Popkultur

Abmahnung wegen Filesharing? Und was machst du jetzt?


Illustration: Nicola Napoli 

Illegales Downloaden von Dateien ist mittlerweile genauso ein Kavaliersdelikt geworden, wie das Wildpinkeln im Park. Die Wenigsten hinterfragen ob und wie gefährlich es ist, sich Filme, Bilder und Musik illegal aus dem Netz zu besorgen.

Videos by VICE

Das Downloaden ist mitunter einfacher, als einem Kind das Smartphone zu klauen. Und schließlich wird hier ja auch nur denen geschadet, die schon genug Kohle haben: Rihanna, Metallicas Lars Ulrich oder die reichen Säcke aus Hollywood. Kein Grund also für ein schlechtes Gewissen, oder?

Die Industrie schlägt jedoch zurück. Allein 2012 gab es laut Jahresstatistik für das Abmahnwesen im Filesharing etwas über 110.000 Abmahnungen gegen vermutliche Filesharer. Auch wenn sich die Anzahl damit von fast 220.000 im Jahr 2011 mehr oder weniger halbiert hat, ist das immer noch verdammt hoch.

Die Umfrage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von 2012 sagt, dass etwa 4,3 Millionen Deutsche, also rund sechs Prozent, bisher abgemahnt wurden. Bei einer durchschnittlichen Abmahnsumme von 800 Euro pro Abmahnung sind also bisher insgesamt 165 Millionen Euro einkassiert worden.

Grund genug, um in einem Gespräch mit Rechtsanwälten, Abmahngegnern und Vertretern der Verbraucherzentrale, herauszufinden, was dabei eigentlich passiert, welcher Internetprovider euch am Besten schützt, ob Streamen noch OK ist, wo das Geld letztendlich hingeht und vor allem was ihr macht, wenn der Brief erstmal in der Post liegt.

Aus erster Hand mussten wir übrigens erfahren, dass die Anwälte, die hinter den Abmahnungen stecken, selbst nicht die Redseligsten sind. Auf das “Morgen” an dem sie Zeit haben, warten wir immer noch.

Was passiert bei einer Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung?

Das Trauerspiel fängt damit an, dass jemand eine urheberrechtlich geschützte Datei über eine Tauschbörse herunterlädt und sie somit gleich wieder verbreitet. „Das wird dann von spezialisierten Unternehmen aufgezeichnet, die auch gleich die jeweilige IP-Adresse speichern“, erzählt mir Sebastian Dramburg, Fachanwalt für IT-Recht. „Sie müssen dann innerhalb von einer Woche mit der IP-Adresse zu einem Gericht gehen und die Adresse vom jeweiligen Interprovider herausfinden“, sagt er weiter

Einen Lichtblick gibt es allerdings. Ein Internetprovider hat nämlich keine vorgeschriebene Mindestspeicherdauer für IP-Adressen. „Die längsten Speicherfristen besitzt die Telekom und Telefónica, also auch O2, die eine IP bis zu sieben Tagen speichern. Aber Vodafone, zum Beispiel, speichert gar nicht. Da liegt schon der Unterschied, ob es einen erwischt oder nicht“, erzählt Dramburg weiter.

Die herausgefundenen Personendaten werden dann zu einer darauf spezialisierten Kanzlei weitergereicht, die dann die Abmahnungen an die Filesharer raushaut.

Die Abmahnungen enthalten eine Unterlassungserklärung, eine Aufforderung zur Zahlung der Anwaltskosten und eine konkrete Schadensersatzsumme, „deren Betrag gesetzlich allerdings nicht definiert ist und sich daher je nach Urheberrechtsverletzung zwischen 50 und mehreren 1000 Euro bewegen kann“, erzählt mir Alexander Krolzik, Jurist der Verbraucherzentrale Hamburg.

Am meisten profitieren die Anwälte, die euch das Schreiben schicken: Sie können nämlich eine völlig abstrakte Summe verlangen. Diese Summen können variieren, liegen aber je nach Gegenstand der Urheberrechtsverletzung üblicherweise zwischen ein paar Hundert und sogar Tausenden von Euro—ein Mordshonorar also.

Dieses Vorgehen ist das größte Problem und gleichzeitig natürlich auch das Attraktive für jeden Abmahnanwalt. Die entsprechenden Kanzleien verdienen sich eine goldene Nase und das, wenn wir mal ganz ehrlich sind, ohne wirklich viel Aufwand. Letztendlich werden Daten elektronisch ausgewertet und ein paar Briefe verschickt, mehr nicht.

„Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass Urheber ihre Rechte wahren wollen. Das ist absolut legitim. Nicht in Ordnung ist, dass die falsche Gruppe davon profitiert und natürlich viel zu viel profitiert. Die enorm hohen Kosten können ganze Familien in den Ruin treiben,“ beschwert sich Krolzik.

So weit, so simpel, so schmerzhaft fürs Bankkonto. Auch die Tatsache, dass viel mehr das Verbreiten als das Herunterladen verfolgt wird, löst das Problem nicht. So gut wie immer wird beim Filesharing über die bekannten Programme nämlich gleichzeitig untrennbar hoch- und heruntergeladen. Angreifbar macht man sich also in jedem Fall.

Wann kommt die Abmahnung ins Haus?

Wie lange man nach dem illegalen Runterladen wartet, bis dir der freundliche Brief ins Haus flattert, ist unterschiedlich. Oft werden Abmahnungen schon zwei bis drei Wochen nach dem Downloaden geschickt. Es kann aber auch Monate, oder sogar ein halbes Jahr dauern. 

Aber nichts ist sicher, nur weil ihr bisher abmahnungs- und sorgenfrei durchs Leben gewandert seid. So ein Delikt verjährt erst nach drei Jahren, und das auch erst nach Ablauf des Jahres, in dem es passiert ist. Im schlimmsten Fall könnt ihr also noch bis zum Neujahr 2017 belangt werden, wenn ihr euch heute noch Heinos neue Platte „Mit freundlichen Grüßen“ saugt. Was sowieso ein Scheißidee wäre…

Was wird am meisten abgemahnt?

Am beliebtesten sind nach wie vor aktuelle Blockbuster. Zusätzlich werden neuerdings auch Serien, wie Breaking Bad oder The Walking Dead verstärkt heruntergeladen und demnach auch verfolgt. Das Finale der 3. Staffel von Game of Thrones zum Beispiel bricht alle Rekorde: Laut der Seite Torrentfreak.com wurde die finale Folge innerhalb der ersten 24 Stunden weltweit über eine Million Mal heruntergeladen.

Verfügbarkeit und billig ist beim Filesharing der wichtigste Faktor. Wer will schließlich schon ein halbes Jahr warten, bis seine Lieblingsserie auch in der Heimat geschaut werden kann und dann auch noch dafür zahlen.

Das Abmahnen von Musiktiteln ist auch sehr beliebt und bezieht sich neben neueren Alben fast ausschließlich auf aktuelle Einzelstücke aus den Charts, enthalten entweder in den „Top100“ oder Samplern wie Bravo-Hits, Dream-Dance, Top of the Clubs und wie sie nicht alle heißen.

Der einzige Grund, der mir dafür einfällt, sich so etwas zu besorgen, dürfte übrigens der Gratis-Faktor sein—wenn überhaupt. Aber lasst euch nicht täuschen, auch Hörbücher, Computerspiele und –programme stehen auf der Abschussliste—und das ist teilweise sehr sogar sehr viel teurer als bei Musik oder Filmen. Letzten Endes gibt es eigentlich nichts, was nicht abgemahnt wird.

Viele Abmahnkanzleien spezialisieren sich auch nur auf ganz bestimmte Bereiche, wie ein einzelnes aktuelles Lied von Madonna oder Pornos. Dahinter steht die clevere Idee, dass ein Familienvater mit einer Vorliebe für osteuropäische Kleinwüchsige in Bukkake-Gangbangs schneller bereit sein dürfte, die verlangte Summe zu zahlen als ein 14-jähriger der sich—warum auch immer—das neue Bushido-Album gönnt.

Prinzipiell gilt bei allen Sachen, die ihr euch illegal besorgt: je aktueller, desto gefährlicher. „Wenn ich mir natürlich nicht gerade Casablanca oder Beethovens 9. Sinfonie, sondern die neuesten Lieder und Filme besorge, ist die Chance sehr viel höher, erwischt zu werde. Momentan ist das eben sehr lukrativ“, bestätigt mir Sebastian Dramburg, Fachanwalt für IT-Recht.

Was könnt ihr machen, um nicht erwischt zu werden?

