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Jamie Vardy

Der unausweichliche Absturz von Jamie Vardy

In den letzten Jahren ging es in Jamie Vardys Karriere nur bergauf—bis die EM und ein Angebot von Arsenal kamen. Seitdem hat er Ladehemmung und Leicester schwächelt. Doch sein Dreierpack gegen Pep macht Hoffnung.
EPA/Hannah McKay

In den letzten Jahren ging es in Jamie Vardys Karriere nur bergauf—und das mit galaktischer Geschwindigkeit. Über seinen märchenhaften Aufstieg vom Schlägertypen, der mit Fußfesseln in den Niederungen des englischen Fußballs kicken musste, zum Meisterschaftsgaranten für Leicester City ist schon viel geschrieben worden. In den letzten Monaten ist es um Vardy deutlich ruhiger geworden. Die Tormaschine ist seit dem Sommer mächtig ins Stocken geraten. Wie konnte das passieren?

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Jamie Vardy: Vom Diskoschläger zum Rooney-Nachfolger

Auslöser war ein Turnier, das eigentlich als die Krönung von Vardys Erfolgsgeschichte herhalten sollten: die diesjährige Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Nach Vardys Nominierung durch Roy Hodgson schlachtete die englische Presse die Märchengeschichte noch einmal so richtig aus und wandelte, sich treu bleibend, in Superlativen. Dieses Mal waren sich die Pundits sicher, dass die Three Lions etwas reißen würden. Den Ausgang dieser Träume kennen wir alle. Und auch wenn Vardy ein besseres Turnier als viele seiner Mitstreiter gespielt hat—was andererseits auch keine Kunst war—, war die EM in Frankreich eine ernüchternde Erfahrung für Vardy. Und eine, die mitnichten zu seinem raketenhaften Aufstieg in der abgelaufenen Saison passen wollte. Dieser Rückschlag wird nicht spurlos an Vardy vorbeigegangen sein, auch weil er weiß, dass er mit seinen 29 Jahren nicht mehr viele Großturniere spielen wird, vor allem nicht in der Form der letzten Wochen—mit Ausnahme des letzten Wochenendes, wie wir gleich sehen werden.

Doch der Sommer hielt noch eine weitere Komplikation für Vardys stetigen Aufstieg bereit. Bevor er mit der englischen Nationalmannschaft nach Frankreich losdüste, befand sich der Leicester-Stürmer in Verhandlungen mit Arsenal, nachdem Arsène Wenger seine Fühler—und das ungewohnt öffentlich—nach Vardy ausgestreckt hatte. Zur gleichen Zeit zerbrachen sich Experten, Kolumnenschreiber und noch mehr Experten ihren Expertenkopf darüber, ob und in welcher Rolle der Spätstarter zum Verein aus Nordlondon passen würde. Ein Wechsel ins Emirates hätte seinen märchenhaften Aufstieg perfekt gemacht. Doch Vardy beschloss, vorerst hoch genug gekommen zu sein, und drückte bei seinem Aufstieg zu den Sternen auf die Bremse.

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PA Images

Anstatt also nach der EM zu Arsenal zu wechseln, verlängerte Vardy zu besseren Bezügen bei Leicester. Auch wenn die Sorge, ob Arsenal und vor allem Wengers Spielphilosophie wirklich zu ihm passen würden, vielleicht nicht unberechtigt war: Vardys Entscheidung, einem der traditionell vier besten Teams der Premier League einen Korb zu geben, war dennoch ziemlich konservativ—und für manche auch feige. Ob seine ersten sechs Monate bei Arsenal besser verlaufen wären als seine letzten sechs bei Leicester, kann keiner wissen. Wir wissen nur, dass die Hinrunde bei den Foxes so gar nicht zu seinem Karrieredrehbuch der letzten Jahre passt.

Vor dem Spiel am Samstag gegen Manchester City hatte Vardy mickrige zwei EPL-Saisontore auf dem Konto. Wettbewerbsübergreifend hatte er seit 16 Spielen auf ein Erfolgserlebnis warten müssen. In dieser Zeit fiel Leicester tiefer und tiefer in der Tabelle. Nicht nur Vardys Form ging den Bach runter, auch sein kongeniales Zusammenspiel mit Riyad Mahrez.

Es gibt natürlich verschiedene Faktoren für Leicesters Absturz in der Premier League, wovon viele außerhalb von Jamie Vardys Kontrolle liegen. Vor allem sind es die mentalen Schwierigkeiten einer Mannschaft, die plötzlich als Premier-League-Champions im Fokus stehen. Dabei haben sie den Nachteil, dass sie mittlerweile niemand mehr unterschätzt. Dazu kommt noch die Mehrfachbelastung durch die Champions League. Denn auch wenn Leicesters CL-Auftritte für die wenigen Highlights in der bisherigen Saison gesorgt haben, stellt die erstmalige Teilnahme an der Königsklasse die Mannschaft auch vor große Probleme. Denn ihr Kader ist bei Weitem nicht so tief wie der von Arsenal, Chelsea oder City. Und auch—und vor allem—Kantés Weggang zu Chelsea wiegt schwer.

Das soll natürlich nicht heißen, dass Leicester nicht unter Vardys Formkrise gelitten hätte. Schließlich hatte der in der letzten Saison 24 Tore zur Sensationsmeisterschaft beigesteuert.

EPA/Hannah McKay

Es schien fast so, als hätte Vardy sich selbst in den letzten Monaten die Frage gestellt, ob es überhaupt noch weiter nach oben für ihn gehen kann—vor allem nach der misslungenen EM und dem Fehlstart mit Leicester. Und ja, er wird bestimmt auch heimlich auf das, was Arsenal so anstellt, geschmult haben, ganz nach dem Motto: ‚Das wäre Ihr Preis gewesen'.

Die gute Nachricht ist, dass es bei Vardy am Wochenende wieder richtig gut ausgesehen hat. Nicht nur, dass er drei Tore geschossen hat, sondern wie er sie geschossen hat, kann Leicester-Fans wieder etwas optimistischer stimmen. Denn seinem Dreierpack gegen Manchester City gingen blitzschnelle Sprints, richtig getroffene Entscheidungen und klinisch genaue Abschlüsse voraus, also ganz so wie in der letzten Saison. Und auch wenn Vardy am Dienstag gegen Bournemouth ohne Torerfolg blieb: Leicesters Anhänger sollten die Hoffnung auf eine Rückkehr des Knipsers Vardy noch lange nicht aufgeben.