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manfred sellner

Being Manfred Sellner: Geschichten aus dem Leben des Anführers eines Kulturvereins für Rechtsextreme

Zwei Abschiebungen, Paprikapulver im Postkasten und Beef mit einem Getränkehersteller. In letzter Zeit häufen sich Lächerlichkeiten um den Co-Leiter der "Identitären".
Sellner sellnert
Foto von Manfred Sellner: imago | IPON; Collage von VICE Media

Seit Anbeginn der Zeit stellen sich Menschen dieselben Fragen. Warum stinkt es in der U-Bahn Station Stephansplatz so bestialisch? Sehen alle Menschen die gleiche Farbe, wenn sie in denselben blauen Himmel schauen? Und was ist eigentlich der Sinn dieses gottverdammten Lebens? Aber nicht nur der gemeine Mensch, sondern auch Manfred Sellner, Co-Leiter der selbsternannten "'identitären' 'Bewegung'", der bis 2011 zum Umfeld von Gottfried Küssel gehörte, stellt gerne Fragen, die seiner Meinung nach genauso allgemeingültig sind.

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Wie zum Beispiel: WO WART IHR SILVESTER? WO, WO, WO WART IHR SILVESTER? Zumindest schrie er das auf der Frankfurter Buchmesse im Rahmen einer Rede des rechten Verlegers Götz Kubitschek, und es schien ihm sehr dringend zu sein.

"Naja", werdet ihr jetzt denken, "das ist zwar alles schon eine kleine Ewigkeit her und ich habe keine Ahnung, was mein Aufenthaltsort zum Jahreswechsel über geopolitische Bewegungen und Flüchtlingsströme und den Krieg in Syrien wirklich aussagen soll, aber wenn du es schon so genau wissen musst, war ich an Silvester zuhause vor dem Fernseher, obwohl ich allen erzählt habe, dass ich auf die beste Homeparty aller Zeiten gehe. Und du so?"

Die Zusammenfassung sagt wahrscheinlich nicht nur viel über Markus Sellner, sondern unfreiwillig noch mehr über den Zustand seiner rechten Gruppierung aus.

Ja, wo war Marius Sellner eigentlich selbst an Silvester? Hat das schon jemals jemand zurückgefragt? Liebe Investigativ-Journalisten und Fake-News-Schreiber, wir blicken mahnend auf euch! Macht gefälligst euren Job und steckt eure wertlose, Soros-bezahlte Arbeitszeit in lange, sinnlose Recherchen über den Verbleib von Menowin Sellner an Sellvester.

Vielleicht ist die Antwort aber auch gar nicht so aufregend, wie wir uns das in unseren gleichgeschalteten Antifa-Gehirnen gerade ausmalen. Vielleicht ist das Leben des Co-Leiters des österreichischen Arms der internationalen "Identitären" genau so aufregend wie sein Job-Titel klingt? Und was hat sich eigentlich seit diesem Silvester ("WO? WO?") so getan, in der endenwollend spannenden Existenz des jungen, gut vernetzten, rechtsextremistischen Lebemanns, der sich gerne als linksflüsternder Machiavelli und geopolitischer Macher inszeniert?

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Wir haben uns auf die Suche nach den jüngsten Ereignissen rund um Matthias Sellner begeben – und bereits in der frühen Phase unserer Recherche den dringenden Verdacht im Hinterkopf gespürt, dass mit seiner "'identitären' 'Bewegung'" am Ende vielleicht die Sorte von körperlicher Regung gemeint, die man am Tag nach einem völlig katastrophalen Besäufnis vollführt – nämlich gar keine.

Die gute Nachricht: Die Zusammenfassung sagt wahrscheinlich nicht nur viel über Markus Sellner, sondern unfreiwillig noch mehr über den Zustand seiner rechten Gruppierung aus.


Mehr zum Zustand der "Identitären":


Wenn man heute versucht, den Finger auf jenen Punkt unseres Newsfeeds zu legen, an dem Manuel Sellner ins Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit durchgesickert ist wie ein tropfenweise anwachsender Urinfleck, dann war es vermutlich genau jener vermeintliche Lulu-Vorfall in einer Wiener U-Bahn-Passage, wo Michel Sellner mit einer dunklen … Schattierung im Schritt seiner Hosen fotografiert wurde.

Laut eigener Aussage handelte es sich dabei nur eine äußerst unangenehme Denim-Waschung. So oder so hat sich Marcel mit diesem Abbild in unser kollektives Gedächtnis gesellnert – und auch gleich eine Wortschöpfung ausgelöst, die sich wie ein Lauffeuer auf Twitter und darüber hinaus verbreitete (und die sich selbst mit noch so viel Sellnern nicht auslöschen ließ). Zum Beweis ließ sich der rechtsextreme Hipster in derselben Hose in derselben U-Bahn-Passage gleich noch mal fotografieren, auch wenn niemand mehr danach gefragt hatte.

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Seinen Status als Nipster verfestigte er schließlich mit seinem legendär gescheiterten Bootsausflug ins Mittelmeer. Bevor sein Auto abgefackelt wurde, er als "Entlastungszeuge" "identitäre" Kollegen belastete und schließlich Paprikapulver per Post geschickt bekam, das er vor lauter Angst von der Polizei untersuchen ließ – und sich erst im Nachhinein erinnerte, dass jemand dieses mysteriöse Geschenk eh einst per Mail angekündigt hatte.

