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Drogen

Warum nehmen immer weniger junge Österreicher Heroin und andere Opioide?

Wir haben bei zwei ExpertInnen nachgefragt.

Der Bericht zur Drogensituation in Österreich, den das nationale Forschungsinstitut Gesundheit Österreich GmbH Ende November veröffentlicht hat, zeigt eine erfreuliche Entwicklung: Immer weniger österreichische Jugendliche und junge Erwachsene konsumieren Opioide. Zwischen 1999 und 2005 stieg die Zahl der jungen Opioidkonsumenten stark an, dann begann sie zu sinken. Im Jahr 2000 waren zirka 30 Prozent der Opioidabhängigen unter 25 Jahren alt, im Jahr 2004 40 Prozent – und 2015 nur noch zehn Prozent. Das macht heute zirka 3000 Betroffene unter 25.

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Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch in Deutschland ab, wo Jugendliche nur einen sehr kleinen Bruchteil der Konsumenten ausmachen, wie der aktuelle Drogen- und Suchtbericht zeigt. Die Frage, woher diese Entwicklung kommt, und welche Faktoren dazu beitragen, wird in Studien nicht endgültig geklärt, so die Psychologin Larissa Maier, die beim United Nations Office on Drugs and Crime tätig ist und bei der Global Drug Survey, der größten Drogenumfrage der Welt, mitgearbeitet hat.

Laut der Expertin gibt es verschiedene mögliche Erklärungen des Trends, der im deutschsprachigen Raum und anderen europäischen Ländern beobachtet werden kann. Im Gespräch mit VICE erklärt Maier, dass die Zahlen in den Substitutionsbehandlungen und in der heroingestützten Behandlung zwar gleich bleiben, sich aber das Alter der Personen verändert: "Das bedeutet, dass heutzutage Menschen mit einer Heroinabhängigkeit, die in Behandlung sind, auch alt werden können und nur wenige junge behandlungsbedürftige Neueinsteiger registriert werden."


Im Frühjahr 2016 kam es in Kärnten zu einem statistischen Ausreißer:


Als Psychologin liegt es für Maier nahe, die Entwicklung auf die Veränderung der sozialen Normen zurückzuführen: "Heroin ist in Europa verpönt und wird als Loser-Droge bezeichnet, die Leistungsgesellschaft fordert viel, da passen Stimulanzien zum Aufputschen und Alkohol oder Cannabis als sedierende Substanzen mit vergleichsweise geringem Abhängigkeitspotential", so die Expertin.

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Hinzu komme außerdem, dass Rebellion gegen das System heute anders funktioniere als in den Neunzigern, und Bilder von offenen Drogenszenen und das damit verbundene Leid in den Köpfen der Menschen geblieben seien. Als einen weiteren Faktor sieht Larissa Maier, im Vergleich zu den USA, wo Heroin in den letzten Jahren immer beliebter wurde, eine zurückhaltende Verschreibungspraxis bezüglich opioidhaltiger Medikamente und eine gewisse Kontrolle durch die Krankenkassenpflicht. Das Wichtigste sei aber, dass Jugendliche heute oftmals vielfältige Perspektiven und Karrieremöglichkeiten hätten und dazu ermutigt würden, eine Ausbildung oder einen Beruf zu wählen, der sie auch interessiert.

Steve Müller von der Drogenberatungsstelle checkit! erzählt im Gespräch mit VICE, dass Opioidkonsum in seinem Arbeitsalltag vergleichsweise selten ein Thema ist: "Lediglich ein oder zwei Prozent der jungen Menschen haben überhaupt schon mal Opioide probiert. Opioide sind out." Wenn sich doch einmal jemand an checkit! wendet, der Opioide konsumiert, sind das laut Müller meist junge Leute, die "politox" konsumieren: "Das heißt, sie konsumieren mehrere Substanzen, da sind dann schon eher auch Opioide dabei. Wenn sie damit zu uns kommen, wollen sie meist wieder mehr Kontrolle gewinnen, den Konsum reduzieren oder mit einer Droge aufhören."


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Auch Müller sieht den schlechten Ruf von Opioiden als eine mögliche Erklärung des schon seit Jahren rückläufigen Trends: "Viele denken an Krankheit und Sucht. Damit wollen sie nichts zu tun haben. Das Abhängigkeitspotenzial ist bei Opioiden ja auch vergleichsweise hoch. Andere Substanzen haben ein besseres Image und sind mit vergleichsweise geringeren Risiken verbunden."

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Auf die Frage, welche Substanzen im Gegensatz zu Opioiden bei jungen Konsumenten und Konsumentinnen immer beliebter würden, verweist Müller darauf, dass Alkohol unter jungen Menschen immer noch am beliebtesten sei. "Danach kommen Nikotin und Cannabis, dann folgen mit großem Abstand stimulierende Substanzen wie Ecstasy, Kokain oder Amphetamin. Bei allen Substanzen gilt: Viele junge Menschen belassen es beim Probieren, wenige konsumieren weiter."


Falls ihr euch trotz Risiken für Konsum entscheidet, findet ihr bei checkit! alles, was ihr braucht: Infos zu den Risiken und dem Umgang damit, auch bei Problemen könnt ihr euch kostenlos, anonym und vertraulich an die Beratungsstelle wenden.


Verena auf Twitter: @verenabgnr

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