FYI.

This story is over 5 years old.

wasserball

Fatalerweise viel zu unterschätzte Sportarten: Wasserball

Man hat Respekt vor Wasserballern, doch wirklich ansehnlich ist der Sport nicht. Ein Wasserballer erklärte uns die Faszination und die Strukturprobleme des Sports.
Foto: Imago

Jeder kennt wenigstens eine Person im Freundeskreis, die Fußball spielt, ins Fitnessstudio geht oder zumindest einen Yoga-Kurs besucht. Aber kaum jemand beschäftigt sich mit Wasserball, ursprünglich erfunden, um Schwimmwettkämpfe unterhaltsamer zu machen. In Ländern wie Serbien, Ungarn, Kroatien, Griechenland und Italien ist Wasserball eine große Nummer, doch der letzte Erfolg der deutschen Nationalmannschaft ist ein Fünfter Platz bei Olympia 2004. Fehlt deshalb die Beachtung? Oder ist der konstante Kampf im Wasser schlicht und ergreifend zu unansehnlich für die Kameras? Wasserball zu spielen – wenn man die Verfassung dafür hat – scheint jedenfalls großen Spaß zu machen.

Anzeige

Tim* ist 22 Jahre alt und quasi in der Schwimmhalle großgeworden. Weil seine Mutter Wasserballerin war, hat er bereits im Alter von 11 Jahren angefangen Wasserball im Verein zu spielen. Während eines Auslandsjahres hat er mit einem slowakischen Erstligateam trainiert und spielt zurzeit in der Mannschaft seiner Universität. Er hat uns seine Faszination für Wasserball näher gebracht.

VICE Sports: Wie körperbetont ist Wasserball?
Tim: Wer keinen Körperkontakt mag, hat bei dieser Sportart nichts verloren. Es ist zwar immer Wasser dazwischen, aber es wird überall festgehalten und rumgezogen. Es ist normal, dass man dem anderen in die Badehose greift und sich daran festhält. Es passiert auch, dass man beim Werfen mal einen Arm vom Gegner ins Gesicht oder einen Schlag gegen das Ohr bekommt, was echt gefährlich ist. Deshalb hat man diese Ohrschützer auf. Es ist schon hart, aber fair.

Wie wichtig ist die Fähigkeit, als Team taktisch zu agieren, trotz der Körperlichkeit des Spiels?
Da das Spielfeld relativ klein ist, muss man viel verschieben. Dann gibt es noch die Hinausstellungen, durch die Überzahlen entstehen. Da muss man schauen, wie man sich aufstellt, ob man presst oder in Zonen verteidigt. Außerdem kann man ziemlich schnell taktisch eingreifen, indem man auch im aktiven Spiel über die Wechselzone wechseln darf. Dadurch kann man sich sehr schnell anpassen und gegebenenfalls die Ausrichtung verändern.

Anzeige

Laut den Regeln muss eine Mannschaft nach spätestens 30 Sekunden abschließen. Warum sehen die Spiele trotzdem so statisch aus?
Beim Zusehen ist es auch etwas Anderes, wenn man selber in der Halle oder am Becken ist. Wenn man selber im Wasser ist, ist das alles, aber nicht statisch.Es muss auch gespielt werden, sonst daddelt man die ganze Zeit rum und der Gegner hat keine Chance an den Ball zu kommen. Gerade bei Bundesliga- Spielen macht es wirklich einen Unterschied, ob man in der Halle ist, dagegen sind die Übertragungen einfach scheiße.

Neben einigen großen Städten gibt es in der ersten Liga der Männer auch Vereine aus Uerdingen, Weiden, Laatzen und Plauen. Kann man die Menschen in kleineren Städten einfacher für euren Sport begeistern?
Ich kenne das von Plauen und würde tendenziell sagen: ja. Jede Stadt oder wenigstens jede Region hat eigentlich immer einen Sport oder einen Sportverein, über den man sich identifiziert. Und in Plauen, wo ich schon öfter war, war immer super Stimmung, die Halle immer voll. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass man in kleineren Städten, wenn es erstmal gut läuft, Leute eher dafür begeistern kann.

