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Aston Villa

Eine Autopsie von Aston Villas Scheitern

Aston Villa steht als Absteiger fest. Kein Wunder bei einem Besitzer, der den Club seit Monaten loswerden will und „Profis", die nach 0:6-Klatschen Fotos von Sportautos posten.
PA Images

Anfang des Monats hat Aston Villa ein neues Logo vorgestellt, das die Trikots des Vereins aus den Midlands in der kommenden Saison schmücken wird. Das Logo des Absteigers hat eine entscheidende Neuerung. Unter dem Löwen wird nicht mehr das seit 1878 bestehende Vereinsmotto „Prepared" stehen. Der Grund dafür ruft jeden Kritiker des modernen Fußballs auf den Plan: Denn laut Vereinsinformationen habe der Spruch einen kleineren Löwen nötig gemacht, was dazu führte, dass das Logo „bei kleineren Darstellungen, vor allem in digitalen Applikationen, nicht mehr so gut performt habe."

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Es gibt aber noch eine weitere Erklärung für das Logo-Update: Aston Villa durfte auf offiziellen Fanartikeln nicht mehr mit einem so eindeutig falschen Versprechen werben. Denn von vorbereitet sein war in dieser Grotten- und Abstiegssaison nun wirklich nichts zu sehen.

Was sich in dieser Saison bei den Lions abgespielt hat, war ein einziges Trauerspiel. Villa ist (eigentlich) ein stolzer Traditionsverein, der in den ersten Jahrzehnten der englischen Fußballgeschichte—also vor über 100 Jahren—Titel um Titel geholt hat. Zuletzt wurde man 1981 englischer Meister und konnte ein Jahr drauf auch den Europapokal gewinnen. Zumal haben sie mit dem Villa Park eine historische Spielstätte sowie eine große und leidenschaftliche Anhängerschaft. Selbst der aktuelle Premierminister schimpft sich Villa-Fan (neben West Ham).

Doch spätestens in dieser Saison wäre der erfolgsverwöhnte David Cameron gut beraten gewesen, sein Herz lieber ganz an die Hammers zu verschenken. Denn während der Verein aus Ostlondon an den Champions-League-Plätzen schnupperte, hat Villa nur drei Spiele gewinnen können und—Stand heute—mickrige 16 Punkte auf dem Konto. In England wird schon heiß darüber diskutiert, ob das vielleicht die schlechteste Mannschaft der Premier-League-Geschichte war.

Lescott stand viel in der Kritik, was auch mit seiner Leistung außerhalb des Platzes zu tun hat. Foto: Peter Powell/EPA

Dafür spricht auf jeden Fall die Tatsache, wie sang- und klanglos die Mannschaft abgestiegen—ach was, abgestürzt—ist, obwohl das Team auf dem Papier relativ wettbewerbsfähig aussieht. Die Verteidigung sollte genug Erfahrung haben, um den Laden hinten einigermaßen dicht zu halten. Und auch im Mittelfeld und im Sturm wäre eigentlich mit einem Mindestmaß an Kreativität zu rechnen gewesen. Oder anders ausgedrückt: Vereine wie Bournemouth—die schon den Klassenerhalt sicher haben—und Norwich City—die bereit sind, bis zum letzten Tag zu kämpfen—hätte man gefühlt locker hinter sich lassen müssen.

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Doch genau hier ist der Knackpunkt: Villa hat während der gesamten Saison jeglichen Kampfgeist vermissen lassen. In den neun Niederlagen am Stück, die den frühzeitigen Abstieg in trockene Tücher brachten, verlor man zu Hause mit 0:6 gegen Liverpool, 0:4 bei Manchester City und 0:4 zu Hause gegen Chelsea. In allen drei Spielen schien die Mannschaft schon nach dem ersten Gegentor sofort das Handtuch zu werfen. Bei der Klatsche gegen Chelsea zeigte die Abwehr bei Pedros zweitem Streich überhaupt keine Gegenwehr. Schon seit Ende August scheinen sich viele Spieler mit dem Abstieg abgefunden zu haben.

Sportpsychologe Dave Readle glaubt, dass die Probleme auf dem Platz mit der Mentalität der Spieler, und nicht mit ihrem Können, zusammenhängen: „Wenn man sich die englische Liga anschaut, sieht man am einen Ende Leicester und am anderen Aston", so Dave. „Ich würde nicht sagen, dass das nur mit dem unterschiedlichen Talent in beiden Mannschaften zu tun hat. Denn auch Leicester hat vor Saisonbeginn nicht wirklich viel ausgegeben. Es muss also mit der Mentalität zu tun haben. Am Ende geht es in jeder Mannschaft—sei es nun ein Radsport-, Rugby- oder eben Fußballteam—um Leadership. Und bei Villa fehlt es durch die Bank an echten Leadern."

