschaft – eine Ultraschallaufnahme zeigte jedoch anderes.
Foto: imago | Westend61

Als Cristal Lujan begann, die typischen Anfangssymptome einer Schwangerschaft zu zeigen – Müdigkeit, Schwindel und Krämpfe – war sie verwirrt. Sie machte mehrere Schwangerschaftstests zu Hause, aber alle waren negativ. Erst als dann einige Wochen später auch ihr Bauch anfing, sichtbar größer zu werden, suchte sie sich medizinischen Rat. Zu dem Zeitpunkt, es war die vermeintliche dreizehnte Woche, hatte sie sogar Braxton-Hicks-Kontraktionen, die üblicherweise im dritten, manchmal schon im zweiten Trimester auftreten.

Anzeige

"Ich fühlte mich wirklich schwanger", sagt die 31-Jährige Krankenpflegerin. "Es war eine sehr emotionale Zeit und ich weinte viel. Ich war gereizt und verletzlich."

Mehr lesen: Schwangerschaften verändern das Gehirn der werdenden Mütter

Lujan wurde einer Ultraschalluntersuchung unterzogen, um einen Tumor oder eine Gebärmuttergeschwulst auszuschließen – und natürlich auch eine Schwangerschaft. Wieder war das Ergebnis negativ. Sie war verblüfft.

"Nachdem ich erkannt hatte, dass mein Uterus leer ist, sprach ich aufgelöst mit meiner Ärztin", berichtet sie. "Sie sagte zu mir, dass ich nicht schwanger sei und es kein Anzeichen für eine Empfängnis gebe. Das war's. Ich wurde wieder weggeschickt und durfte mich dann alleine mit der Sache rumschlagen – von Hilfe, Rat oder Unterstützung keine Spur."

Eine andere Ärztin diagnostizierte bei Lujan später schließlich eine Pseudocyesis, eine Scheinschwangerschaft. Auch wenn dieses Leiden selten ist – es betrifft nur eine bis sechs von 22.000 Schwangerschaften – gibt es ein paar bekannte Beispiele. Die britische Königin Maria I. Tudor musste im 16. Jahrhundert große Häme über sich ergehen lassen: Ihr Bauch war geschwollen, heftige Morgenübelkeit plagte sie und sie setzte daraufhin sogar ihr Amt aus, um sich auf die Geburt vorzubereiten – aber sie gebar keinen Thronfolger. Einige Historiker behaupten sogar, dass diese Enttäuschung der Grund für ihr hartes Vorgehen gegenüber Protestanten gewesen sei, das ihr schließlich den Spitznamen Bloody Mary einbrachte.

Anzeige

Mehr von Broadly: Lohnt es sich, seine Eizellen einfrieren zu lassen?


Vielleicht kennen sich vielen Ärzten deswegen so wenig mit Scheinschwangerschaften aus, weil sie so selten auftreten. Manche sehen die Ursachen für eine Scheinschwangerschaft in psychischen Ursachen wie einem starken Kinderwunsch, andere führen sie auf ein Problem mit der Hypophyse zurück – einer Struktur an der Unterseite des Gehirns, die maßgeblich die Hormonproduktion regelt.

Dr. Monica Starkman, Psychologiedozentin an der University of Michigan, hat mehrere Artikel über Scheinschwangerschaften verfasst und mit The End of Miracles sogar einen Roman zu dem Thema geschrieben. Handelt es sich für sie mehr um ein psychisches oder physisches Leiden? "Ich war eine der ersten, die Hormonuntersuchungen dazu durchgeführt hat", antwortet sie. "Obwohl mein Team bei jeder der von uns untersuchten Patientinnen einige hormonelle Abweichungen feststellen konnte, waren diese nicht identisch. Es schien kein Muster bei Scheinschwangerschaften vorzuliegen."

"Eine Scheinschwangerschaft ist für die Betroffenen ein Verlust."

Ihrer Ansicht nach handelt es sich um eine Mischung aus einem körperlichen und einem psychischen Zustand. Bisherige Erkenntnisse suggerierten ein psychosomatisches Phänomen, in dem der ursprüngliche Stimulus in den Gedanken sitzt und dann den Körper beeinflusst. "Er tritt oft – wenn auch nicht zwangsläufig – im Kontext eines Verlusts auf", sagt Starkman. "Anhaltende Unfruchtbarkeit oder eine Fehlgeburt können solche ausschlaggebende Faktoren sein."

Anzeige

Lujan hatte ein sechs Monate altes Baby, als ihre Symptome zum ersten Mal auftraten. Zu dem Zeitpunkt verhütete sie nur durch Stillen – die Laktationsamenorrhoe-Methode, oder kurz LAM, basiert darauf, dass der Körper auf natürliche Weise den Eisprung aussetzt, wenn Frauen in den ersten sechs Monaten ihre Babys stillen. "Meine Scheinschwangerschaft hatte ihren Ursprung in meiner Angst, schwanger zu sein – ich versuchte damals also keineswegs, schwanger zu werden", erzählt sie. "Später erkannte ich, dass außerdem die Enttäuschung über das Geschlecht meines Babys zur Entwicklung meines Scheinzustands beigetragen hatte. Ich hatte diese Enttäuschung damals nicht richtig verarbeitet."

