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Ein goldenes Ei für die globale Elite

Anlässlich des diesjährigen Weltwirtschaftsforum konnten die Herrschenden diese Woche in einem neugebauten Prachthotel in den Schweizer Alpen residieren.
Bild (Ausschnitt): MBoeschWikimedia / Lizenz: CC BY SA 3.0

Der Veranstaltungsort für die diesjährige Zusammenkunft zahlreicher Regierungschefs und CEOs beim Weltwirtschaftsforums in Davos hätte kaum symbolkräftiger sein können: Ein gigantisches Bergchalet, wie eine Festung gesichert, geformt wie ein goldenes, betörend-bombastisches Ei.

Eingefasst von 790 wogenden Stahlbändern mit naturalistischem Glitzer-Faktor und oberhalb des Davosersees gelegen ist das neue Intercontinental Davos ein architektonisches Prachtexemplar. „Das Hotel ist wie ein riesiges Raumschiff, das inmitten einer dörflichen Idylle gelandet ist," begeisterte sich John Newton vom Condé Nast Traveler, einem Magazin für Luxusreisen, schon einen Monat vor der Eröffnung des Baus. Entworfen von dem Münchner Architekturbüro Oikios und den Ingenieuren der Firma Seele wurde das Hotel in Anlehnung an ein klassisches Chalet erbaut. Das Hotel bietet seinen Besuchern zwar die gleichen Annehmlichkeiten, wie sie auch in den anderen Luxushotels der Region üblich sind—zusätzlich aber ist das Hotel das einzige mit eigenem Helikopterlandeplatz.

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Zur Grundausstattung des Intercontinental gehören außerdem Stacheldraht-Umzäunung, umfassende Überwachungskameras und Bewegungssensoren. Während des Weltwirtschaftsforums wird das Haus ganze sieben Regierungschefs und ein Duzend CEOs beherbergen, erklärte ein Hotelsprecher gegenüber Bloomberg. Natürlich sind alle Zimmer schon längst ausgebucht. Der Übernachtungspreis von ohnehin stattlichen 520 Euro, wird während der Veranstaltung noch einmal bedeutend höher ausfallen. Auf die Nachfrage eines Reporter zum genauen Zimmerpreis, entgegnete der Hauptmanager des Hotels nur spöttisch: „Das kann ich Ihnen doch nicht sagen."

In Davos quartiert man seine elitären Gäste immer in erstklassigen Hotels wie dem Flüela oder im Steigenberger Belvedere ein. Doch das Intercontinental, an dem 5 Jahre lang gebaut wurde und das 120 Millionen Euro gekostet hat, ist wohl das imposanteste Bauwerk des Luxuskurorts—übrigens ist der Haupteigner des Hotels Crédit Suisse. Die Außenverkleidung des Hotels, die aus hunderten von vergoldeten Tafeln besteht, verändert je nach Wetter und Betrachtungsperspektive ihr Aussehen und erzeugt damit ein geradezu organisches Leuchten," heißt es in einer Pressemitteilung. „Dank der speziellen farbbeständigen Nasslackierung wird das Aussehen der Fassade für immer unverändert bleiben, trotz der extremen klimatischen Bedingungen der Alpenregion." Und abgesehen von der starken symbolische Wirkung der goldenen Eierform des Hotels, wartet das Haus laut Erbauern auch noch mit geradezu nützlichen Luxusqualitäten auf: Das Hotel wird „zu 90 Prozent von erneuerbarer Energie beheizt wird, womit ein besonderen Beitrag zur ökologische Nachhaltigkeit geleistet wird."

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Es ist zu erwarten, dass sich während des Forums der Reichtum in voller Pracht zeigen wird, schließlich gehören Privatflugzeuge, Hubschrauber, Bodyguards und selbst Scharfschützen gewissermaßen zum Grundinventar der Veranstaltung. Laut einer Schätzung von CNN liegt der durchschnittliche Preis für ein Teilnehmerticket bei 40.000 Dollar—und das ist nicht der Preis, den VIPs zahlen müssen. Zu der Veranstaltung kann auch ein Nebenforum für jeweils fünf Personen für je 500.000 Dollar gebucht werden. Diese Konferenz ist ihrer Art nach wirklich einzigartig: 2011 brachte die Veranstaltung 135 Millionen Euro an Umsätzen ein, wovon so gut wie alles für die angebotenen Seminare und das bedienende Personal ausgegeben wurde.