Dan Gutteridge, Villa-Fan seit Kindheitstagen, hat uns seine Sichtweise zum Niedergang seines Vereins erklärt: „Ich war beim Spiel gegen Swansea, das war Tim Sherwoods letztes Spiel als Trainer. Und das war meine schlimmste Erfahrung, die ich im Villa Park jemals gemacht habe [seine Mannschaft verlor 1:2, die sechste Pleite in Folge, Anm. d. Red.]. Die Stimmung im Stadion war schlecht, Sherwood rannte hilflos die Coaching Zone auf und ab und keinen von seinen Spielern scheint es interessiert zu haben."

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Ex-Coach Sherwood bringt zum Ausdruck, was Villa-Fans über die aktuelle Saison denken. Foto: Hannah McKay/EPA

„In den letzten Jahren konnte Villa zwar stets dem Abstieg entgehen, hat sich aber trotzdem regelmäßig bis auf die Knochen blamiert. Jeden Sommer hieß es, jetzt fließt endlich Geld, doch am Ende blieb alles beim Alten", so Dan weiter.

Diese Saison aber wurde Villa schließlich von der jahrelangen Fehlplanung eingeholt. Oder um Dan zu zitieren: „Du kannst nicht deine drei besten Spieler abgeben—Delph, Benteke und Vlaar—, von dem Geld Spieler von mittelmäßigen französischen Clubs kaufen und denken, dass dabei was Gutes rauskommen kann." Dieses Gefühl wird von vielen Villa-Fans geteilt: das Gefühl einer viel zu kurzsichtigen Planung, die übrigens auch einem weiteren Traditionsverein den Gang in die zweitklassige Championship bescheren könnte: Newcastle United.

Ja, die Magpies sind gewissermaßen tatsächlich Brüder im Geiste. Beide Clubs haben eine große Fanbase und eine stolze Geschichte. Aber noch wichtiger, beide müssen sich mit einem Besitzer rumschlagen, der sich nicht im Geringsten für eine gedeihliche Zukunft seines Vereins zu interessieren scheint.

Bei Newcastle war das eigentlich schon seit Beginn der Übernahme durch Mike Ashley der Fall, der zu seinen Fans nie einen Draht aufbauen konnte. Villa-Eigentümer Randy Lerner hatten wenigstens einen guten Start bei den Lions. „Er kam und hat anfangs vieles richtig gemacht. Bis er scheinbar das Interesse an seinem Verein verloren hat."

In der Tat weiß Lerner zunehmend durch seine Abwesenheit zu glänzen. Er ist ein Besitzer, dessen Hauptaugenmerk darauf zu liegen scheint, den Verein schnellst möglich loszuwerden. Anfang der Saison bestellte er den mittlerweile geschassten Remi Garde für Gespräche in die USA. Eine ziemliche Zeitverschwendung für einen Trainer, der mal lieber bei seinen schon damals kriselnden Spielern auf dem Trainingsplatz gestanden hätte. Das Garde-Experiment hielt am Ende nur 147 Tage.

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„Arbeitskultur und Mentalität werden von oben vorgelebt", so Dave. „Wenn die Leute an der Spitze keine Vision haben, wenn es keine klare Strategie gibt, dann hast du auch keine Spieler, die wirklich lange bei dem Verein bleiben wollen und sich mit ihm identifizieren. Das schafft Spieler, die einfach nur ihr Gehalt einstreichen, bis sie den Verein nach Saisonende verlassen."

Für die desinteressiert wirkende Führung von Club-Boss Lerner hat Dave auch noch eine Einschätzung parat: „Wie anderswo gilt auch beim Fußball: Wenn dein Chef Unlust signalisiert, warum solltest du dir dann Mühe geben? Genau dieses Gefühl scheint sich von der Vereinsspitze auf die Spieler übertragen zu haben."

Unzufriedenheit ist aktuell hoch im Kurs im Villa Park. Foto: Sean Dempsey/EPA

Es gibt wohl keinen Villa-Spieler, der so sehr in der Kritik gestanden hat wie Joleon Lescott. Nicht zuletzt wegen seines bizarren Pocket-Tweets, als er wenige Stunden nach der 0:6-Heimklatsche gegen Liverpool „aus Versehen" ein Bild von einem Luxussportwagen gepostet hat. Und als am Samstag der Abstieg auch rechnerisch feststand, meinte der frühere City-Spieler, dass ihm, wörtlich, eine Last von den Schultern gefallen sei. Klassenerhalt-Rhetorik, nur eben von einem sicheren Absteiger. So viel zum Thema Motivation und Mentalität.

So geht es also nächstes Jahr in die Championship. Erst das zweite Mal Zweitklassigkeit in den letzten 40 Jahren. Der direkte Wiederaufstieg wird kein leichtes Unterfangen, weil ein Großteil der Spieler das Weite suchen wird und die Mannschaft von vorne anfangen muss. Was aber angesichts der ablaufenden Horrorsaison vielleicht keine allzu schlechte Nachricht ist.

Doch ein echtes Happyend wird es für Villa nur dann geben, wenn auch ein anderer seine Koffer packt. Um Pat Murphy vom BBC zu zitieren: „Villa-Fans sollten hoffen, dass Lerner endlich verkauft."