Kraftwerk der Zukunft oder „Höllenmaschine“: Wendelstein 7-X wird hochgefahren
Blick in eines der Module: Man erkennt das Plasmagefäß, eine Magentspule, die Außenhülle sowie zahlreiche Leitungen für Kühlmittel und Strom.

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Kraftwerk der Zukunft oder „Höllenmaschine“: Wendelstein 7-X wird hochgefahren

Der Greifswalder Stellarator ist nach 19 Jahren Bauzeit endlich fertiggestellt und könnt jetzt den Grundstein für die kommerzielle Fusionsenergie legen.

In Greifswald wird schon bald der weltweit größte Stellarator in Betrieb genommen, der nicht weniger als eine Revolution im Bereich der regenerativen Energieerzeugung einläuten könnte. Ein Stellarator ist ein Fusionsreaktor, dessen Funktionsweise im Wesentlichen an einen Stern (lateinisch Stella) angelehnt ist, bei dem zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen und dabei Energie abstrahlen.

Die Entwicklung der Physiker von der Ostsee wartet im Namen mit einer ebenso beschaulichen wie mächtigen Referenz an die Bayerischen Alpen auf: Wendelstein 7-X. Englische Medien wie Sciencemag haben den Apparat dagegen bereits als Höllenmaschine, als „fusion reactor designed in hell", bezeichnet.

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Der Wendelstein bekommt seine Außenverkleidung. Bild: IPP, Anja Ullmann

Neun Jahre bauten die Wissenschaftler des Max Planck Instituts für Plasmaphysik an dem experimentellen Kernfusionsreaktor. Sobald die Genehmigung vom Landesamt für Gesundheit und Soziales zur Strahlungssicherheit vorliegt (was nur noch wenige Tage oder Wochen dauern dürfte), wollen sie ihn nun endlich hochfahren, um seine Kraftwerkseignung zu prüfen.

Die Maschine, welche den Grundstein für eine kommerzielle Fusionstechnologie legen soll, hat einen Durchmesser von 16 Metern und kostet eine Milliarde Euro. Sie besteht aus 425 Tonnen Material, vor allem aus supraleitenden Magneten, die in 50 speziell geformten Spulen verbaut wurden und auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden müssen (-273 Grad Celsius). Zwischen den Magneten befinden sich 250 Anschlüsse zur Treibstoffversorgung, für die Installation von Messgeräten und um das Plasma im Inneren per Mikrowellenstrahlung aufzuheizen.

Teil des Plasmagefäßes von Wendelstein 7-X während der Fertigung. Bild: IPP, Wolfgang Filser

Computergrafik: Magnetspulen und Plasma der Fusionsanlage Wendelstein 7-X, die im IPP-Teilinstitut Greifswald aufgebaut wird.

Fertigung: Eines der fünf Teilstücke des Außengefäßes von Wendelstein 7-X . Bild: IPP, Wolfgang Filser

Die Magneten sollen ein individuell verstellbares Magnetfeld formen, welches das heiße Plasma einschließen und an Ort und Stelle halten soll. In der enormen Hitze verschmelzen Wasserstoffatomkerne zu Helium. Fusionsbrennstoffe (wie z.B. die im Meerwasser enthaltenen Wasserstoffisotope Deuterium) sind billig und und in ihrem natürlichen Vorkommen auf der Erde gleichmäßig verteilt. Bereits ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen. Die Technik weist zusätzlich günstige Umwelt- und Sicherheitseigenschaften auf, da, anders als bei der Atomenergie, keine strahlenden Reststoffe anfallen.

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Vom Wendelstein 7-X wird nun erwartet, dass Plasmagleichgewicht und -einschluss von vergleichbarer Qualität sein werden wie bei einem Tokamak gleicher Größe. Bei einem Tokamak wird die notwendige Verdrillung des Magnetfeldes erreicht, indem Strom durch das Plasma fließt. Bei einem Stellarator hingegen entstehen die verdrillten Magnetfelder vollständig durch außerhalb des Plasmas angeordnete Spulen.

Der Vorteil eines Stellarators gegenüber eines Tokamak liegt in der Vermeidung von Instabilitäten im Plasmastrom, welcher nicht kontinuierlich aufrecht erhalten werden muss. Somit kann hier ein konstanterer Betrieb gewährleistet werden, während die Frage, wie bei einem Tokamak ein Strom im Plasma dauerhaft beibehalten werden kann, noch Gegenstand der aktuellen Forschung ist. Unter anderem versucht die milliardenschwere internationale ITER-Initiative diese Frage vor dem Bau ihrer experimentellen Tokamak-Anlage in Südfrankreich zu klären.

Der Wendelstein 7-X (er ist der verbesserte Nachfolger des Wendelstein 7-AS) soll nun die wesentliche Eigenschaft von Stellaratoren eindrucksvoll vorführen: 30 Minuten lange Plasmaentladungen und damit die Grundlage für den Dauerbetrieb.

Homepage Titelbild: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Tino Schulz; Wikimedia / Lizenz: CC BY-SA 3.0