Die Opulenz der Veranstaltung sowie der betriebene Sicherheitsaufwand fallen dieses Jahr in Anbetracht der weltweiten wirtschaftlichen Probleme besonders scharf ins Auge. Diese Ungleichheit wurde erst vor Kurzem durch einen neuen Oxfam-Bericht verdeutlicht. Die weltweit reichsten 85 Menschen teilen sich ein Vermögen von ganzen 80 Billionen Euro, das entspricht in etwa dem gesamten Vermögen der 3,5 Milliarden ärmsten Menschen der Welt.

Im Oxfam-Bericht heißt es weiter, dass diese ökonomische Ungleichheit ihrerseits neue soziale Probleme heraufbeschwören könnte. Eines dieser möglichen Probleme ist die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, von der übrigens auch das Forum selbst ein Lied singen kann. Trotz einer Frauenquote fiel der Anteil der weiblichen Teilnehmer von 17 Prozent im Jahr 2013 auf 15 Prozent im Jahr 2014 (Quartz berichtet ebenfalls, dass dieses Jahr 196 Akademiker, 288 Regierungsbeamte, 48 Vertreter internationaler Organisationen und 2.101 Menschen aus dem Privatsektor am Forum teilnehmen werden, wobei Investment-Banken, große Unternehmen und Beraterfirmen wohl am häufigsten vertreten sein werden. Hier findest du einen hilfreichen Artikel über die Zusammensetzung der Teilnehmer.)

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Interessant ist auch, dass selbst der hauseigene Risikobericht des Weltwirtschaftsforums davon spricht, dass das Anwachsen der Einkommensunterschiede eines der größten Risikos für die Ökonomie und den sozialen Frieden weltweit ist. „Einkommensungleichheit" ist neben Klimawandel, Gesundheit, IT-Themen und Jugendarbeitslosigkeit eines der großen Themen des diesjährigen Forums. Das größte Anliegen des diesjährigen Forums—„Die Umgestaltung der Welt: Die Auswirkungen von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft"—zielt darauf ab, dass „die globalen Führungspersönlichkeiten ihr Verständnis davon überdenken, wie sich die Tektonik unserer Zeit verändert, damit sie vorausschauender reagieren können auf die sich anbahnenden Erdbeben, die uns in Zukunft bevorstehen," schreibt Klaus Schwab, der Vorsitzende des Forums.

Letzte Woche hat Martin Wolf in der Financial Times in einem Rückgriff auf die Anfänge des Ersten Weltkrieges bemerkt, dass die globale Stabilität zusehends von einem Versagen der Eliten bedroht wird. Treffend schrieb er: „damals war es, als ob ein tiefempfundener Todestrieb die Anführer großer Nationen ergriffen hatte. Wenn die Mehrheit der Menschen den Eindruck hat, dass die ökonomischen Eliten für mäßige Leistungen reichlich entlohnt werden, dabei aber nur an sich selbst interessiert sind und in Problemsituationen immer wieder gerettet werden müssen, dann reißt das Band der Solidarität irgendwann. Vielleicht sind wir schon jetzt am Anfang eines langen Niedergangs."

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Diese Grafik vergleicht die Daten der Länder von 1980 und ab 2008, Quelle: F. Alvarado, A.B. Atkinson, T. Piketty und E. Saez (2013) The World Top Incomes Database / Oxfam.

Oxfam hat die Teilnehmer des Forums dazu aufgerufen, Ungleichheit zu bekämpfen, indem sie das eigene Vermögen nicht dafür benutzen, um politischen Einfluss auszuüben, und indem sie davon absehen, ihre Reichtümer in Steueroasen zu verstecken, um Steuern zu vermeiden. Ähnliche Äußerungen konnte man vor Kurzem auch von britischen Abgeordneten vernehmen und man konnte sie auch in einem neuen Bericht der ICIJlesen, der die Nutzung von Off-Shore-Konten ranghoher chinesischer Kader dokumentierte. Oxfam hat die internationalen Eliten ebenfalls dazu aufgefordert, ihre jeweiligen Regierungen unter Druck zu setzen, um (1) Steuereinnahmen für ein allgemeines Gesundheitssystem, gute Bildung und soziale Absicherung zu investieren; um (2) Mindestlöhne in all ihren Unternehmen einzuführen; und um (3) andere Vertreter der ökonomischen Eliten dazu zu bewegen, sich für die gleichen Ziele einzusetzen.