Fan des SV Vogtland Plauen; Foto: Imago/Eibner

Was sagst du Leuten, die deinen Sport einfach als Handball im Wasser verstehen?
Erstens kann man nicht stehen, sondern muss schwimmen. Zweitens ist der Ball deutlich größer und darf nur mit einer Hand gefangen werden. Es ist einfach eine andere Spielumgebung. Aber das ist immer noch näher aneinander, als, das habe ich schon gehört, Wasserball als Volleyball im Wasser zu bezeichnen. (lacht)

Anzeige

Kriegt der Schiedsrichter überhaupt mit, was alles unter Wasser passiert?
Ein guter Schiedsrichter schon, es gibt ja auch immer zwei. Es kommt natürlich darauf an, wie nah der Ball ist zum Beispiel. Und es wird insbesondere auf die Center-Position geachtet. Wenn man sich allerdings nicht allzu doof anstellt und einem zwischen die Beine tritt, dann gehört es auch einfach zur Härte des Sports dazu, dass man eine Brustgrätsche mal abkriegt. Oder, dass sich einer an dir festhält und dich wegzieht. Das sind so Kleinigkeiten, die einfach dazugehören.

Welche ekligen Fouls hast du schon erlebt?
Meine Mutter hat erzählt, dass sie von einer Spielerin mit den Beinen in den Schwitzkasten genommen und unter Wasser gedrückt wurde. Die hat dann nicht mehr losgelassen, bis sie zurückgebissen hat. Wenn man anfängt zu schlagen, zu kratzen und zu beißen, ist das schon echt eklig. Ich habe es oft genug bei mir selbst nach dem Spiel gesehen, dass alles am Körper zerkratzt war, auch wenn man sich nur festhält. Deswegen ist es Regel, dass eine Fingernagelkontrolle durchgeführt wird.

Teilst du auch selber aus?
Ich bleibe meistens im Rahmen der Regeln und versuche niemanden bewusst zu verletzen. Wenn ich merke, dass es doch etwas hart war und zum Beispiel mein Ellenbogen ins Gesicht gekommen ist, dann entschuldige ich mich auch.

Wenn ein großes Turnier ansteht schalten Millionen Zuschauer Fußball, Handball und sogar Darts ein. Warum ist vom Wasserball nichts zu sehen?
Zum einen, weil die deutsche Nationalmannschaft sehr selten irgendwo vertreten ist. Zum anderen ist das größte Turnier die Olympiade, wo andere Sportarten, wie Schwimmen, in den Vordergrund rücken. Es ist einfach keine Trendsportart. Und wie gesagt, die Übertragungen sind in Deutschland nicht so super. Deswegen finde ich es gut, dass Sport1 mal gesagt hat: wir übertragen jetzt von Waspo (Waspo 98 Hannover, Anm. d. Red.) ein paar Spiele und gucken mal wie es aussieht.

In Deutschland gibt es kaum Spieler, die vom Wasserball leben können. In Ländern wie Italien, Ungarn oder Spanien ist das möglich. Muss Red Bull erst einen Verein gründen, um echte Stars zu holen?
Echte Stars? (lacht) Es ist halt ein Nischensport. Dadurch, dass die Nationalmannschaft keine Erfolge eingefahren hat, interessieren sich weniger Leute für den Sport. Das hängt alles miteinander zusammen. Umso weniger sich dafür interessieren, desto weniger Geld kommt zusammen und da muss man überlegen, wie man das ändert. Wasserball gehört ja auch zum DSV (Deutscher Schwimm- Verband, Anm. d. Red.), über den zum Großteil die Gelder fließen. Und das alles macht es ein bisschen schwierig.

Was muss sich verändern, damit Wasserball in der breiten Masse stärker wahrgenommen wird?
Was immer ein großes Problem ist, ist der Machtkampf im Schwimmverein, welcher Vereinsteil die größte Unterstützung bekommt und die meisten Zeiten hat. Ich habe auch schon mitbekommen, dass im Schwimmverein gesagt wurde, „Wasserball machen wir hier überhaupt nicht", auch wenn sich Leute dafür engagieren wollten. Das ist eines der zentralen Probleme, dass Wasserball immer zum Schwimmverein gehört. Es ist natürlich auch schwierig es eigenständiger zu gestalten, weil man auch die Leute finden muss, die einigermaßen passabel schwimmen können.

*Name geändert