Als sie die negativen Ergebnisse vom Ultraschall erhalten hatte, gingen die Symptome bei Lujan zurück – da waren bereits fünf Monate seit dem ersten Auftreten vergangen. Einige andere Frauen können jedoch Probleme haben, die Diagnose der Ärzte zu akzeptieren. In solchen Fällen kann sich eine Scheinschwangerschaft wesentlich länger hinziehen. Letztes Jahr berichteten britische Boulevardzeitungen über den Fall einer Frau, die 15 Monate lang glaubte, schwanger zu sein. Sie meinte sogar, den Herzschlag des Kindes zu hören. 2013 führten brasilianische Ärzte sogar einen Notkaiserschnitt bei einer Frau durch, die davon überzeugt war, im neunten Monat schwanger zu sein. Sie fanden nichts.

"Potenziell scheinschwangere Frauen einer Ultraschalluntersuchung zu unterziehen, ist das Beste, was man tun kann, um ihnen zu zeigen, dass ihr Uterus leer ist", sagt Starkman. "Das ist allerdings nicht immer so einfach. Betroffene Frauen können dabei kleine Dinge auf dem Ultraschallbild erkennen, die sie als Teil des Babys interpretieren. Wenn sie die Ergebnisse und Aussagen der Ärzte allerdings akzeptieren, können Symptome wie ein geschwollener Bauch innerhalb nur eines Tages merklich zurückgehen."

Anzeige

Laut Starkman ist es für betroffene Frauen essentiell, dass sie von ihren Familien und Freunden unterstützt zu werden. "Es ist für sie ein Verlust. Nicht nur müssen sie die Tatsache verarbeiten, dass sie kein Baby bekommen, sondern sich auch weiter mit anhaltender Unfruchtbarkeit oder anderen Stressfaktoren in ihrem Leben auseinandersetzen, die überhaupt erst zur Scheinschwangerschaft geführt haben", sagt sie. "Sie brauchen Unterstützung, die diesen Verlust anerkennt. Sie müssen wissen, dass ihre Ärzte dazu da sind, ihnen bei ihrem Kinderwunsch zu helfen, wenn dieser durch ein medizinisches Problem verhindert wird. Außerdem kann eine Psychotherapie sehr hilfreich dabei sein, das Geschehene zu verarbeiten."

"Eine Scheinschwangerschaft kann absolut jede treffen."

Lujan merkte bald selbst, dass viele Fehlinformationen und Fehlannahmen zu diesem Thema kursieren. Während sie noch unter den Schwangerschaftssymptomen litt, trat sie einigen Selbsthilfegruppen im Internet bei. Als sie dort aber von ihren Ultraschallergebnissen berichtete, sagten die anderen Userinnen dort, dass sie den Rat ihrer Ärztin ignorieren und stattdessen weiter an ihre Schwangerschaft glauben solle.

"Ich war verblüfft von den Antworten dieser Frauen. Ich war davon ausgegangen, dass sie nur mein Bestes wollten", erklärt sie. "Nachdem ich mich von meiner Erfahrung geheilt fühlte, beschloss ich, dass Aufklärung oberste Priorität hat. Ich dachte, dass man zumindest so hoffentlich ein paar Frauen zu helfen könnte. Manche sind in solchen Communitys aktiv und glauben seit zwei Jahren oder länger, schwanger zu sein." Jetzt betreibt sie einen YouTube-Kanal, in dem sie Aufklärung und Unterstützung anbietet, sowie eine geschlossene Facebook-Gruppe.

Mehr lesen: Zwischen Lebensretter und Risikofaktor: Antidepressiva in der Schwangerschaft

"Eine Scheinschwangerschaft kann absolut jede treffen. Das habe ich durch meinen Beruf als medizinische Fachkraft gelernt", so Lujan. "Es gibt kaum Informationen dazu und viele Menschen haben mir gestanden, dass sie es bislang für einen Mythos hielten. Einige hatten sogar noch nie in ihrem Leben davon gehört." Betroffene können deswegen von ihrem Umfeld auch schnell stigmatisiert werden. Manche werfen ihr vor, alles nur erfunden zu haben. "Die Symptome sind sehr real. Mediziner müssen darüber aufgeklärt und sensibilisiert werden. Ich erhalte täglich Nachrichten von Frauen, die glauben, schwanger zu sein. Wenn sie dann nach der Untersuchung mit der neuen Erkenntnis und ohne Fötus nach Hause geschickt werden, sind sie oft allein mit vielen Fragen."

Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.