Im Guardian schrieb Larry Elliot, dass solche Forderung unrealistisch seien. Stattdessen schlug er etwas anderes vor: „Schwab könnte das Leben seiner Gäste um einiges erschweren, wenn er zum Beispiel die Namen der schlimmsten Steuerflüchtlinge unter ihnen öffentlich nennen würde. Er könnte sie so anprangern und brauchte sie nicht mehr zu sich einzuladen. Dann allerdings würden in Davos viele Zimmer leer bleiben."

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Reuters Picture of the Day: The new InterContinental Hotel nearby @wef http://t.co/jh7Ww3K70R #wef14 #DavosToday pic.twitter.com/WSZq1OSvI2

— Reuters Live (@ReutersLive) January 22, 2014

The inaccessible Intercontinental (with the helipad) at #Davos #wef14 with @mmarinucci pic.twitter.com/nqhAlVPCYl

— Alberto Onetti (@aonetti) January 23, 2014

Während des Weltwirtschaftsforums wird Davos zu einer Festung umgestaltet. Die Stadt wird von Tausenden von Schweizer Soldaten bewacht, Scharfschützen positionieren sich auf den Dächern und kilometerweit erstreckt sich der umzäunende Stacheldraht. Längst ist Davos auch zu einem Ort des Protest geworden. 2011 kam es sogar zu einer kleinen Explosion im Posthotel Marosani. Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt.

Diese Woche ist das Sicherheitsaufgebot im Intercontinental besonders groß. Von Seiten der Hotelleitung hat man damit geprahlt, dass es 38 Unterkünfte außerhalb des Hauptgebäudes gibt, die mit dem Hotel durch Geheimtunnel verbunden sind. Im bereitgestellten Pressematerial des Hotels kann man lesen, dass das oberste Stockwerk des Gebäudes einen Panoramablick bietet, während ein 1.200 Quadratmeter großer Spa-Bereich dazu einlädt sich vollends einnebeln zu lassen. „Der Devise entsprechend—,bewahre die Stille im Trubel des Lebens'—werden sich die Gäste nicht nur gemütlich entspannen, sondern auch den atemberaubenden Blick über die Berge von Davos genießen können."

Photo: Cows in front of the newly built InterContinental #Davos Hotel. REUTERS/Arnd Wiegmann #wef14 pic.twitter.com/nXR2h32a8e

— Reuters Davos (@Reuters_Davos) January 22, 2014

Ob es dir nun gefällt oder nicht, die Eierform des Intercontinental ist keine architektonische Neuerung, tatsächlich haben einige der führenden Architekten, deren Köpfe scheinbar mit vielen grandiosen Eierfantasien gefüllt sind, einige sehr bekannt gewordene Gebäude entworfen. Erinnere dich einfach mal an Renzo Pianos Kaufhaus in Köln, Norman Fosters „Gherkin" in London und das raumschiffartige Nationaltheater von Paul Andreu in Peking. Auch Santiago Calatrava hat erst neulich einen Sensationswurf gelandet mit der eierförmigen Florida Polytechnica University. Und Zaha Hadid hat sogar mal ein Fabergé-Ei entworfen. Es gibt aber noch viele weitere Beispiele: wie wäre es mit der London City Hall, dem Wolkenkratzer „Cybertecture Egg" in Mumbai und dem Nationalarchiv in Astana, der Las-Vegas-Hauptstadt von Kasachstan.

Architektur ist der ewige menschliche Traum von der Überwindung des Chaos' durch die Ordnung. Doch in einigen Fällen—so zum Beispiel inmitten der Schweizer Alpen, wie beispielsweise bei der Zusammenkunft der wirtschaftlichen Eliten in den vergangenen Tagen—kann Architektur auch wie der bombastische Ausdruck eines monströsen Egos wirken.

Die ironische Kombination aus Hybris und gespielter kosmopolitischer Philanthropie erinnert mich daran, was Deyan Sudjic, der Autor von The Edifice Complex, 2005 über Architektur gesagt hat: „Ein Gebäude zu bauen, sagt in etwa Folgendes aus: ,Das ist die Welt wie ich sie haben will. Dies hier ist das perfekte Gebäude, um einen Staat zu lenken, ein Wirtschaftsimperium zu kontrollieren, eine ganze Stadt oder auch nur eine Familie zu gründen.' Etwas zu bauen, bedeutet, einer Idee oder einer Emotion eine physische Hülle zu geben. Es ist ein Weg, Realität so zu konstruieren, wie wir sie haben wollen, nicht wie sie wirklich ist."