Zu allererst solltet ihr vielleicht komplett darauf verzichten, illegal Dateien runterzuladen und dabei erst recht keine Filesharing- oder Torrentprogramme nutzen. Auch Rechtsanwalt Jan Gerth bestätigt mir dies: „Meiner Einschätzung nach liegt die Chance, nicht erwischt zu werden bei unter zehn Prozent. Früher oder später erwischt man jeden.“

Davon abgesehen basiert die gesamte Verfolgung, wie gesagt, auf eurer IP-Adresse. Wenn ihr also aus irgendwelchen Gründen nicht aufs Filesharing verzichten könnt, sucht ihr euch am Besten einen Internetprovider, der eure Daten nur wenige Tage oder gar nicht speichert.

Wenn ihr computertechnisch richtig was auf dem Kasten habt, könnt ihr auch über technische Wege versuchen, eure IP-Adresse zu verschleiern. Zum Beispiel über einen Proxy, eine Art zwischengeschalteten Server, der statt eures Rechners mit dem Filesharing-Programm kommuniziert. So wird es schwerer eure IP-Adresse herauszufinden, allerdings auch nicht unmöglich. Oder ihr loggt euch über einen der—oft kostenpflichtigen—VPN-Dienste (Virtuelle Private Netzwerke) ins Internet ein. Allerdings muss man auch hier dem Anbieter vertrauen, dass er deine Anonymität schützt. Oft genug kann dennoch ein kleiner Fehler reichen, um trotzdem abgemahnt zu werden.

Was macht man, wenn man trotzdem erwischt wurde?

Sollte man euch dennoch erwischen, stehen die Chancen leider schlecht, komplett unbeschadet aus der Sache herauszukommen. Allerdings raten mir alle Experten folgendes im Fall einer Abmahnung: Keine Panik. Sucht euch einen Rechtsbeistand oder Vertreter einer Verbraucherzentrale und besprecht, wie ihr weiter vorgeht.

Übrigens setzen viele Abmahner sehr knappe Fristen, indem die Abmahnungen erst am Freitag oder Samstag ankommen. So läuft die Frist auch über das Wochenende und man steht unter zusätzlichem Druck, da man erst am Montag einen Anwalt kontaktieren kann. In diesem Fall sollte man um eine Fristverlängerung wegen rechtlicher Beratung bitten, um so ein bis zwei zusätzliche Wochen herauszuholen. Aber das sollte man wahrscheinlich sowieso machen.

Wichtig ist es auch, nicht unüberlegt bei der Abmahnkanzlei anzurufen und auch nicht ohne Kenntnis der Konsequenzen etwas zu unterschreiben—wie zum Beispiel die Unterlassungserklärung—oder sofort die Kohle überweisen. Das wäre äußert dumm und kann weitere Kosten nach sich ziehen.

Nehmt die Abmahnung aber in jedem Fall ernst. Den Brief einfach zu entsorgen führt nicht dazu, dass die Abmahnkanzleien euch in Ruhe lassen. Im schlimmsten Fall kann es zu einem teuren Gerichtsverfahren kommen; auch dann, wenn man gar nicht reagiert.

Streaming – die letzte Bastion?

Das Streamingportal kinox.to  dürfte vielen Serien- und Filmjunkies bekannt sein—momentan liegt es laut Alexa-Ranking auf Platz 20 der beliebtesten Webseiten in Deutschland. Die Filme werden auf diesem und ähnlichen Portalen aus dem Internet empfangen und gleichzeitig auf dem eigenen Rechner wiedergegeben.

Rechtlich gesehen ist es eigentlich illegal zu Streamen, weil Dateien dabei, zumindest für einen kurzen Moment, auf der eigenen Festplatte gespeichert werden. Allerdings streitet man sich nach wir vor über diese Grauzone, weil es bisher keine gerichtlichen Präzedenzfälle gibt. Dramburg dazu: „Es ist natürlich eine Grauzone, an der momentan gearbeitet wird. Momentan wird das aber nicht verfolgt, weil man keinen Zugang zu den IP-Adressen der Nutzer hat.“ Bis das geklärt ist, bietet das reine Anschauen von Streams also eine, zumindest momentan, weitaus billigere Alternative.

Wie lange das noch so ist, kann das allerdings niemand so genau sagen. Deswegen, Augen und Ohren auf im Datenverkehr.