Was soll man sagen. Als ernsthafter Verteidiger seines Vaterlands ist es Merlin Sellner hoch anzurechnen, auch bei harmlos aussehendem Gewürzpulver zuallererst mal ein fremdländisches Granulat des Grauens zu vermuten. Alles richtig gemacht, Marzell.

Soviel zur Vorgeschichte. Dann wurde es ruhig. Zumindest außerhalb der heimischen (!) Polizeistationen. Eine Sache, die Meinfried Sellner in letzter Zeit gern zu machen scheint, ist nämlich, verhaftet zu werden. Im März wollte er nach London reisen, um dort am Speaker’s Corner eine wichtige Rede über "Meinungsfreiheit in der modernen Welt" zu halten. Am Flughafen wurde Michael Sellner aber von den Behörden abgefangen und schließlich festgenommen, weil er laut ebendiesen eine "Bedrohung für die fundamentalen Interessen der Gesellschaft" sei. Er wurde zwei Tage lang festgehalten und anschließend abgeschoben.

Zirka dasselbe passierte im April ein zweites Mal: Maurice Sellner war wieder einmal auf dem Weg nach London, um bei einem Kongress der dortigen "Identitären" aufzutreten, und erneut wurde ihm die Einreise verwehrt, weil seine "Werte nicht mit denen des Vereinten Königreiches kompatibel" seien. Schließlich landete er im Schubhaftzentrum. Natürlich veröffentlichte der rechte Influencer einen Vlog zum Thema mit dem klingenden Namen "What annoyed me about my deportation". Wir sind uns sicher: Eine Abschiebung ist mindestens so nervig wie Marvin treffsicher in seiner Wortwahl. Und wir nehmen die VICE-affine Formulierung seines Beitrags natürlich als Kompliment (auch wenn wir einen solchen bei uns nur gebracht hätten, wenn er eine minimal andere Ausrichtung und den Titel "An incomplete list of people who should be allowed into the UK before Magnus Sellner is" getragen hätte).

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Mehr zur glorreichen "Defend Europe"-Mission:


Aber nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern auch der Getränkehersteller Thomas Henry scheint nichts mit Mohammed Sellner zu tun haben zu wollen. In einem YouTube-Video gab Sellner die Brand als seinen Sponsor aus und schwärmte von seinem liebsten Getränk aus dem Hause Henry: dem Cherry Blossom Tonic, das ihm Kraft für seinen politischen Aktivismus gebe, wenn er mal "so wirklich kraftlos" und "am Boden" sei.

Anschließend bedankt sich der wohlerzogene Badener bei dem Hersteller, ohne den sein "gesamter politischer Widerstand nicht möglich wäre". Was umgekehrt für Thomas Henry wohl nicht möglich war: die Äußerungen in dem Video einfach so hinzunehmen. Sellner bekam eine Unterlassungserklärung übermittelt und er sah sich gezwungen, den betreffenden Teil des Videos offline zu nehmen.

So elektrisierend diese bisherigen Anekdoten aus dem Leben des rechten Revolutions-Influencers auch sein mögen, sein jüngster und wahrscheinlich bester Streich gelang Max Sellner erst vor kurzem. Anfang Mai berichtete er in einem seiner Vlogs von Hausdurchsuchungen bei einigen "Identitären". Matteo Sellner behauptete, er sei gerade nicht in Österreich, da er derzeit recht viel "in der Gegend herumfahre, um Feuerwehr zu spielen". Man kennt das ja; als international beliebter Gast hat man natürlich allerhand zu tun, um aus PR-Gründen die Flüchtlingsheime wieder zu löschen, die seine Gesinnungsgenossen zuvor angezündet haben.

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Im Video passiert er übrigens kurz darauf die Ausfahrt "Bruck an der Leitha West", wie ein aufmerksamer Twitter-User bemerkte. Laut Standard kann sich Malte Sellner auch zum Zeitpunkt des Beginns der Aufnahme nicht in Österreich befunden haben. Wir fragen uns: "Wo war Sellner wirklich? WO? WO?"

Und das war sie also, die magische und ein bisschen mystische Geschichte von Moritz Sellner, der anscheinend zeit seines Online-Lebens nichts anderes tut, als an Grenzen abgewiesen zu werden, wegen Paprikapulver Alarm zu schlagen und gegen die Mühlen der Soros-gesponserten, Gutmensch-gesteuerten, Rotfunk-gleichgeschalteten Fake-News-Lügenpresse anzukämpfen, während er selbst freizügige Interpretationen der Wirklichkeit (zum Beispiel in Bezug auf Begriffe wie "Ausland" oder "Bruck an der Leitha") auf YouTube postet.

Angesichts des täglichen Verdrusses, mit dem Milo Sellner sich abmüht, muss man vor dem gestriegelten Posterboy der "neuen Rechten" anscheinend keine große Angst haben. Er mag ihr Posterboy sein, aber Poster sind – genau wie seine rechtsrechte Rebellion – ein antiquiertes Relikt der 90er-Jahre. Erst kürzlich wurde Sellner bei einem Infotisch der "Identitären" beim Selfie-Machen beobachtet, als er die Kappe eines Aktivisten, der gegen die Veranstaltung protestieren wollte, in einen Brunnen warf. Wenn das jenes politische Engagement ist, von dem Marlon Sellner immer spricht, können wir in Zukunft alle beruhigt schlafen.

Verena & Markus auf Twitter: @verenabgnr & @wurstzombie

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