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Regierung äußert sich erstmals zu Anonymous-Hetzseite: Ermittlungen gegen Mario R.

Der Betreiber von Deutschlands ehemals größter Hetzseite ist noch immer untergetaucht. Nun antwortet das Innenministerium auf Fragen zu dem Fall.
Links: Ausschnitt aus der Antwort des Bundesinnenministeriums. Rechts: Aktueller Screenshot des Blogs Anonymousnews.ru

"Schrieb Joschka Fischer das Drehbuch zum Genozid an den Deutschen?", "CIA-Chef erwartet Bürgerkrieg in Deutschland", "Abtreibungen und der Schuldkult sind der wahre Holocaust." Die Überschriften des Blogs Anonymousnews.ru arbeiten sich mit drastischer Sprache an den Lieblingsthemen der extremen Rechten ab. Begriffe wie "Sex-Dschihad" und "Islamisierung" gehören zum Standardrepertoire, finden sich allein auf der Startseite mehrfach. Mit der Mischung aus kruder Ausländerfeindlichkeit und Verschwörungstheorien verzeichnet die Website laut dem Analysedienst Similarweb allein im November 2017 über 700.000 Aufrufe. In manchen Monaten waren es sogar über eine Millionen Klicks.

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Auch wenn die Website das Symbol der Anonymous-Maske im Logo trägt, so hat sie nichts mit der Netzbewegung gemein, die mit Hacker-Themen und dem Kampf gegen Scientology bekannt wurde. Wer hinter der Seite steckt, ist allerdings nicht gesichert. Ein Name fehlt im Impressum. Die Suche nach den Betreibern beschäftigte jahrelang Journalisten, Politiker und die Strafverfolgung – bisher erfolglos.

Nach einer Kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner hat sich nun das Bundesinnenministerium zu dem Fall geäußert. In der Motherboard vorliegenden Antwort liefert die BMI-Staatssekretärin Emily Haber eine eindeutige Bewertung von Anonymousnews.ru: "Die Seite veröffentlicht Beiträge, die sich in erster Linie gegen Muslime, Flüchtlinge und Vertreter der Bundesregierung richten. Zudem werden auf dieser Website zahlreiche Falschmeldungen gestreut."

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Wer die Seite betreibt, klärt auch die fünfseitige Antwort auf die Kleine Anfrage von Martina Renner nicht endgültig auf. Allerdings berichtet die Regierung davon, dass sowohl in Erfurt als auch Berlin mehrere Verfahren gegen einen gewissen Mario R. geführt werden, in denen die Seite Anonymousnews.ru ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen sei. Das passt zu Recherchen von der Süddeutschen Zeitung und Motherboard: Demnach findet sich der Name Mario Rönsch auf einem internen Screenshot, der zeigt, wer die Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv betrieben hat. Der Blog Anonymousnews.ru hat sich selbst als Nachfolger dieser Facebook-Seite bezeichnet, als er im Mai 2016 online ging. Kurz zuvor war Anonymous.Kollektiv von Facebook abgeschaltet worden. Bis zur Abschaltung war Anonymous.Kollektiv mit knapp zwei Millionen Likes Deutschlands größte Hetzseite. Themen auch hier: Hetze gegen Ausländer, Verschwörungstheorien und Antisemitismus. Positiv berichtet wurde dagegen über Russland und die AfD, wie auch jetzt auf Anonymousnews.ru. Mit den traditionellen Hackerthemen der Anonymous-Bewegung hatte auch Anonymous.Kollektiv kaum noch etwas zu tun.

Der Name Mario Rönsch tauchte zeitweise auch als Anmelder des Online-Waffenshops Migrantenschreck auf. Über die Website versorgten sich hunderte Deutsche mit illegalen Schusswaffen, wie Recherchen von Motherboard und der Zeit belegen. Die Waffen wurden bis zur Abschaltung der Seite im Januar 2017 mit rassistischen Parolen als "Selbstverteidigung" gegen "Ficki-Ficki-Fachkräfte" beworben. Sie trugen Namen wie "Antifaschreck" oder "Bautzen-Edition" in Anlehnung an rassistische Übergriffe in der ostsächsischen Kleinstadt.

Als Lügenpresse auf der Anklagebank: Meine zwei Jahre mit Mario Rönsch

Weitere Erkenntnisse über die Betreiber oder mögliche Unterstützer von Anonymousnews.ru liegen der Bundesregierung laut der Antwort auf die Kleine Anfrage von Martina Renner allerdings nicht vor. Auch wie der Stand der Ermittlungen ist, ist vollkommen unklar. Dass die Erfurter Staatsanwaltschaft nach dem Betreiber von Anonymous.Kollektiv sucht, ist bereits seit Juni 2016 bekannt. Auch dass das Berliner LKA gegen einen Betreiber von Migrantenschreck ermittelt, weiß man bereits seit Dezember 2016. Wie ein Gerichtssprecher gegenüber Motherboard und dem Tagesspiegel damals erklärte, richteten sich die Ermittlungen gegen einen "33-jährigen Thüringer".

Martina Renner hatte die Kleine Anfrage zu Anonymousnews.ru gestellt, weil die "Website eine besondere Bedeutung als Verstärker von 'Fake News' hat", erklärte die Innenpolitikerin der Linken-Fraktion gegenüber Motherboard. Die Seite sei vor allem deshalb besonders, da es sich "um ein strategisch platziertes Neonaziprojekt handelt, das ganz gezielt an rassistische Diskurse in der gesellschaftlichen Mitte anknüpft", betont Renner weiter. "Sowohl staatliche Behörden als auch Zivilgesellschaft müssen bei Propaganda im Netz genau hinschauen. Das heißt auch, dass die Strafverfolgungsbehörden rechte Internetkriminalität so behandeln müssen wie rechte Propaganda und Gewalt auf der Straße."